Tiernahrung Futterhersteller Interquell aus Schwaben setzt auf Veganes und Bio für Hunde und Katzen

Tierwohl und Nachhaltigkeit werden auch bei Tierfutter wichtiger. Goood ist mit Fleisch von Freilandtieren in recycelbarer Verpackung CO2-neutral produziert.
Düsseldorf Im Lockdown geht der Trend zum Hund. „Die Menschen sind öfter zu Hause und haben Zeit, sich um Haustiere zu kümmern. Arbeiten im Homeoffice macht es für viele Büroarbeiter erst möglich, einen Hund zu halten“, sagt Georg Müller, Chef des Tierfutterherstellers Interquell aus der Nähe von Augsburg. Der 59-Jährige leitet das Familienunternehmen mit Futtermarken wie „Happy Dog“ und „Happy Cat“ in siebter Generation.
Die Zahl der Haustiere ist 2020 hierzulande um etwa eine Million gestiegen. In jedem fünften Haushalt lebt heute ein Hund, in jedem vierten Haushalt eine Katze. Das zeigen Zahlen des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) und des Industrieverbands Heimtierbedarf (IVH).
„Haustiere haben eine positive Wirkung auf die Psyche“, sagt Müller, der auch Vorsitzender des IVH ist. „Sie helfen gerade in der Coronakrise, wo viele Menschen vereinsamen“, sagt der Unternehmer, dessen Familie selbst drei Hunde hält.
Mars und Nestlé setzen auf den Massenmarkt
Die Tierfutterbranche profitiert vom Trend zum tierischen Begleiter. Mittelständler Interquell konnte den Umsatz auf zuletzt 110 Millionen Euro steigern. „Wir wachsen jedes Jahr im Schnitt um fünf bis acht Prozent“, erklärt Müller. 18 Millionen Euro hat er zuletzt investiert, um die Jahreskapazität um mehr als 40 Prozent auf 100.000 Tonnen aufzustocken.
Mit Trockenfutter für Hunde und Katzen behauptet sich das Familienunternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitern seit Jahrzehnten gegen Konzerne wie Mars (Frolic, Pedigree, Whiskas) und Nestlé (Purina, Felix). „Happy Dog“ ist laut Marktforscher IRI eine führende Marke für Trockenfutter im deutschen Fachhandel. „Konzerne setzen auf den Massenmarkt, wir können in spezialisierten Nischen gegen sie bestehen“, erklärt Müller die Firmenstrategie.
Für Frank Dinkelacker, Geschäftsführer der Heimtiermärkte Superpet, sind „Happy Dog“ und „Happy Cat“ alles andere als Nischenprodukte. Sie gehörten zu den Bestsellern im Fachhandel, wo Marken von Mars und Nestlé kaum nachgefragt seien. Interquell punkte mit stetigen Innovationen.
So bietet das Familienunternehmen Futter für alle Altersklassen. Zudem gibt es von „Happy Dog“ Varianten in Vegan, Bio, glutenfrei oder gegen Übergewicht. „Viele übertragen menschliche Vorstellungen für gesunde Ernährung auf ihre Tiere. Der Markt ist stark emotionalisiert“, beobachtet Müller. „Manche Leute ernähren ihre Vierbeiner ausgewogener als sich selbst.“
„Heimtiere sind für viele Menschen Familienmitglieder, für deren Gesundheit Tierhalter bereit sind, Geld auszugeben“, sagt Norbert Holthenrich, Präsident des ZZF. Der Umsatz mit Katzenfutter wuchs 2020 hierzulande um mehr als fünf Prozent auf 1,7 Milliarden Euro im stationären Handel. Hundefutter erzielte ein Umsatzplus von vier Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Wachstumstreiber waren vor allem Snacks.
Mancher ernährt sein Tier gesünder als sich selbst
So auch bei Interquell. „Die Menschen haben in der Pandemie mehr Zeit, sich mit ihren Hunden zu beschäftigen und sie zu belohnen“, so Müller. Bestseller ist seit Jahren das Premium-Trockenfutter „Afrika“ mit Straußenfleisch und Kartoffelflocken.
