Stornierungen für 737 Max Boeing verliert das Vertrauen auf seinem wichtigsten Wachstumsmarkt
Bangkok Es gibt wohl kein schlimmeres Kundenurteil für einen Flugzeugbauer: „Unsere Passagiere haben das Vertrauen verloren, mit der Max 8 zu fliegen“, sagte am Freitag ein Sprecher der indonesischen Fluggesellschaft Garuda in einem TV-Interview.
Kurz zuvor hatte Garuda Boeing per Brief mitgeteilt, dass das Unternehmen seine 49 Bestellungen der 737 Max 8 rückgängig machen will. Auch einen bereits gelieferten Jet will man wohl wieder loswerden.
Der amerikanische Flugzeugbauer Boeing hat es damit schwarz auf weiß: Die technischen Probleme bei der 737 Max 8 werden wohl Aufträge kosten. Schlimmstenfalls droht den Amerikanern nun der Verlust einer Bestellung, die nach dem Listenpreis ein Volumen von 4,9 Milliarden US-Dollar hat.
Möglicherweise gelingt es Boeing aber noch, statt der 737 Max einen anderen eigenen Flugzeugtypen nach Indonesien zu liefern. Garuda zieht diese Möglichkeit nach eigenen Angaben in Betracht. Ein Sprecher des US-Flugzeugbauers teilte mit, man äußere sich nicht zu Diskussionen mit Kunden.
Doch Garuda bleibt möglicherweise nicht die einzige Fluglinie in der Region, die mit den Amerikanern Gespräche über Stornierungen führen will. Auch bei anderen asiatischen Fluggesellschaften wird mittlerweile mehr oder weniger öffentlich darüber gemutmaßt, von Bestellungen Abstand zu nehmen.
Dabei zählen die asiatischen Fluggesellschaften zu den wichtigsten Kunden: Kein anderer Markt dürfte für Boeing in den kommenden Jahren so wichtig werden. In einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Prognose ging der Flugzeugbauer davon aus, dass in der Region bis 2037 insgesamt 17.000 Flugzeuge bestellt werden – so viele wie in Europa und Amerika zusammen. Auch von den bereits rund 4600 bestellen 737 Max gingen fast 1300 nach Asien.
Möglicherweise werden es nun aber weniger Maschinen. Normalerweise müssen Fluglinien eine Vertragsstrafe bezahlen, wenn sie bestellte Flugzeuge doch nicht in Empfang nehmen. Die technischen Schwierigkeiten könnten in juristischen Gefechten aber möglicherweise eingesetzt werden, um solche Vertragsstrafen zu umgehen oder zu reduzieren.
Lion Air ist Wackelkandidat
Dabei müssen die Bestellungen nicht wegen tatsächlich wegen Sicherheitsbedenken erfolgen. Möglich ist auch, dass die Crashs nur als ein Vorwand verwendet werden. Beim Beratungsunternehmen Center for Asia Pacific Aviation (Capa) mutmaßt man, dass Fluglinien die zu viel Maschinen bestellt haben, die Unglücke nutzen könnten, ihre überdimensionierten Flotten wieder zu reduzieren.
Während Garuda bereits in die Offensive geht, bereits seit bei mehreren Airlines Überlegungen, Orders zu stornieren. Größte Wackelkandidat ist Lion Air – jene Fluggesellschaft, deren 737 Max bereits im Oktober abstürzte und 189 Menschen mit in den Tod riss.
Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg laufen bei der indonesischen Fluglinie Lion Air sogar erste Vorbereitungen für eine Stornierung. Laut einer anonymen Quelle erwägt das Unternehmen stattdessen Airbus-Jets vom Typ A320 zu ordern. Lion Air will sich nicht dazu äußern. Bestätigt ist allerdings, dass Lion Air für dieses Jahr vorgesehene vier Jets vom Typ 737 Max vorerst nicht abnehmen will.
Überraschend käme das nicht: Gründer Rusdi Kirana hatte nach dem Unglück im Dezember die Amerikaner harsch attackiert – und angekündigt, nicht mehr mit Boeing zusammenzuarbeiten. Kirana warf Boeing vor, die Schuld für den Absturz von sich zu weisen und sie stattdessen seiner Airline zuzuschieben. „Ich war in Schwierigkeiten, und sie haben sich entschieden, mich fallen zu lassen. Sie haben sich unethisch verhalten“, sagte er nach dem Absturz.
Formale Schritte leitete er zwar nicht ein. Der Absturz in Äthiopien dürfte ihn jedoch darin bestätigt haben, sich von den Amerikanern zu distanzieren. Für Boeing wäre es ein herber Verlust: Mit rund 200 bestellten Flugzeugen gehört Lion Air zu den wichtigsten Kunden von Boeing.
China bringt sich in Stellung
Auch in Vietnam könnte ein bedeutender Kunde verloren gehen: Die schnell wachsende Fluggesellschaft Vietjet schloss Stornierungen nicht aus und teilte mit, man werde noch weitere Untersuchungen abwarten. Es wäre ein besonders peinlicher Verlust: Erst im Februar hatten sich die Amerikaner auf eine Verdopplung der Lieferung auf 200 Flugzeuge gefreut.
Unterzeichnet wurde der Deal im Beisein des US-Präsident Donald Trump und des Generalsekretärs der kommunistischen Partei Nguyen Phu Trong in Hanoi. Volumen nach Listenpreis: Rund 12,7 Milliarden US-Dollar.
Ein Wackelkandidat ist auch der malaysische staatliche Fluglinie Malaysia Airlines. Auf mögliche Stornierungen angesprochen sagte Transportminister Anthony Loke, es gebe darüber noch keine Entscheidung. Die Airline hat 25 Flugzeuge bestellt, die ersten sollten im kommenden Jahr ausgeliefert werden.
Nicht nur Airbus könnte von möglichen Stornierungen profitieren – die Auslastung der Europäer ist ohnehin schon an der Kapazitätsgrenze. Schritt für Schritt bringt sich in Asien schon der nächste Wettbewerber in Stellung.
Kurz nachdem auf der ganzen Welt Flugverbote für die 737 Max erlassen worden, meldete sich der chinesische Flugzeugbauer Comac zu Wort: In spätestens vier Jahren soll der eigene Flugzeugtyp C919 in Europa zugelassen sein. Das würde dem Flugzeug wohl weltweit Glaubwürdigkeit verleihen – und könnte so dem A320 und der 737 Max Konkurrenz machen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.