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Tarifkonflikt Bahn-Streik ab Mittwoch – Im Fernverkehr fährt nur jeder vierte Zug

Die GDL-Mitglieder haben den Arbeitskampf mit großer Mehrheit beschlossen. Der dürfte lange dauern und heftig ausfallen – für die wirtschaftlich angeschlagene Bahn ein echtes Problem.
10.08.2021 Update: 10.08.2021 - 15:51 Uhr 6 Kommentare
Reisende müssen sich auf Streiks im Bahnverkehr einstellen. Quelle: imago images/Ralph Peters
Hauptbahnhof in Heidelberg

Reisende müssen sich auf Streiks im Bahnverkehr einstellen.

(Foto: imago images/Ralph Peters)

Frankfurt Drangvolle Enge in den Fernzügen in Zeiten der Delta-Variante? Für Reisende, Urlauber und Berufspendler dürfte das am Mittwoch und Donnerstag Realität werden. Weil die Lokführer-Gewerkschaft GDL im Personenverkehr ab Mittwochfrüh zu Arbeitskämpfen aufruft, streicht die Deutsche Bahn drei Viertel der Fernverbindungen. Auch im Nahverkehr gebe es Einschränkungen, teilte die Bahn am Dienstagnachmittag mit.

„In einem systemrelevanten Bereich wie der Mobilität gilt es jetzt, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und nicht unsere Kunden zu belasten“, appellierte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler an die Arbeitnehmervertreter: „Gerade jetzt, wenn die Menschen wieder mehr reisen und die Bahn nutzen, macht die GDL-Spitze den Aufschwung zunichte, den wir in Anbetracht der massiven Corona-Schäden dringend brauchen.“

Doch für GDL-Chef Claus Weselsky gibt es nur eine Chance, den festgefahrenen Tarifkonflikt zu lösen: ein deutlich verbessertes Angebot. „Den Arbeitskampf verantwortet das Management der Deutschen Bahn AG“, sagte er am Vormittag in Frankfurt. Zuvor hatte er das Ergebnis der Urabstimmung verkündet: 95 Prozent der teilnehmenden Mitglieder der Lokführergewerkschaft haben sich für Arbeitskämpfe ausgesprochen.

Bereits am Dienstagabend starten Streiks im Güterverkehr. Am Freitagmorgen um 2 Uhr soll der Arbeitskampf dann vorerst enden. In Bahnkreisen werden aber weitere Streikwellen erwartet. Dort versucht man die Folgen mit Ersatzfahrplänen abzufedern – eine gewaltige Herausforderung. Täglich bewegt der Staatskonzern etwa 860 Fernverkehrszüge und über 20.000 Nahverkehrszüge inklusive S-Bahnen.

Je nachdem, welche Streikschwerpunkte die GDL in nächster Zeit setzen wird, müssen diese Verbindungen ständig neu sortiert werden.

An den kommenden zwei Tagen hätten die besonders stark genutzten Verbindungen Priorität, teilte die Bahn mit. So etwa die zwischen Berlin und der Rhein-/Ruhr-Region, zwischen Hamburg und Frankfurt sowie die Anbindung wichtiger Bahnhöfe und Flughäfen. Die Bahn-Spitze kann und will nicht garantieren, dass alle Reisenden wie gewünscht an ihr Ziel kommen.

Streik belastet die angeschlagene Bahn-Bilanz

Wenn möglich, sollten Reisen verschoben werden, appellierte das Unternehmen an seine Kunden. Diese können die für den Streikzeitraum gebuchten Fahrscheine bis einschließlich 20. August nutzen oder erstattet bekommen, sollte ihr Zug von den Streiks betroffen sein.

Für die Bahn selbst ist der Arbeitskampf eine heikle Situation. Die Pandemie hat dem eh schon wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen schwer zugesetzt. Im ersten Halbjahr 2021 lag der Verlust nach Steuern bei 1,4 Milliarden Euro. Die Nettofinanzverschuldung stieg auf erschreckende 32 Milliarden Euro.

Zwar sichert der Bund als Eigentümer grundsätzlich die Existenz des Konzerns. Gleichwohl können Bahn-Chef Richard Lutz und sein Finanzvorstand Levin Holle diese Kennzahlen nicht dauerhaft ignorieren. Auch die Bahn kann ihre Schulden nicht endlos in die Höhe treiben und hoffen, dass der Bund immer neue Mittel nachschießen wird.