Nachhaltigkeit und Tierwohl sind gesellschaftliche Trends, die auch das Futter erfasst haben. Die neue Premiummarke „Goood“ bietet Futter aus Fleisch von Freilandtieren in recycelbarer Verpackung, CO2-neutral produziert. Bis 2024 soll die gesamte Produktion von Interquell klimaneutral sein. Die Lieferkette soll folgen.
Als „Goood“ zunächst nur Nachhaltigkeit betonte, lief die Marke weniger gut. Tierwohl sei den Tierhaltern noch deutlich wichtiger, erkannte Müller. Mit der Marke sei Interquell erfolgreich der Sprung ins Premiumsegment gelungen, meint Dinkelacker von Superpet.

Die achte Generation mit Andreas (l.) und Annika Müller (r.) ist bereits im Familienunternehmen tätig.
Interquell verwendet überwiegend Schlachtnebenprodukte, die Menschen nicht essen. „Das ist schon immer nachhaltig“, betont Müller. Früher bekamen Hunde und Katzen Tischreste oder Selbstgekochtes. Interquell gehört zu den Pionieren bei Fertignahrung für Heimtiere.
Die Wurzeln des Unternehmens liegen aber nicht in der Fleischverarbeitung. 1765 kaufte Nikolaus Müller in Wehringen bei Augsburg eine Getreidemühle. Georg Müllers Vater stellte Mitte der 60er-Jahre auf Tierfutter um – zunächst auf Kartoffelflocken für Schweine, später auf Heimtiernahrung.
Edmund Müller war erfolgreicher Springreiter und befreundet mit den Versandhändlern Josef Neckermann, selbst Dressurreiter, und Friedrich Schwab. Müller versuchte, sein Hundefutter über den Versandhandel zu vertreiben. „Das funktionierte damals nicht – anders als heute, wo immer mehr Tiernahrung nach Hause bestellt wird. Da war mein Vater seiner Zeit voraus“, meint Müller.
Der Durchbruch kam mit der Umbenennung des Futters in „Happy Dog“ und dem Verkauf über Hundezüchter. Später folgten Zoofachhandel und Internet als Vertriebskanäle. Edmund Müller mischte hochverdaulich gemachte Getreideflocken mit Trockenfutter. „Das war eine echte Neuheit damals“, betont der Sohn. Chappi und Frolic kamen zeitgleich als Nassfutter auf den Markt.
Pionier für nachhaltiges Trockenfutter
Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters 1988 übernahm Georg Müller im Alter von nur 27 Jahren die Firma. Er war nach seinem Ökonomie-Studium gerade erst in den Betrieb eingestiegen. Müller baute Interquell stetig aus und verzehnfachte den Umsatz. Für Dinkelacker von Superpet ist er ein „Vollblutunternehmer mit Liebe zum Detail“.
Neben Hunde-, Katzen- und Fischfutter wird an einem zweiten Standort auch Getreide für bekannte Babybreie veredelt. „Babynahrung erfordert höchste Sensibilität und Qualität. Dies zieht sich wie ein roter Faden auch durch die Tierfutterproduktion von Interquell“, meint Dinkelacker. Bald will Interquell auch eine eigene Produktion von Nassfutter aufbauen.
Heute exportiert der Mittelständler mehr als die Hälfte des Tierfutters in 80 Länder, hauptsächlich nach Europa und Südostasien, wo die Mittelschicht wächst. „Made in Germany“ ist auch für Hunde- und Katzenfutter ein Qualitätssiegel. Müller ärgert sich aber über wachsenden Protektionismus, der den Export in einzelne Länder erschwert.
Was dem Unternehmer mittelfristig am meisten Sorgen bereitet, ist indes der Rohstoffmangel: „Proteine werden knapper und teurer. Denn die Weltbevölkerung wächst und will ernährt werden.“ Deshalb hat Interquell schon vier Rezepturen auf pflanzliche Proteine umgestellt. Derzeit baut Müller mit einem Partner eine Mehlwurmzucht auf.
Die eiweißreichen Würmer sollen ab 2022 Proteine fürs Hundefutter liefern. „Mit eigenen Rohstoffen sind wir autarker“, so Müller. Schließlich will er das Unternehmen gern an die achte Generation weitergeben. Sohn Andreas, 29, und Tochter Annika, 30, sind bereits im Betrieb tätig.
Mehr: Mehr als 2000 Prozent Kursplus in fünf Jahren – diese Aktien profitieren vom Trend zum Haustier.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.