Coty-Chefin Sue Nabi im Interview: „Kim und Kylie helfen Coty aus der Krise“
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Sue Youcef Nabi im InterviewCoty-Chefin: „Kim und Kylie helfen uns aus der Krise“
Die Chefin des weltgrößten Duftkonzerns rechnet mit den Fehlern ihrer Vorgänger ab. Hoffnung setzt sie in Hautpflege und in die Beauty-Marken von Kylie Jenner und Kim Kardashian.
Die neue Coty-Chefin will die Marken des Beautykonzerns wieder flottmachen: „2022 wollen wir die Früchte unserer Sanierungsarbeit ernten.“
(Foto: Coty)
Düsseldorf Sue Youcef Nabi will den weltgrößten Duftkonzern Coty mit einer Neuausrichtung aus der Krise führen. „Asien und Hautpflege sind wichtige Zukunftsmärkte, die bisher von Coty vernachlässigt wurden“, sagte Nabi im Interview mit dem Handelsblatt. Die Margen bei Hautpflege seien sehr hoch.
Die frühere L’Oréal-Managerin, die Coty seit dem vergangenen September führt, will die Marken neu beleben und das angeschlagene Image von Coty aufbessern. Große Hoffnungen setzt die 53-Jährige mit Wurzeln in Algerien auch in die Beauty-Marken der Influencer-Schwestern Kylie Jenner und Kim Kardashian.
Coty ist in den vergangenen Jahren mit insgesamt 800 Millionen Dollar in deren Firmen eingestiegen. Deren Social-Media-Reichweiten mit 400 Millionen Followern seien von unschätzbarem Wert. „Kim und Kylie helfen Coty aus der Krise“, ist Nabi überzeugt. In direktem Austausch mit der Community entstünden Kosmetikprodukte, die genau auf die Zielgruppe abgestimmt seien.
Coty hat derzeit noch rund fünf Milliarden Dollar Schulden und fährt einen harten Sparkurs. Auch das einzige deutsche Parfümwerk von Coty in Köln mit 300 Mitarbeitern fällt dem Rotstift zum Opfer. „Die Schließung war eine sehr schwierige, aber notwendige Entscheidung, die uns nicht leichtfiel“, so Nabi. „Wir müssen unsere Überkapazitäten im Bereich der Duftherstellung abbauen. Daher planen wir, Düfte nur noch an den kosteneffizientesten Standorten zu produzieren.“
„2022 wollen wir die Früchte unserer Sanierungsarbeit ernten“, hofft Nabi. Im abgelaufenen Geschäftsjahr (Ende Juni) sank der Umsatz von Coty um 22 Prozent auf 6,7 Milliarden Dollar. Weltweit sind heute 12.000 Mitarbeiter beschäftigt. Die JAB Holding der deutschen Milliardärsfamilie Reimann, die von Peter Harf geführt wird, hält 50 Prozent an Coty.
Lesen Sie hier das komplette Interview:
Frau Nabi, Sie waren 20 Jahre Topmanagerin bei L’Oréal. Danach haben Sie Ihre eigene vegane Kosmetikmarke aufgebaut. Warum lassen Sie sich jetzt auf den Höllenjob als Sanierer von Coty ein? Das Unternehmen hat in den vergangenen fünf Jahren schon vier CEOs verschlissen. Coty hatte ein nicht ganz einfaches Image, aber besitzt riesiges Potenzial. Als ich L’Oréal 2013 verließ, wollte ich der Konzernwelt den Rücken kehren – es sei denn, es bietet sich ein spannender CEO-Posten an. Mein Kopf ist immer voller Ideen. Irgendwann war es mir zu wenig, mich nur um eine einzige Marke zu kümmern. Als Peter Harf an mich herantrat, war ich überrascht, habe dann aber rasch zugesagt.
