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Tarifstreit Verdi streikt am Flughafen Frankfurt

Zwei Tage vor Heiligabend ruft die Gewerkschaft das Bodenpersonal am größten Drehkreuz zu Arbeitskämpfen auf. Es muss mit Flugausfällen gerechnet werden.
21.12.2021 - 12:32 Uhr 3 Kommentare
Der Dienstleister Wisag, der unter anderem den Check-in für einige Airlines übernimmt, wird von Verdi am Mittwoch bestreikt. Quelle: dpa
Check-in-Schalter am Frankfurter Flughafen

Der Dienstleister Wisag, der unter anderem den Check-in für einige Airlines übernimmt, wird von Verdi am Mittwoch bestreikt.

(Foto: dpa)

Frankfurt Wer an diesem Mittwoch am Frankfurter Flughafen in den Weihnachtsurlaub starten will, muss mit Flugausfällen rechnen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ruft rund 600 Mitarbeiter des Bodenverkehrsdienstleisters Wisag zu Arbeitskämpfen auf. Die sollen von Mittwochmorgen, 4.30 Uhr, bis kurz vor Mitternacht dauern.

Da Wisag nur einer von mehreren Dienstleistern etwa für das Gepäckmanagement oder das Einchecken am Schalter ist, dürfte das zwar nicht zu chaotischen Situationen am größten deutschen Drehkreuz führen. Wisag steht für rund 15 Prozent des Arbeitsaufkommens am Boden des Airports.

Dennoch werden einige Flüge ausfallen. Im Oktober hatte die Gewerkschaft schon einmal zu Arbeitskämpfen bei Wisag aufgerufen. Damals fielen etwas weniger als 50 Flüge aus. Insgesamt gab es an dem Tag in Frankfurt fast 1000 Flüge.

Hintergrund der Arbeitsniederlegungen ist der seit Monaten dauernde Tarifstreit zwischen Verdi und dem Management von Wisag Aviation. Verdi verlangt nach Angaben von Wisag für das kommende Jahr eine Lohnerhöhung von rund elf Prozent – in den Augen von Wisag eine unrealistische Forderung.

Die gesamte Luftfahrt gehe seit zwei Jahren durch eine beispiellose Krise, erklärte Wisag-Verhandlungsführer Michael Richter. Alle Unternehmen der Branche würden tiefrote Zahlen schreiben. „In so einer Situation auf dem Rücken der Weihnachtsurlauber zweistellige Lohnforderungen mit der Brechstange durchsetzen zu wollen, ist unverantwortlich und maßlos“, so Richter.

Wisag bietet 18 Prozent über drei Jahre

Richter verwies auf das nachgebesserte Angebot, das Verdi in der vergangenen Woche vorgelegt worden sei. „Die unsererseits angebotenen Lohnsteigerungen von 18 Prozent über die kommenden drei Jahre bedeuten angesichts der bestehenden Unsicherheit und der aktuellen Zahlen einen enormen Kraftakt für unser Unternehmen.“ Mehr sei nicht zu stemmen, ohne die Arbeitsplätze selbst zu gefährden.

Mathias Venema, Verhandlungsführer für Verdi, macht eine andere Rechnung auf. Die Mitarbeiter der Wisag am Frankfurter Flughafen hätten seit 2019 keine Lohnerhöhung mehr bekommen. Das Plus von 18 Prozent verteile sich also nicht auf drei, sondern auf fünf Jahre. „Die Mitarbeiter rechnen genauso, und dann landen wir bei weniger als vier Prozent Steigerung pro Jahr“, sagte Venema.

Das Bodenpersonal habe im vergangenen Sommer hart gearbeitet, um deutlich mehr Flüge möglich zu machen. Gleichzeitig habe es keine Coronaprämie erhalten. „Das wäre aus unserer Sicht eine viel elegantere Lösung gewesen, aber Wisag hat eine solche Prämie abgelehnt.“

Im Hintergrund der Tarifauseinandersetzung dürfte noch ein viel grundsätzlicheres Thema eine Rolle spielen. In der Krise haben viele Mitarbeiter am Boden der Branche den Rücken gekehrt. Teilweise wurden sie entlassen. Auch die Wisag trennte sich von gut 200 Mitarbeitern. Teilweise kündigten sie aus eigenem Antrieb, weil sie keine Perspektive mehr in ihrem Job am Flughafen sahen.

