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Tarifstreit „Existenzvernichtung der GDL“: Weselsky lehnt Bahn-Angebot ab – Bahn geht juristisch gegen Streik vor

GDL-Chef Claus Weselsky lobt das Bahn-Angebot als „das beste aller Zeiten“ – und will dennoch weiterstreiken. Der Staatskonzern sucht eine Entscheidung vor Gericht.
02.09.2021 Update: 02.09.2021 - 15:32 Uhr 12 Kommentare
Seit 2 Uhr ist der Personenverkehr in Deutschland stark eingeschränkt. Quelle: dpa
GDL-Chef Claus Weselsky

Seit 2 Uhr ist der Personenverkehr in Deutschland stark eingeschränkt.

(Foto: dpa)

Frankfurt, Düsseldorf Der Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL eskaliert: Der Staatskonzern geht juristisch gegen den laufenden GDL-Streik vor. Das Unternehmen stellte am Donnerstag vor dem Arbeitsgericht Frankfurt einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den Arbeitskampf.

Das Gericht will noch an diesem Donnerstag über den Eilantrag entscheiden. Die Verhandlung soll um 18 Uhr im Gerichtsgebäude beginnen, berichtete eine Sprecherin.

„Das Streikrecht ist ein hohes Gut. Allerdings sind Streiks nur dann zulässig, wenn sie sich im Rahmen des geltenden Rechts bewegen“, sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Das sei nach Auffassung des Managements bei den Streiks der GDL nicht der Fall. „Deshalb müssen wir im Interesse unserer Kunden und Mitarbeitenden jetzt handeln und die Streiks rechtlich überprüfen lassen.“

Seiler erklärte weiter, die Bahn habe „jetzt das dritte verbesserte Angebot vorgelegt – ohne dass die GDL ernsthaft mit uns in Verhandlungen eingetreten wäre“. Auch den Vorschlag, mithilfe eines Schlichters oder Moderators nach einer Lösung zu suchen, habe die Gewerkschaft abgelehnt.

Bisher haben die Arbeitsgerichte in solchen Fällen häufig zugunsten der Gewerkschaften entschieden. Doch der aktuelle Fall ist in seiner Dimension einmalig. Am frühen Donnerstagmorgen hatte die GDL trotz einer neuen Offerte der Deutschen Bahn ihren Streik im Personenverkehr wie geplant gestartet.

GDL-Chef Claus Weselsky bezeichnete im ARD-„Morgenmagazin“ das Angebot der Bahn zwar als „das beste aller Zeiten“, lehnte es aber dennoch ab, da es eine Beschränkung des Geltungsbereichs auf den derzeitigen Tarifvertrag beinhalte. „Dieses Angebot kann keine Gewerkschaft auf dieser Welt annehmen“, sagte Weselsky.

Dritter Bahnstreik gestartet – Weselsky weist Angebot zurück

In den vergangenen 14 Monaten seien insgesamt 4000 neue Mitglieder in die Lokführergewerkschaft eingetreten, die Tarifverträge von der GDL haben wollen und vor allem 2021 keine Nullrunde fahren möchten. Der GDL-Chef verlangt, dass ein Tarifabschluss für alle Mitglieder der Gewerkschaft gilt. Also auch für jene in den Betrieben, in denen die konkurrierende und größere EVG die meisten Mitglieder zählt. Nach geltendem Tarifeinheitsgesetz soll aber diejenige Gewerkschaft den Tarifvertrag aushandeln, die jeweils die größere Mitgliederbasis hat.

Weselsky wandert damit rechtlich auf einem schmalen Grat. Einerseits sagt er, dass das Tarifeinheitsgesetz geltendes Recht sei. Andererseits will er dessen Wirkung aber offensichtlich nicht akzeptieren.

Der Gewerkschaftschef behauptet zudem schon länger, dass die GDL in viel mehr Betrieben der Bahn die Mehrheit der Mitglieder stelle. Laut dem Konzern ist dies aber nur in 16 von 300 Bahn-Betrieben der Fall. Gleichzeitig verweigert die GDL, die Zahlen gegenüber einem neutralen Notar offenzulegen. Unternehmen dürfen die Mitarbeiter nicht nach deren Gewerkschaftszugehörigkeit befragen, können die Mehrheitsverhältnisse daher nur schätzen.

