Strategien für den Handel Warum Amazon nicht unbesiegbar ist

Die persönliche Nähe zum Kunden nutzen.
Für viele scheint es ausgemachte Sache, dass der E-Commerce-Gigant Amazon jede Branche überrollt und die Konkurrenz nur noch den geordneten Rückzug antreten kann. So haben jetzt die Konzerne Staples und Office Depot, immerhin Nummer eins und zwei bei den Bürobedarfshändlern in den USA, eine Genehmigung zur Fusion beantragt. Begründung: In Kürze werde ohnehin Amazon der wichtigste Wettbewerber sein.
Dass manch einem Konkurrenten mulmig wird angesichts der geradezu atemberaubend anmutenden Pläne, die Amazon-Chef Jeff Bezos jetzt auf der Hauptversammlung des Unternehmens angekündigt hat, scheint verständlich. Eigenmarken wie die Supermärkte, eine eigene Frachtflotte – Amazon will klotzen, nicht kleckern.
Doch unbesiegbar ist Amazon deswegen nicht. Händler dürfen dabei nur nicht den Fehler machen, den Internetkonzern zu kopieren. Die Kernfrage muss lauten: Was kann ich, was Amazon nicht kann?

Der Autor ist Teamleiter Handel + Konsum im Unternehmensressort des Handelsblatt.
Amazon ist hervorragend darin, jeden Schritt seiner Kunden zu analysieren, die Daten perfekt aufzubereiten und auf der Basis sein Angebot zu verbessern. Doch das Ganze geschieht sehr technisch und ist deswegen unpersönlich. Wer war nicht schon genervt davon, dass ihn beim Surfen im Netz wochenlang Produkte verfolgten, die man sich einmal zufällig bei Amazon angesehen hatte? Oder dass ihm zum bereits gekauften Buch hartnäckig das E-Book angeboten wird?
Der Erfolg des Handels beruht nun darauf, dieser vorgetäuschten Individualität echte Kundennähe entgegenzusetzen. Die wirklichen Bedürfnisse potenzieller Käufer zu entdecken mag aufwendig und im Amazon-Maßstab kaum zu leisten sein. Doch gerade spezialisierten Händlern bietet sich hier eine große Chance. Kunden, die sich gut beraten und verstanden fühlen, steuern den Shop beim nächsten Einkauf direkt an – und nutzen nicht erst die Suchmaschine.
Das Erfolgsrezept ist Kontakt zum Kunden
So paradox es im Internetzeitalter auf den ersten Blick scheint: Den größten Vorteil haben dabei Unternehmen, die über eigene Geschäftslokale in den Städten verfügen. Dort können Konsumenten Waren erleben, anfassen, anprobieren. Die Verkäufer haben direkten Kontakt zum Kunden, können eine Beziehung aufbauen. So bietet der Münchener Sporthändler Schuster im eigenen Yogastudio Workshops und Kurse an, bei Douglas bekommt die Kundin Schminktipps.
Wer das noch geschickt verknüpft mit dem E-Commerce, der hat einen wichtigen Schritt getan, um aus dem Schatten von Amazon zu treten. Das geht selbst in Branchen, die der stationäre Handel schon fast abgeschrieben hat. So holen 40 Prozent der Kunden, die bei Mediamarkt und Saturn online bestellt haben, die Waren im Markt ab – unter anderem, weil sie sich das komplizierte Produkt noch mal erklären lassen wollen und Tipps für den Anschluss und die richtigen Kabel brauchen. Auch Umtausch und Reparatur gestalten sich einfacher, wenn man einen Laden mit freundlichem Personal ansteuern kann.
Händler, die die Vorteile von Online und Ladenlokal intelligent verbinden und echte Kundennähe pflegen, brauchen keine Angst vor Amazon zu haben. Die anderen sollten schnell umdenken – oder den geordneten Rückzug antreten.