Vita Sue Youcef Nabi
Als Youcef Nabi in Algerien geboren machte die Agrar- und Umweltingenieurin einen Marketing-Master in Paris. 1993 startet ihre steile Karriere im Kosmetikkonzern L’Oréal, Nabi wurde jüngste CEO in der Geschichte von L’Oréal Paris und erneuerte später die Tochter Lancôme. Nabi gelang es, das Image des französischen Beautykonzerns weniger weiß und jung zu gestalten. So verpflichtete sie Latinostars wie Penélope Cruz und die 68-jährige Jane Fonda als Werbegesichter. Mit Nicolas Vu gründete Nabi 2014 die Luxus-Pflege-Marke Orveda. Im September wurde sie CEO bei Coty.
Der weltgrößte Duftkonzern wurde 1904 vom Parfümeur François Coty in Paris gegründet und machte früh in den USA Geschäfte. 1992 übernahm die Chemiefirma Joh. A. Benckiser der Familie Reimann Coty.
2016 kaufte Coty für 12,5 Milliarden Dollar über 40 Kosmetik- und Pflegemarken von Procter & Gamble, darunter „Wella“, „Max Factor“, „Gucci“ und „Bruno Banani“. Die Übernahme erwies sich als problematisch und hinterließ einen Schuldenberg. Die Nettoverschuldung belief sich Ende 2020 auf 4,8 Milliarden Dollar.
Im Juni 2020 erwarb Coty 51 Prozent von Kylie Cosmetics der Influencerin Kylie Jenner. Im Januar kam für 200 Millionen Dollar ein 20-Prozent-Anteil an der Beauty-Firma von Jenners Halbschwester Kim Kardashian West hinzu.
Ende November gliederte Coty Wella in ein Joint Venture aus, an dem KKR 60 Prozent hält. Der Finanzinvestor hielt außerdem zuletzt rund 22 Prozent an Coty, die JAB Holding 50 Prozent. Der Umsatz des börsennotierten Konzerns Coty sank im Geschäftsjahr (bis Juni 2020) um 22 Prozent auf 6,7 Milliarden Dollar, der Nettoverlust lag bei einer Milliarde Dollar. Coty hat weltweit 12.000 Mitarbeiter. Die Zentrale zog von New York nach Amsterdam.
Warum lief es bei Coty so schlecht? Coty hat eines der schönsten Marken-Portfolios der Beauty-Branche. Schließlich gehören unsere Parfümmarken wie Gucci, Burberry, Hugo Boss oder Adidas zu den stärksten Modemarken der Welt. Aber das Management hat in der Vergangenheit Fehlentscheidungen getroffen und Chancen vertan. Das hat Coty in die schwierige Lage manövriert.
Welche Fehler waren das genau? Der erste Fehler: Viele Coty-Manager hatten keinerlei Erfahrung in der Branche. Ohne langjährige Expertise in der Beauty- oder Modewelt geht es heute nicht. Der zweite Fehler war das Missmanagement guter Marken.
An der US-Kosmetikmarke „Cover Girl“ zum Beispiel lassen sich viele Fehler ablesen. Die Marke war immer sehr innovativ. Die habe ich bewundert und zum Teil auch kopiert bei L’Oréal. Schon 1961 brachte „Cover Girl“ das weltweit erste Clean Make-up, sprich ohne Zusatzstoffe, auf den Markt. Das ist heute der Trend schlechthin. „Cover Girl“ war Pionier für lang anhaltendes Make-up und hat vor zwölf Jahren erstmals Make-up mit Hautpflege vereinigt.
Was lief dann schief? Anstatt Pionier-Innovationen auszubauen, investierte Coty bei „Cover Girl“ in junge, trendige Lippenstifte. Das ist ein Fehler, der oft gemacht wird im Beauty-Business: Eine Marke wird zu sehr in der Nische positioniert.
Niki Taylor
Das US-Supermodel der 90er-Jahre wird als Werbegesicht der Marke Cover Girl reaktiviert.
(Foto: Coty)
JAB-Chef Peter Harf gab Ihnen als Auftrag, die Coty-Marken „wachzuküssen“. Wie wollen Sie das schaffen? Zum einen durch den Fokus auf das Innovative. Zum anderen geht es im Beauty-Geschäft darum, langlebige Marken zu schaffen. So reaktivieren wir nun das US-Supermodel Niki Taylor, das „Cover Girl“-Gesicht für Clean Make-up der 1990er-Jahre. Menschen lieben Marken, die sie aus ihrer Jugend kennen. Mit vielen neuen Werbegesichtern sind wir dabei, jede einzelne Marke von „Max Factor“ bis „Manhattan“ aufzufrischen.