Diese Gemengelage ist wohl auch der Ansatzpunkt für die Bahn-Spitze, nun gegen die GDL vorzugehen. Auch nach den jüngsten Äußerungen der GDL gehe es bei diesem Arbeitskampf offenkundig mehr um rechtliche und politische Themen als darum, Lösungen für gute Arbeitsbedingungen am Verhandlungstisch zu finden, heißt es in einer Erklärung des Konzerns.

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GDL-Chef Weselsky hatte bei den letzten drei Streikankündigungen immer wieder ein neues Angebot der Bahn verlangt. Vorher werde es keine neuen Verhandlungen geben. Die Bahn hatte noch am späten Mittwochnachmittag die bisherige Offerte nachgebessert. So wird jetzt eine Corona-Prämie angeboten, die je nach Gehaltsniveau zwischen 400 und 600 Euro betragen soll.

Eine solche Prämie hatte die GDL gefordert. Auch bei der Laufzeit will die Bahn der Gewerkschaft entgegenkommen. Sie soll von 40 auf 36 Monate reduziert werden. Die GDL fordert allerdings eine noch kürzere Laufzeit von 28 Monaten.

Dennoch lief der Arbeitskampf im Personenverkehr wie geplant in der Nacht zu Donnerstag um zwei Uhr an. Schon seit Mittwochnachmittag (17 Uhr) wird zudem der Güterverkehr bestreikt. Enden soll der Ausstand nach bisherigen Plänen am kommenden Dienstag in der Nacht um zwei Uhr.

Für Reisende – in aller Kürze:

  • Reisende können Fahrkarten für den Streikzeitraum flexibel nutzen und ihre Reisen vorziehen oder bis zum 17. September verschieben.
  • Auch eine Erstattung des Tickets ist laut Deutscher Bahn möglich.
  • Die Bahn rechnet damit, dass sie im Fernverkehr etwa ein Viertel des üblichen Angebots fahren kann, im Regional- und S-Bahn-Verkehr etwa 40 Prozent.

Die Stimmung in dem Tarifkonflikt ist so vergiftet wie niemals zuvor. Weselsky bezeichnete den Bahn-Vorstand am Donnerstagmorgen als „janusköpfig“, da er der GDL im Rahmen des neuen Angebots verbiete, Tarifverträge für neue Mitglieder abzuschließen. Das Angebot der Bahn ziele auf eine „Existenzvernichtung der GDL“, sagte er.

Zudem warf er dem Bahn-Vorstand im Deutschlandfunk vor, von seiner Gewerkschaft zu verlangen, dass sie ihre Mitglieder in zwei Klassen einteile und auf diese Weise grundgesetzlich verbriefte Rechte missachte. „Wir sind bereit zu verhandeln, aber Bedingungen sollte niemand stellen“, sagte Weselsky am Rande einer Kundgebung am Leipziger Hauptbahnhof.

Der Konzern will trotz des Streiks rund jeden vierten Fernverkehrszug fahren lassen. Im Regional- und S-Bahn-Verkehr sollen rund 40 Prozent des üblichen Angebots bereitstehen. Im Güterverkehr will das Unternehmen in Abstimmung mit den Kunden jene Züge priorisieren, die besonders sensibel für die Fertigung sind. In der Nacht zum Donnerstag hätten sich aber bereits 200 Güterzüge aufgestaut.

Dennoch spüren die Firmen bisher kaum Folgen bei ihren Lieferketten. Viele Unternehmen haben frühzeitig alternative Konzepte entwickelt. So hat etwa der Leverkusener Kunststoffhersteller Covestro seinen Materialbestand vorsorglich aufgefüllt und die eigene Auslieferung von der Schiene auf Lkw-Transporte und Schiffe verlagern können. Es gebe keine Auswirkungen auf die Produktion.

Der Chemieriese BASF wiederum kann im Nahverkehr seiner Standorte auf einen eigenen Bahnbetreiber zurückgreifen. Zudem verkehren zwischen den großen deutschen Werken sogenannte Ganzzüge, die von alternativen Bahnunternehmen betrieben werden.