Das zeigt die Hängepartie bei den bereits zugesagten Beihilfen des Bundes im Zuge des Klimapakets. Bislang hat die EU-Kommission diese nicht freigegeben. Doch von den elf Milliarden Euro bis 2030, die als Eigenkapitalhilfen für die Bahn fließen sollen, hat das Management im laufenden Jahr eigentlich schon zwei Milliarden Euro eingeplant. Immerhin wurden am Dienstag 550 Millionen Euro an Beihilfen freigegeben, mit denen Corona-Schäden ausgeglichen werden sollen

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Ein wochenlanger Streik würde die Bilanz des Staatskonzerns weiter belasten – zusätzlich zu den Milliardenkosten durch die jüngste Flutkatastrophe. Wie sehr, belegt der Blick auf den letzten großen GDL-Streik 2014/2015. Insgesamt bezifferte das Unternehmen den Schaden nach dem Ende des Arbeitskampfes auf rund 300 Millionen Euro. Nicht nur die fehlenden und stornierten Buchungen taten weh. Auch die Kommunen als Auftraggeber für den öffentlichen Nahverkehr reduzierten ihre Zahlungen an die DB Regio und die DB Netz, weil weniger gefahren wurde.

Damals legten die Lokführer ihre Arbeit zwischen Herbst 2014 und Sommer 2015 in mehreren Wellen nieder. Der längste Ausstand dauerte 138 Stunden, fast sechs Tage. Dieser Arbeitskampf könnte sogar noch härter ausfallen. Zwar liegen die Positionen der beiden Tarifpartner bei der Entlohnung dicht beieinander. So fordert die GDL Lohnerhöhungen von rund 3,2 Prozent analog zum öffentlichen Dienst, und das mit einer Laufzeit von 28 Monaten. Zusätzlich soll eine Corona-Prämie gezahlt werden. Die Bahn bietet auch 3,2 Prozent, allerdings auf einen längeren Zeitraum verteilt.

Doch Gewerkschaftsboss Weselsky hat noch ein anderes Thema. Er ist fest entschlossen, gegen den Bedeutungsverlust der GDL zu kämpfen. Die konkurrierende EVG ist mit 190.000 Mitgliedern mit Abstand die größte Gewerkschaft bei der Deutschen Bahn. Nach dem Tarifeinheitsgesetz darf die Arbeitnehmervertretung mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb auch die Tarifverhandlungen führen.

Die GDL hat laut Bahn nur in 16 von insgesamt 300 Betrieben diese Mehrheit. Deshalb will Weselsky künftig auch andere Mitarbeitergruppen als die Lokführer und Zugbegleiter vertreten. Doch das ist arbeitsrechtlich nicht über Streiks durchzusetzen, da diese Forderung nicht tariffähig ist. Deshalb hat Personalvorstand Seiler bereits angekündigt, Arbeitskämpfe gegebenenfalls dahingehend rechtlich prüfen zu lassen, ob bei diesen noch die Verhältnismäßigkeit gegeben ist.

GDL bestreikt ab Mittwochfrüh den Personenverkehr der Deutschen Bahn

Weselsky ist allerdings fest entschlossen, seinen Kurs durchzuziehen. Dabei nimmt er auch in Kauf, der Bahn maximalen Schaden zuzufügen. Das belegt der Zeitpunkt der nun angekündigten Streiks. Eigentlich hatte der GDL-Chef versprochen, Arbeitskämpfe so zeitig anzukündigen, dass Reisende umplanen können. In der Regel bedeutet das: Streiks werden zwei Tage vorher bekanntgegeben. Nun hat Weselsky den Bahnfahrern und dem Konzern-Management weniger als 24 Stunden zur Vorbereitung gegeben.

Zwar vertritt die GDL nach eigenen Aussagen nur etwa 37.000 der insgesamt über 320.000 Bahn-Mitarbeiter. Doch ihr Hebel bei Arbeitskämpfen ist groß, denn zu den Mitgliedern zählen angeblich rund 80 Prozent aller Lokführer und immerhin 40 Prozent der Zugbegleiter. Ähnlich wie in der Luftfahrt die Piloten und das Kabinenpersonal können diese beiden relativ kleinen Berufsgruppen den Betrieb mit Streiks heftig stören – erst recht, wenn diese kurzfristig stattfinden.