Wo sehen Sie außerdem strategischen Nachholbedarf? Asien und Hautpflege sind wichtige Zukunftsmärkte, die bisher von Coty vernachlässigt wurden. In China wachsen Einkommen und Nachfrage enorm. Wir bringen unsere neue Hautpflege der Traditionsmarke „Lancaster“ deshalb erstmals von China aus auf den weltweiten Markt.
Coty macht bisher 60 Prozent des Geschäfts mit Düften. Warum die überraschende Hinwendung zu Hautpflege? Weil das lukrativer ist? Für Hautpflege gibt es so gut wie kein Preislimit. Es gibt Produkte für zwei Euro, aber auch für fünfhundert oder sogar über tausend Euro. Für den Preis würde niemand Make-up oder Parfüm kaufen. Die Margen sind sehr hoch. Deshalb ist Hautpflege strategisch so wichtig für Coty. Die Menschen verbinden Hautpflege mit Gesundheit, nicht mit Schönheit. Sind sie zufrieden, bleiben sie oft lebenslang einer Creme-Marke treu.
Der Lockdown hat die Beautybranche hart getroffen. Für das Zoom-Meeting ist Parfüm nicht nötig. Und beim Einkaufen mit Maske braucht es kaum Make-up. Der Trend zum Homeoffice wird bleiben. Kann sich der Markt von der Pandemie vollkommen erholen? Die Menschen sehnen sich nach persönlichen Treffen – und dabei ist ihnen ihr Aussehen sehr wichtig. Auch zur Videokonferenz wird Lippenstift aufgetragen. Pflegendes Make-up liegt im Trend. Denn die Leute wollen nicht nur gut aussehen, sondern sich auch gut fühlen. Parfüm hebt die Stimmung in trüben Zeiten. Mitten im Lockdown haben wir deshalb den Launch der neuen Düfte „Marc Jacobs Perfect“ und „Hugo Boss Alive“ gewagt. Per Video-Testing mit Influencern. Die beschreiben den Duft ihren Followern auf Social Media. Das funktionierte prima.
Wie entwickeln sich die Marken der Influencerinnen Kylie Jenner und Kim Kardashian? Immerhin hat Coty 800 Millionen Dollar in deren Beauty-Firmen investiert. In direktem Austausch mit den Followern entstehen Produkte, die genau auf die Zielgruppe von Kim und Kylie abgestimmt sind. Ich tausche mich wöchentlich mit den Schwestern aus – etwa über Inhaltsstoffe oder Produktplatzierung. Kims Hautpflege kommt 2022 auf den Markt. Sie ist eine Trendikone, kennt die besten Dermatologen, plastischen Chirurgen und Fashionistas. Coty und ich bringen die tiefe Produktexpertise mit ein.
Kim Kardashian (l.) und Kylie Jenner
Coty hat sich mit 800 Millionen Dollar an den Beauty-Firmen der Influencer-Schwestern beteiligt.
(Foto: ddp images/Planet Photos)
Warum sind Sie überzeugt, dass sich die hohen Investments in Kim und Kylie für Coty auszahlen? Die Schwestern haben 400 Millionen Follower weltweit – ihre Communitys sind so groß wie die von Nike und Starbucks. Solch eine Macht besitzt kein Magazin oder Fernsehsender der Welt. Die Reichweiten der beiden sind von unschätzbarem Wert. Deshalb bin ich sicher: Ihre Beauty-Marken werden große Verkaufshits. Kim und Kylie helfen Coty aus der Krise.
Laufen in Zukunft Influencer-Marken globalen Konzernmarken gar den Rang ab? Nicht unbedingt, es wird aber neben den klassischen Beautymarken herausragende Influencer-Marken geben.