Sorgen um Lieferketten bei langer Streikdauer

Diesen Vorteil haben die meisten kleineren Chemiefirmen nicht. Deren Waren werden in gemischten Zügen mit Waggons verschiedener Anbieter über mehrere Drehkreuze transportiert – hauptsächlich von DB Cargo. Gerade in diesem Segment erwartet die Branche bei anhaltenden Streiks Produktionsprobleme durch Materialengpässe.

Auch ein Sprecher von Volkswagen erklärte, dass es bisher kaum Einschränkungen gebe. Bei anhaltender Streikdauer könne es allerdings zu einzelnen Verzögerungen im Bahnverkehr kommen. Davor warnen auch die Chemieunternehmen. „Mit fortschreitender Dauer und sich aufbauender Rückstaus wird die Lage sicherlich auch für uns schwieriger werden“, sagte eine Sprecherin von BASF.

Bei anhaltenden Streiks werden immer mehr Industriefirmen versuchen, auf Lkw-Transporte auszuweichen. In der Industrieproduktion, die auf Just-in-time Lieferungen angewiesen ist, würden schon jetzt Schwierigkeiten entstehen, sagt Niels Beuck, Geschäftsführer beim Bundesverband Spedition und Logistik. Bei einem eskalierenden, lange anhaltenden Tarifstreit können die Auswirkungen verstärkt auch den Endverbraucher treffen.

Mehr: Warum der Druck auf den Personalchef der Deutschen Bahn immer weiter wächst

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12 Kommentare zu "Tarifstreit: „Existenzvernichtung der GDL“: Weselsky lehnt Bahn-Angebot ab – Bahn geht juristisch gegen Streik vor"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Sehr geehrter Bahnvorstand und Verantwortliche,
    lassen Sie sich bitte nicht von dem Herrn erpressen. Die Fluggewerkschaften schauen genau hin, wie man Unternehmen erpresst, denn nichts anderes ist diese Art der Verhandlung.
    Lassen Sie die DGL durchstreiken, Wenn sich Fahrgäste und Politiker beschweren: Erinnern Sie die Grünen und andere Parteien daran, wer die Gesetze macht, die so eine Verhandlungsart ermöglichen.
    Die Bahn hat enorme Verluste gemacht, die alle Steuerzahler begleichen müssen. Da passt es nicht, wenn sich Gewerkschaften auf dem Rücken der Steuerzahler bereichern wollen. In jeden wirtschaftlichen Unternehmen würde man gemeinsam nachdenken, wie man nach vorne schaut. Es ist die falsche Zeit für politische Streiks.

  • 1) Klare Kommunikation der Bahn: jegliche Verhandlungen mit der GDL abbrechen. Rückkehr zu einer Verhandlungskultur.
    2) Keine Verhandlungen mehr mit der GDL unter Ägide des Herrn Wesselsky. Klares Bekenntnis, dass es keine Verbesserung der Kondition geben wird, solange die GDL sich weiterhin durch Herrn Wesselsky vertreten lässt.
    3) Dadurch den Druck auf die Gewerkschaftsmitglieder erhöhen, einen Führungswechsel bei der GDL zu forcieren oder diese in andere Gewerkschaften zu drängen.
    4) Die Rechtmäßigkeit des Streiks in nachgelagerten Schadensersatzverfahren bzw. gar Kündigungsverfahren klären lassen und nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

    Das jüngst abgegebene Interview von Herrn Wesselsky ist eine klare Selbstüberführung, es war sehr unüberlegt. Die Unrechtmäßigkeit des Streiks ist damit beweissicher belegt. Im Hauptsacheverfahren wird sich damit die Bahn durchsetzen können. Dies ist sehr sicher. Die Erfolgsaussichten im Eilverfahren sind heute größer als vor fünf Jahren. Man darf gespannt sein, wie heute 18 Uhr in FFM entschieden wird.

    Sebastian Schabehorn

  • Beim genauen Hinsehen hat Weselsky völlig Recht: Ich würde mir auch vom Bahnvorstand nicht verbieten lassen, neue Mitglieder zu aquirieren. Unter keinen Bedingungen. Mut hat Weselsky, das muss man ihm lassen. Die Duckmäuser von der EVG können hier lernen, was Rückgrat ist.