Mehr: Die Deutsche Bahn zerschlagen oder nicht? Verbände und Politik diskutieren die Zukunft des Konzerns

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6 Kommentare zu "Tarifkonflikt: Bahn-Streik ab Mittwoch – Im Fernverkehr fährt nur jeder vierte Zug"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Passt doch alles zusammen in D. Die Pandemieapologeten empfehlen dringend den PrivatPKW zu nutzen, um Infektionsübertragungen zu vermeiden. Die Öko-Aktivisten verlangen strikt ÖPNV bzw. ÖPV zu nutzen. Einen ÖPV dessen ohnehin unzuverlässige, zumeist überteuerte Leistungen man niemandem zumuten kann, der pünktlich und ausgeruht irgendwohin muß - und sicher zurück! Und genau dies gefährdet eine angestellte, dennoch wohlversorgte Minderheit zusätzlich. Solidarität gilt offensichtlich nicht für die Mehrheit auf Mobilität angewiesener Berufstätiger wie Privatleute - sie wird in zunehmend unzumutbarem Ausmaß stets von den am lautesten Krakeelenden, an den Hebeln sitzenden, erpresserisch Agierenden scheinheilig eingefordert. Ja, ich bin für Schadensersatzklagen, wenn das einst wichtige Streikrecht wie hier m.E. schlicht ausgehöhlt und eigennützig ausgenutzt wird. Übrigens Aussperrung gibt's auch, nur nicht für unsere Kuschekpolitik, denn das Unternehmen gehört dem Staat. Ach herrje, muß man da wohl Rücksicht auf so manchen, hochrangigen und überbezahlten politischen Versorgungsfall nehmen?

  • Richtig Hr. Hans Schönenberg bei der GDL werden wir wahrscheinlich auf keinen Nenner kommen, da die Sichtweisen bzw. Perspektiven zu verschieden sind.

    Mrd. Abschreibungen erfolgten im Jahr 2020 im größten Krisenjahr... leider gibt es transparentes Bild von den ganzen Verflechtungen und Löchern wo das Geld versickert. Eine ehrliche neutrale Sichtweise oder Berichterstattung fehlt mir bis heute.

    Fakt ist aber, dass die Lokführer im aktuellen Konflikt die Suppe nicht alleine ausbaden können und auf Reallohn verzichten sollen, damit die Führung noch mehr Bonus bekommt weil PK-Kosten eingespart werden.

  • Herr Björn Scheier: Was die GDL angeht, werden wir nicht auf einen Nenner kommen. Fakt ist aktuell, dass die DB, aber auch andere Bahnunternehmen unter Corona und den aktuellen Flutschäden leiden. Die von Ihnen erwähnten ausländischen Aktivitäten stammen noch aus der Zeit, als die Bahn unter Herrn Mehdorn an die Börse gebracht werden sollte, alles mit dem Segen der früheren CSU-Verkehrsminister. Die aktuelle Ansicht, dass die Bahn sich nur noch um den Schienenverkehr in Deutschland kümmern soll und als staatliches Dienstleistungsunternehmen betrachtet wird, ist noch relativ neu. Auf jeden Fall: in tausenden kleinen Unternehmen ist es selbstverständlich, dass alle Mitarbeiter mit anpacken und die Flutschäden gemeinsam schultern, nur eben nicht bei der GDL!

  • Wie kann es sein, dass wir als Bahnkunden, die aufgrund des Klimawandels auf den Privatwagen verzichten, für die Milliardenschäden aufkommen müssen, die ein sturer Gewerkschafter, dem es nur um seine Macht und Bedeutung geht, verursacht. Dieses verhalten ist beispiellos unsolidarisch gegenüber unserer Gesellschaft. Warum scheint es so, dass die Entwicklung autonomer PKWs schon weiter ist als die für selbstfahrende Züge? Wenn die Züge selbst fahren könnten, dann könnte die Bahn die Gehälter, die sie bei den Lokführern spart, für eine vernünftige Instandhaltung ausgeben. Aber wir haben es mit politischen Entscheidungen zu tun, and da stehen die Interessen der Kunden an letzter Stelle.

  • Es wäre mal Interessant wenn Handelsblatt auf Recherche geht! Missmanagement teilweise Betrug in die eigenen Taschen scheinen ähnliche parallelen zu haben wie einst bei Wirecard. Wo kommen die Verluste eigentlich genau her? Milliarden Abschreibungen durch Auslandsgeschäfte wie z.B. Arriva. oder Firmen auf Zypern oder ähnlich. Der Bundesrechnungshof hat ja auch schon berichtet, das einiges wohl nicht stimmt.

    Dann finde ich das die GDL noch gnädig ist mit den Forderungen vom öffentlich Dienst und sich nicht den Bonussystem der 3500 Führungskräften aus dem Top Management anschließt.

  • Es wird Zeit, dass Gewerkschaften für ihr Tun zur Rechenschaft gezogen. Betroffene Kunden sollten die Möglichkeit eingeräumt bekommen, Gewerkschaften auf Schadensersatz zu verklagen.

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