Streit um Staatshilfen Die Rettung der Lufthansa wird verschoben

Die Rettung der Airline gerät ins Stocken.
Frankfurt, Berlin, Brüssel Für die Aufsichtsräte der Lufthansa gab es wohl keine Alternative. Die Rettung der Airline-Gruppe wird vorerst verschoben. Der Aufsichtsrat habe die aktuell indizierten Auflagen der EU-Kommission zur Kenntnis genommen.
Sie würden eine Schwächung der Drehkreuzfunktion an den Heimatflughäfen der Lufthansa in Frankfurt und München zur Folge habe, heißt es in einer Mitteilung am Mittwochnachmittag. „Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Unternehmen und die vorgesehene Rückführung der Stabilisierungsmaßnahmen sowie mögliche Alternativszenarien müssen intensiv geprüft werden.“
Vor diesem Hintergrund habe der Aufsichtsrat dem Stabilisierungspaket in Zusammenhang mit den EU-Auflagen nicht zustimmen können. Zur Aufrechterhaltung der Solvenz stuft der Aufsichtsrat Stabilisierungsmaßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds aber weiter als die einzig gangbare Alternative ein.
Sprich: Es werden andere staatliche Hilfsmaßnahmen geprüft, um das Unternehmen zu sichern. Ob die nötig und möglich sind, bleibt abzuwarten. Noch werde mit Brüssel verhandelt, hieß es in Berlin. Die EU-Kommission spiele hart, das könne man sich nicht gefallen lassen. Eine eigentlich geplante außerordentliche Hauptversammlung wird vorerst nicht stattfinden.
Es ist die Zuspitzung einer Krise, die mittlerweile eine politische Ebene erreicht. Die Rettung von Lufthansa gerät immer mehr zwischen die Fronten der EU-Kommission, die eine Dominanz der deutschen Volkswirtschaft befürchtet – und der Bundesregierung.
Der Widerstand aus Brüssel – so heißt es in verhandlungsnahen Kreisen – habe alle überrascht: die Politik ebenso wie Lufthansa. Das zeigte sich etwa am Montag, als das Handelsblatt darüber berichtete, dass die EU-Kommission die Rettung der Deutschen Lufthansa an Bedingungen knüpfte und sich sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einschaltete und einen „harten Kampf“ ankündigte.
Irritationen zwischen Berlin und Brüssel
Sofort fühlte sich der zuständige Abteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium genötigt, den Artikel auf Twitter zu kommentieren. Die Einigung über das neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket sei nicht nur zwischen dem Wirtschafts- und dem Finanzressort sowie der Lufthansa vereinbart worden, sondern „auch mit @EU_Commission abgestimmt“, schrieb Philipp Steinberg, nach eigenem Bekunden Europäer im Herzen. Und fügte hinzu: „Mit die intensivsten Wochen(enden) meines Lebens.“
Die Kurznachricht zeigt: Der Streit über Lufthansa sorgt für nachhaltige Irritationen zwischen der deutschen Regierung und der EU-Kommission. So haben die EU-Wettbewerbshüter wiederum mit einigem Befremden aufgenommen, welch heftige Reaktionen ihre Forderungen in der deutschen Politik ausgelöst hatten.
Der temporäre Rechtsrahmen für Beihilfen in der Coronakrise sei glasklar, hieß es: Wenn eine Regierung ein marktmächtiges Unternehmen mit Kapitalspritzen von mehr als 250 Millionen Euro unterstütze, müsse sie auch wirksame Maßnahmen gegen deren wettbewerbsverzerrende Wirkung vorschlagen.
Lufthansa hatte deshalb am Dienstag angeboten, in Frankfurt auf zwei Slotpaare – das sind Start und Landerechte an einem Flughafen – und auf eines in München zu verzichten. Die dazugehörigen Flugzeuge und Crews würde das Unternehmen unbestätigten Informationen zufolge einem Wettbewerber zur Verfügung stellen.
Dieses Vorgehen ist gängige Praxis und nennt sich Wetlease. Eine Airline fliegt dabei Strecken mit eigenem Gerät und Crews im Auftrag anderer Anbieter und bekommt dafür eine Gebühr. Manchmal werden die Jets dafür umlackiert, manchmal aber nicht.
Die Lufthansa stellte allerdings ihrerseits Bedingungen. So sollen die Verkehrsrechte nur so lange an einen anderen übergehen, wie das Stabilisierungspaket der Bundesregierung läuft. Zudem sollte der Rivale, der nach Lufthansa-Auffassung selbst kein Profiteuer staatlicher Hilfen sein darf, neben der Wetlease-Gebühr auch die sogenannten „Remanenzkosten“ für das Personal übernehmen. Darunter werden jene Kosten zusammengefasst, die der Arbeitgeber trotz Kurzarbeitergeld des Staates selbst für Mitarbeiter zahlt, etwa die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes.
Der EU-Kommission geht dieses Angebot aber nicht weit genug. Sie fordert die Abgabe von 20 Flugzeugen mitsamt den Slots in München und Frankfurt. An beiden Airports ist die Lufthansa-Gruppe mit einem Marktanteil von rund zwei Dritteln der klare Marktführer.
Verhandlungsführer fühlten sich auf der sicheren Seite
Entsprechend enttäuscht gibt man sich im Umfeld von Lufthansa. „Die EU-Kommission will eine Schneise in den Luftverkehr schlagen“, heißt es dort.
Der Frust dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass sich Lufthansa und auch die Akteure auf politischer Seite auf der sicheren Seite wähnten. Abteilungsleiter wie Steinberg gehören zur sogenannten „Arbeitsebene“ der Regierungsapparate. Und eben diese Ebenen sollen sich in Berlin wie auch bei der EU-Kommission in Brüssel eng beraten haben.