  • Die Bahn mag privatisiert sein, offiziell, ist jedoch vollständig Eigentum der Bundesregierung. De facto handelt es sich also um ein Staatsunternehmen. Ich bin generell schon für Streiks, aber sie sollten gerechtfertigt und angemessen sein. Die der Bahn sind das eigentlich nie. Das Autoland Deutschland tut auch heute alles daran eine starke Bahn zu verhindern, denn so kriegt man kaum Leute dazu auf's eigene Auto zu verzichten.

  • Viel Aufregung bei den Kommentaren zum berechtigten Streik.

    Wo aber blieb die Aufregung als Politiker der Grünen, der CSU, der SPD, der CDU angeblich vergessen hatten, Nebeneinkünfte zu melden.
    Dies ist und war Lug und Betrug und wurde
    als "Fake" abgetan. Keine Schelte von den so genannten "Gutdeutschen".

    Aber wählen dürfen Alle.

  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    der Streik der Eisenbahner hat verschiedene - auch politische - Dimensionen, mal abgesehen von banalen Aspekten, wie den normalen menschlichen Anstand.
    1. Wirtschaftliche Sicht: Von Mitarbeitern eines Verluste schreibenden Unternehmens wäre zu erwarten, dass sie die Kundenorietierung verbessern und nicht auf so groteske Weise verschlechtern. Kundenorientierung sieht gewiss anders aus.
    2. Die Bahn ist eine strategische Verkehrsinfrastruktur, die in zunehmenden Masse nachhaltige und soziale Mobilität gewährleisten soll. Ob hier ein solcher Streik hilfreich ist, kann bezweifelt werden.
    3. Die GDL hinterlässt den Eindruck, dass ihr diese Bedeutung oder die Dimension ihres Handelns nicht bewusst sind und scheint darauf zu vertrauen, dass der Steuerzahler für die Partikularinterssen ihrer Mitglieder weiter zubuttert.
    4. Die Verantwortlichen der GDL sollten sich mal vorstellen, dass in anderen gesellschaftlichen Bereichen, z.B. auf einer Intensivstation, auf der auch Herr Weselsky liegen könnte, gestreikt und ihm der Hahn zugedreht wird. Könnte das jemand wollen?

    Als überzeugter Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln und Inhaber einer Bahncard 100 fordere ich: Hier muss die Politik ran. Die berechtigten Interessen der Eisenbahner müssen respektiert werden, unverantwortliche Gewerkschafter müssen zur Ordnung gerufen werden.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Frank Rybka

  • Unglaublich.
    Herr Weselsky schießt WEIT übers Ziel hinaus.

  • Herr Weselsky,

    vielleicht haben Sie ja persönlichen Geltungsdrang oder ein anderes narzistisches, persönliche Ziel. Lassen Sie dabei aber die deutsche Bevölkerung in Ruhe zur Arbeit gehen.
    Vielleicht ist es Ihnen nicht aufgefallen, dass wir in sehr instabielen Zeiten leben und viele dank Corona auf sehr viel Verzichten müssten oder gar verloren haben. Die Lokführer und Beschäftigten der Deutschen Bahn gehören nicht dazu und können allesamt sehr froh sein, nicht ewig mit Kurzarbeit oder Jobverlust kämpfen zu müssen.

    Gehen Sie nach hause, schlafen sich aus und kommen Sie mal wieder runter!!!!
    Das ist abartig, unverhältnismäßig und meiner Meinung nach Missbrauch ihres Amtes!

  • Es geht um nichts anderes als die Rechtfertigung der GDL, und damit der Rolle eines Herrn Weselsky. Es geht um einen Existenzkampf, auf Kosten von Millionen von Bahnreisenden. Für Herrn Weselsky geht es um alles oder nichts. M. E. ist der Kampf aber aussichtlos. So oder so wird er als Verlierer aus dem Kampf hervorgehen. Denn das Verständnis für sein Verhalten in der Öffentlichkeit schwindet mehr und mehr.

  • Bei der Deutschen Bundesbahn hätte es diese Kasperei nicht gegeben. Wenn die Gesellschaft der Meinung ist, Bahner sollen nicht streiken, dann hilft Verbeamtung. Die Gesellschaft bestimmt schließlich, wer streiken darf und wer nicht.

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