Tarifstreit Lokführer in Konfliktlaune: Bei der Deutschen Bahn drohen schon in den nächsten Tagen Streiks

Treten die Lokführer der Deutschen Bahn noch in den Sommerferien in einen Ausstand? Die Gefahr eines Streiks ist hoch.
Düsseldorf Der seit Monaten schwelende Tarifstreit zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und dem Management der Deutschen Bahn spitzt sich zu. An diesem Montag will die Gewerkschaft die Stimmen der Urabstimmung auszählen. Am Dienstag soll das Ergebnis verkündet werden. Eine klare Zustimmung zu Arbeitskämpfen gilt als sicher. Gut möglich, dass umgehend erste Streiks angekündigt werden.
GDL-Chef Claus Weselsky hat jedenfalls im Vorfeld schon mal kräftig „gezündelt“. „Gemessen an der Stimmung in der Belegschaft könnte der Streik gar nicht lange genug dauern“, hatte der streitbare Gewerkschaftsführer vor einigen Tagen der „Bild am Sonntag“ gesagt. Die GDL wolle das System weder dauerhaft lahmlegen noch schädigen. „Wir sind immer gesprächsbereit.“
Doch davon ist laut Bahn-Personalchef Martin Seiler seit Wochen nichts zu spüren. Die GDL wolle nicht verhandeln, sagte der Manager am Freitag: „Wir gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer weiteren Eskalation aus. Letztlich ist das eine Attacke auf das ganze Land.“ Die Bahn bereite sich auf Streiks vor. „Sollte es dazu kommen, werden wir alles tun, die Einschränkungen für unsere Reisenden so gering wie möglich zu halten.“
Die GDL hatte schon im Juni gedroht, umgehend mit Streiks zu starten. Das wurde dann einen Tag später wieder abmoderiert – mit Verweis auf die Urabstimmung, die zunächst erfolgen solle. Die Hoffnung, das neue Zeitfenster könnte noch eine Lösung am Verhandlungstisch ermöglichen, hat sich aber zerschlagen.
Dabei hatte das Unternehmen nach Auffassung von Personalvorstand Seiler den Boden bereitet. Die Bahn hatte die beiden konkurrierenden Gewerkschaften GDL und EVG Mitte Juni zu Gesprächen über ein geordnetes Miteinander eingeladen. Die größere EVG hat sich dazu bisher nicht geäußert, die GDL hat die Einladung vor wenigen Tagen abgelehnt. Es handele sich hierbei wieder nur um die x-te Neuauflage der sattsam bekannten Taktik tarnen, tricksen, täuschen, wetterte Weselsky.
GDL fürchtet um ihre Existenz
Der Streit über die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen der Lokführer wird von einem ganz anderen Thema überlagert. Die GDL will einen „Eisenbahnflächentarifvertrag“ – also einen Tarifvertrag für alle GDL-Mitglieder - durchsetzen. Damit will die Spartengewerkschaft ihr Überleben sichern. Gleichzeitig will die Gewerkschaft künftig auch andere Mitarbeitergruppen als die Lokführer vertreten.

Dauerstreit führt zu immer heftigeren Spannungen in der Belegschaft.
Die Bahn ist das erste Unternehmen, dass das sogenannte Tarifeinheitsgesetz anwenden muss. Es besagt, dass in den Betrieben jene Gewerkschaft die Tarifverträge verhandeln und abschließen darf, die die meisten Mitglieder hat. Das ist in den allermeisten Betrieben der Bahn die EVG. Dagegen betonte Personalvorstand Seiler noch einmal: „Es ist falsch, dass wir in irgendeiner Form die Existenz der GDL gefährden wollen.“
Der Dauerstreit führt zu einer immer heftigeren Spaltung der Bahn-Belegschaft. EVG-Chef Klaus-Dieter Hommels beklagte Anfang Juli Anfeindungen gegenüber den EVG-Mitgliedern, die von Sachbeschädigungen über verbale und schriftliche Verunglimpfungen und Beleidigungen bis hin zu körperlichen Übergriffen und auch Morddrohungen reichen würden. „Tarifauseinandersetzungen, auch wenn sie hart geführt werden, sind zulässig. Die Rhetorik und das Verhalten des Vorsitzenden der GDL und eines Teils seiner Funktionäre spalten jedoch die Belegschaft und gefährden den Betriebsfrieden“, sagte Hommels.
Bahn-Kenner vermuten, dass Weselsky Arbeitskämpfe möglichst nah an die Bundestagswahl im September rücken wird. So könnte er den Politikern drastisch an ihrem eigenen Unternehmen zeigen, dass sie mit dem Tarifeinheitsgesetz ein in seinen Augen unsinniges Konstrukt geschaffen haben.
Andererseits hat der GDL-Chef seinen Kampf gegen das Gesetz so sehr in den Vordergrund gestellt, dass er damit angreifbar geworden ist. So hat die GDL 22 Verfahren vor Gericht angestrengt, um der Bahn die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes zu untersagen. Alle hat die GDL verloren.
Ein Streik könnte vor Gericht landen
Das Bahn-Management hätte dadurch Munition, rechtlich gegen die GDL vorzugehen, weil es in dem Streit nicht mehr nur um tariffähige Themen geht. „Die GDL will ihren Organisationsbereich ausdehnen. Da muss man ganz genau hinschauen, ob das noch verhältnismäßig ist“, sagte Seiler. Ob die Arbeitsrichter im Falle von rechtlichen Schritten der Bahn folgen würden, ist offen. In vergleichbaren Fällen etwa in der Luftfahrt wurde überwiegend den Gewerkschaften recht gegeben.
Solange Weselsky allerdings nur mit Streiks droht, hat die Bahn kaum eine rechtliche Handhabe. Ein wirtschaftlicher Schaden entsteht gleichwohl, denn die Kunden werden verunsichert. Und das in einer Zeit, in der sich die Ticketnachfrage gerade wieder erholt. Sowieso hat die Bahn große wirtschaftliche Schwierigkeiten. In den ersten sechs Monaten des Jahres steht unter dem Strich ein Minus von rund 1,4 Milliarden Euro, im Gesamtjahr soll dieser Wert auf minus zwei Milliarden Euro anwachsen.
„Es ist keine Tarifrunde wie andere. Wir haben enorme Coronaschäden, dazu kommen die Hochwasserschäden. Wir sind in einer besonderen Situation“, sagte Seiler. Streiks seien ein wichtiges Instrument. „Aber in diesem Fall braucht sie jetzt wirklich niemand.“ Alle Elemente für eine Lösung lägen auf dem Tisch, es fehle einzig und allein die Bereitschaft der GDL, an den Tisch zurückkehren.
Doch das dürfte Weselsky kaum von seinem Konfliktkurs abbringen. Wie hart er vorgehen kann, hat er in den Jahren 2014 und 2015 bewiesen. Damals hatten die Lokführer zwischen Herbst 2014 und Sommer 2015 neunmal die Arbeit niedergelegt. Der längste Ausstand dauerte 138 Stunden, fast sechs Tage.
Mehr: Die Deutsche Bahn zerschlagen oder nicht? Verbände und Politik diskutieren die Zukunft des Konzerns.
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