Tarifkonflikt 70 Prozent der Fernzüge fallen aus – Kritik an GDL-Streik wächst

Am Sonntag fuhren wegen des GDL-Streiks nur 30 Prozent der Fernverkehrszüge.
Frankfurt Wer in Thüringen oder Sachsen darauf gesetzt hatte, kurz vor dem Ende der Sommerferien mit dem Zug nach Hause reisen zu können, brauchte am Wochenende viel Geduld. Gestärkt durch zwei Entscheidungen von Arbeitsrichtern setzte die Lokführergewerkschaft GDL ihre Streiks unvermindert fort.
Zwar versuchte die Deutsche Bahn, die Folgen des Ausstandes so weit wie möglich abzufedern. Fuhren am Freitag nur 25 Prozent der geplanten Fernzüge, waren es nach Unternehmensangaben am Wochenende immerhin 30 Prozent. Doch der Arbeitskampf der Lokführergewerkschaft GDL sorgte gleichwohl für heftige Verwerfungen im Fahrplan – vor allem in ostdeutschen Bundesländern.
Auch die wachsende Kritik ändert an der äußerst harten Haltung von GDL-Chef Claus Weselsky bisher nichts. Für DGB-Chef Reiner Hoffmann ist es zum Beispiel klar erkennbar, dass „hier eine Berufsgruppe wie die Lokführer ihre partikularen Interessen gegen das Gesamtinteresse aller anderen Bahn-Beschäftigten durchsetzt“. Dem GDL-Chef gehe es vor allem darum, seine Gewerkschaft zu erhalten und ihren Einflussbereich zu vergrößern, um auf diese Weise mehr Mitglieder zu gewinnen, sagte er der „Rheinischen Post“.
Weselsky will, dass der Tarifvertrag für alle Mitglieder der GDL gilt – auch in den Betrieben der Deutschen Bahn, in denen die konkurrierende Eisenbahnergewerkschaft EVG die Mehrheit der Mitglieder hat. Das steht dem sogenannten Tarifeinheitsgesetz entgegen. Es legt fest, dass die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb die Tarifkonditionen aushandelt. Die kleinere bleibt zwar aktiv, soll den von der anderen Gewerkschaft ausgehandelten Vertrag aber nur mitzeichnen. Nach Schätzung der Deutschen Bahn hat die GDL lediglich in 16 von 300 Bahn-Betrieben die Mehrheit.
Die Bahn hatte vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt am vergangenen Donnerstag und Freitag versucht, den Ausstand per Eilverfahren stoppen zu lassen. Die Forderung der GDL, für alle Mitglieder verhandeln zu wollen, sei ein politisches Ziel und damit nicht per Tarifvertrag zu regeln, wurde argumentiert. Doch beide Arbeitsgerichte konnten keine ausreichenden Belege dafür finden, um der Argumentation zu folgen.
Für Arbeitsrichter sind vor allem der eigentliche Streikaufruf und die dort aufgeführten Gründe entscheidend. Weselsky macht zwar in seinen Aussagen keinen Hehl daraus, dass er die Folgen des Tarifeinheitsgesetz nicht akzeptieren will. Doch zum Streik hat er wegen der Forderungen bei Entgelt, Arbeitszeiten und Betriebsrenten aufgerufen.
Debatte über das Streikrecht
Wie der Konflikt gelöst werden kann, ist offen. Das Management der Deutschen Bahn bedauerte zwar die Entscheidungen der Arbeitsrichter. Zugleich sieht es sich aber in einem Punkt bestätigt. Die Richter hätten klargestellt, dass die GDL-Tarifverträge ausschließlich in den Betrieben zur Anwendung kommen, in denen die GDL eine Mehrheit hat. Deshalb will das Unternehmen über diese Forderungen nicht mehr mit der GDL verhandeln.
Eine vertrackte Situation, die in der Politik eine alte Debatte befeuert: eine mögliche Einschränkung des Streikrechts. So fordert der Wirtschaftsflügel der Union, dass Arbeitskämpfe im Zug- und Luftverkehr mindestens mit vier Tagen Vorlauf angekündigt werden müssen. Zugleich soll geregelt werden, wie eine Grundversorgung sichergestellt werden kann. Bevor eine Partei die Tarifgespräche als gescheitert erklären kann, soll eine Schlichtung vorgeschrieben werden.
Doch verhindert hätte alles das die aktuellen Bahn-Streiks wohl nicht. So gab es im November einen Schlichtungsversuch, der scheiterte. Und auch wenn Arbeitskämpfe mit vier Tagen Vorlauf stattfänden, würde die Bahn deshalb kaum noch mehr Züge auf die Gleise bringen können.
Mehr: DGB-Chef Hoffmann kritisiert Lokführergewerkschaft GDL
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