Das hat sowohl die Wisag als auch Verdi in eine schwierige Situation gebracht. Verdi hat Mitglieder verloren. Einige der gekündigten Wisag-Mitarbeiter fühlten sich so sehr von der Gewerkschaft im Stich gelassen, dass sie vor einigen Monaten vor der Frankfurter Verdi-Zentrale demonstrierten. Andere sind zur relativ neuen Luftfahrtgewerkschaft IGL gewechselt, die aber noch nicht als Tarifpartner anerkannt ist. Verdi muss also um neue Mitglieder werben.

Schwierige Suche nach Personal

Wisag muss wiederum neues Personal rekrutieren und tut sich wie alle Bodendienstleister schwer damit. Spätestens im Sommer 2022 dürfte fast wieder so viel wie vor der Pandemie geflogen werden, die Zeit drängt. Doch der Job etwa auf dem Vorfeld an der Rampe ist hart und in den Augen der Gewerkschaftsvertreter viel zu schlecht bezahlt, um halbwegs attraktiv zu sein.

Dieses Bild will Michael C. Wisser, CEO der Wisag Aviation Service Holding, allerdings nicht so stehen lassen: Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in Deutschland verdiene im Jahr 37.000 Euro brutto und 25.000 Euro netto. Ein Lader komme bei Wisag auf 33.200 Euro brutto und inklusive Zeitzuschläge auf 25.900 Euro netto. Ein sogenannter Ladegruppenführer verdiene sogar 43.000 Euro brutto und 33.200 Euro netto. „Der Job als Bodenverkehrsdienstleister ist keine prekäre Arbeit. Ich wehre mich entschieden gegen diese Darstellung“, sagte Wisser dem Handelsblatt.

Schon vor der Krise herrschte bei den Bodenverkehrsdiensten ein harter Preiswettbewerb. Teilweise bewarben sich die Anbieter mit Dumpingpreisen um Aufträge. Das wiederum führte zu sehr unterschiedlichen Tarifverträgen in den Bundesländern und an den einzelnen Flughäfen. Verdi will deshalb schon länger einen Branchentarifvertrag durchsetzen, um das Tarifwerk zu vereinheitlichen und die Arbeitsbedingungen der Bodendienstleister bundesweit zu verbessern.

Wisser unterstützt diesen Vorschlag: „Der Branchentarifvertrag, wie ihn Verdi anstrebt, kann dabei helfen. Denn er sorgt auf der Personalkostenseite für eine gewisse Wettbewerbsgleichheit.“ Doch dabei dürfe die Gewerkschaft nicht das Augenmaß verlieren „Verdi muss dazu auch der eigenen, ordnungspolitischen Verantwortung gerecht werden und keine völlig überzogenen Forderungen stellen“, sagte Wisser.

Mehr: Omikron-Variante weckt Angst vor einem erneuten Rückschlag für die Luftfahrt

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3 Kommentare zu "Tarifstreit: Verdi streikt am Flughafen Frankfurt"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Klasse, so macht man sich beliebt!

  • "Spätestens im Sommer 2022 dürfte fast wieder so viel wie vor der Pandemie geflogen werden [...]":

    Spannende Aussage, die ich in meinen Augen nicht die ganze Wahrheit abbildet. Das Passagieraufkommen wird natürlich wieder hochgehen, besonders in der Tourisitik, aber eine Qualität wie vor Pandemie werden wir nicht mehr erreichen- auch nicht in 2026. Ein Großteil der GeschäftsfliegerInnen hat sich neu ausgerichtet, viel wird auch in Zukunft online passieren. Natürlich wird es weiterhin geschäftliche Flüge geben, aber nicht mehr in einer Fülle wie vor der Pandemie.

  • Man kann Verdi zu dieser Entscheidung doch nur gratulieren. Es ist schon Zynismus hoch 3 das in der augenblicklichen Situation (Corona etc) Verdi noch zusätzlichen Stress für die Bevölkerung aufbaut.

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