So sollen sogar explizit Passagen auf Wunsch der EU-Kommission in das Vertragswerk aufgenommen worden sein, damit es den europäischen Beihilferegeln in der Coronakrise genügt. Details wurden von keiner Seite offiziell bestätigt.
Doch leitet sich aus dem EU-Regelwerk ab, dass es sich etwa um die Vorgaben handelt, dass der Staat sich nur geringfügig an Unternehmen beteiligt, einen klaren Fahrplan für den Ausstieg aus den Unternehmen vorlegt und obendrein eine marktgerechte Verzinsung verlangt. All das findet sich in der Vereinbarung.
Doch seit das Vertragswerk vorliegt, stellt sich die EU-Kommission quer. In etlichen Telefonschaltkonferenzen zwischen den Ministern Peter Altmaier (CDU) und Olaf Scholz (SPD) auf der einen Seite und der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auf der anderen Seite geht es nun um die Marktmacht der Lufthansa.
Vestager sieht die Dominanz der Lufthansa kritisch und will verhindern, dass der Konzern die Staatshilfen nutzt, um seine Position weiter auszubauen. Den Wettbewerb im Binnenmarkt auch nach der Coronakrise zu bewahren nutze „allen Konsumenten und Unternehmen“, sagte eine Kommissionssprecherin.
Lufthansa geht es weniger darum, Jets abgeben zu müssen. Der Konzern will sowieso um 100 Flugzeuge schrumpfen. Doch die Forderung der EU-Kommission greift tief in das Geschäftsmodell als Drehkreuz-Carrier.
Gerade auf den profitabelsten Langstreckenflügen würden die Zubringerdienste fehlen. „Die Bundesregierung hat uns zwar ein Beatmungsgerät zur Verfügung gestellt, Brüssel reißt uns aber eine Schlagader raus“, heißt es in Lufthansakreisen.
Kritik von Arbeitnehmervertretern
Profitieren würden Low-Cost-Carrier wie Ryanair, die allerdings mit ihren schlechten Arbeitsbedingungen und dem Widerstand gegen Tarifverträge für Schlagzeilen sorgen, weshalb sich die Gewerkschaft der Flugbegleiter (UFO) und die Pilotenvereinigung VC zu Wort meldeten und der EU-Kommission vorwarfen, mit ihrer Marktregulierung „tarifierte Arbeitsplätze im Luftverkehr zu vernichten“.
Tatsächlich zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Mitarbeiter einen Teil der Kosten für die Rettung der Lufthansa begleichen müssen. Lufthansa wird die Finanzmittel und die Zinslast, die der Staat auf verschiedenen Wegen stellt, nicht allein aus dem operativen Mittelzufluss tilgen beziehungsweise finanzieren können.
Die Veräußerung von Tafelsilber braucht Zeit. Das gilt etwa für einen möglichen Teilbörsengang von Lufthansa Technik. Zu allem Überfluss droht dem Konzern auch noch der Abstieg aus dem Dax.
In der kommenden Woche will die Deutsche Börse turnusmäßig über die Zusammensetzung des Indexes entscheiden. Ein Abstieg würde die Refinanzierung des Unternehmens zusätzlich erschweren.
Also bleiben nur harte Einschnitte bei den laufenden Kosten. Nach Plänen des Managements soll das Personal auf bis zu 30 Prozent seines Einkommens verzichten. Im Gegenzug will die Lufthansa-Spitze so viele Mitarbeiter wie möglich an Bord halten.
Und ganz am Ende steht sowieso die Frage, wie die Aktionäre auf der außerordentlichen Hauptversammlung abstimmen würden. Durch den Einstieg des Bundes mit 20 Prozent würden ihre Anteile deutlich verwässert. Vor allem über das Verhalten eines Großaktionärs wird heftig spekuliert: Heinz Hermann Thiele.
Der Unternehmer war ganz zu Beginn der Coronakrise mit zehn Prozent bei Lufthansa eingestiegen – wohl auch in der Erwartung, dass der Konzern gestärkt aus der Krise kommen werde. Nun muss er um seinen Aktienbesitz fürchten.
Einige im Lufthansa-Umfeld erwarten, dass er wegen der Konditionen, zu denen der Bund einsteigen will, klagen wird. Andere Führungskräfte im Konzern glauben nicht daran. „Was wäre die Alternative: die Insolvenz.“
Mehr: Warum es bei der Rettung von Lufthansa keine Gewinner gibt
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Eine Insolvenz in Eigenverwaltung wäre ein besserer Weg, um
a) zu vielen Auflagen aus Rettungspaketen aus dem Weg zu gehen,
b) Kostenstrukturen zu reduzieren, die Stand heute nicht wettbewerbsfähig sind (insbesondere Personalkosten)
Zusätzlich wäre eine Vermeidung direkter Staatshilfen wünschenswert, um in Summe keine Zombie-Unternehmen mit negativen Folgen für die wirtschaftliche Dynamik und Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft entstehen zu lassen. Leider wird die Erhaltung des Status Quo jedoch gefühlt seitens der Politik über alles gestellt. Die großen Chancen, die aus einer derartigen Krise entstehen werden kaum unterstützt.
Wir zahlen über den Wiederaufbau und SURE für die anderen, aber unsere eigenen Firmen und damit Arbeitsplätze dürfen wir nur unter schwersten Auflagen retten, vorgegeben von den Ländern, die wir mit dem Wiederaufbaufonds versuchen zu retten. Tolle EU - und Glückwunsch an Großbritannien. Wir sollten es den Briten gleich tun und mit den Briten eine eigene Union bilden. Dann würden Frankreich, Italien und alle anderen vielleicht mal aufwachen und entsprechende Reformen tätigen und auch die Steuern auch tatsächlich einziehen.