Wie verändert Social Media das Beauty-Marketing? Neben Kims und Kylies Marken wollen wir noch andere Direct-to-Consumer-Marken in Interaktion mit den Kunden entwickeln. Daneben nutzen wir verstärkt auch Mikro-Influencer. Coty hat erstmals einen Chief Digital Officer eingestellt. Immer mehr Kunden entdecken und testen Produkte im Laden, bestellen aber online. Wir verdienen inzwischen jeden fünften Dollar mit E-Commerce. Online wachsen unsere Marken mit 40 Prozent deutlich stärker als der Markt.
Seit dem Kauf der rund 40 Beauty-Marken von Konkurrent Procter & Gamble für 12,5 Milliarden Dollar lasten hohe Verbindlichkeiten auf Coty. Wie wollen Sie die Schulden in den Griff bekommen? Der Finanzinvestor KKR hat ja kürzlich 60 Prozent des Wella-Geschäfts übernommen. Dadurch konnten wir unsere Schulden von acht auf etwa fünf Milliarden Dollar drücken. Es bleibt aber noch viel zu tun. Durch striktes Kostenmanagement bauen wir weiter Schulden ab. Wir werden 600 Millionen Dollar in drei Jahren einsparen. In diesem Jahr liegen wir damit schon weit über Plan.
Parfümmarke „Marc Jacobs Perfect“
Die Markteinführung des neuen Dufts fand mitten im Lockdown statt. Das Parfüm wurde durch Video-Testing von Influencern beworben.
(Foto: Coty)
Cotys einziges deutsches Parfümwerk mit 300 Mitarbeitern fällt dem Rotstift zum Opfer. Warum gerade Köln? Das war eine sehr schwierige, aber notwendige Entscheidung, die uns nicht leichtfiel. Wir müssen unsere Überkapazitäten im Bereich der Duftherstellung abbauen. Daher planen wir, Düfte nur noch an den kosteneffizientesten Standorten zu produzieren.
Wann wird der Turnaround geschafft sein? Normalerweise brauchen Konzerne mindestens zwei Jahre, um Marken neu zu positionieren. Wir haben das in sieben Monaten gemacht und uns auch personell völlig neu aufgestellt. 2022 wollen wir die Früchte unserer Sanierungsarbeit ernten. Die Anleger honorieren die Entwicklung. Seit meinem Antritt im September hat sich der Aktienkurs verdreifacht.
Was ist eigentlich mit „Orveda“, der Luxus-Hautpflege, die Sie in den letzten sieben Jahren aufgebaut haben? Sollte die nicht unter das Dach von Coty schlüpfen? Ich hoffe, dass meine Marke eines Tages Teil von Coty wird. Dazu laufen derzeit Gespräche. Meine hochwertige Hautpflege ist clean, vegan und geschlechtsneutral. Schließlich wirkt eine gute Hautcreme bei einem Mann genauso wie bei einer Frau. Warum braucht es dann rosa Tiegel für Frauen und blaue für Männer? „Orveda“ soll alle Menschen verbinden.
Sie bringen Diversität nicht nur in Marken, sondern auch ins Management von Coty. Ganz bewusst. Denn wenn ein Unternehmen nicht die Vielfalt unserer Welt widerspiegelt, verpasst es wichtige Trends, Denkansätze und damit Geschäftschancen. Cotys Vorstand und Aufsichtsrat sind nun mehrheitlich weiblich. Bis 2025 wollen wir alle geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschiede beseitigen. Und bis 2022 wird Coty für vergleichbare Aufgaben und Leistungen weltweit unabhängig vom Geschlecht gleich bezahlen.
Sie sind als Mann in Algerien geboren und aufgewachsen und haben sich in der Beautywelt ganz nach oben gearbeitet. Wie steinig war der Weg? Meine Eltern haben mich immer unterstützt. Sie haben mich gelehrt, dass einem nichts in den Schoß fällt und man immer wieder neu lernen muss. Wer ins Topmanagement will, muss zu den Besten gehören und ständig kämpfen – egal, woher er kommt. Der Weg ist beschwerlich, aber für mich ist ein Traum wahr geworden. Ich will der Welt zeigen: Auch mit meinem eher ungewöhnlichen Hintergrund ist es möglich, CEO eines Weltkonzerns zu werden.
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