Tourismusboom Chinesen stürmen Japans Einkaufsparadiese

Luxusgüter stehen bei den Besuchern aus dem Reich der Mitte hoch im Kurs.
Tokio Japans Hotelindustrie hat unerwartet ein Luxusproblem. Das Land hat sich quasi über Nacht in eines der heißesten touristische Ziele Asiens verwandelt. Und der Japaner Keiichi Morimoto ist ein Opfer des neuen Trends. Er wollte mit seiner Familie Urlaub in Japans alter Kaiserstadt machen. „Aber ich habe kaum ein Zimmer bekommen“, sagt er.
Wo bis vor ein, zwei Jahren gähnende Leere herrschte, machen jetzt Heerscharen vor allem chinesischer Besucher Unterkünfte mitunter zu einem raren Gut. Innerhalb eines Jahres wuchs die Zahl ausländischer Besucher völlig unerwartet um etwa 50 Prozent auf 19,97 Millionen, erklärte Japans Tourismusbehörde am Dienstag. Die Regierung hatte mit 15 Millionen Touristen gerechnet. Allein aus China kamen fünf Millionen, doppelt so viele wie prognostiziert.
Um neue Kapazitäten zu schaffen, überlegt die Regierung sogar, die Vermietung von Privatwohnungen zu erleichtern. Dem Onlinevermittler AirBnB könnte damit ausgerechnet in dem hochregulierten Japan eine kleine Blüte winken.
Für den Normal-Japaner Morimoto kommt die Liberalisierung zwar zu spät, ist aber prinzipiell richtig. Denn Morimotos Leid ist Shinzo Abes Freud. Für Japans Ministerpräsidenten ist der Sturm auf sein Land einer der größten Erfolge der Abenomics, wie seine Wachstumspolitik aus Geldschwemme und Reformen genannt wird.
Nach seinem Amtsantritt 2012 erklärte er Tourismus zu einem wesentlichen Instrument der Wiederbelebung von Japans Wirtschaft. Wie wurde damals sein Ziel belächelt, bis zu den olympischen Spielen 2020 in Tokio die Zahl der ausländischen Besucher auf 20 Millionen zu verdoppeln? Doch seine Doppelstrategie wirkte: Durch die Geldschwemme der Notenbank sackte der Yen zeitweise um mehr als 50 Prozent ab, sodass Reisen nach Japan erschwinglich wurden. Gleichzeitig erleichterte die Regierung die Visa-Bestimmungen für Asiaten. Und schon schwappte eine unerwartet starke Reisewelle nach Japan.
Dabei nutzen nicht nur Chinesen die Gunst der Stunde. Die koreanischen und taiwanesischen Kontingente legten immerhin noch um etwa ein Fünftel zu. Aber es sind die neureichen Nachbarn aus dem Reich der Mitte, die das wirtschaftliche Herz der Japaner höher schlagen lassen. Denn sie geben am meisten aus. Insgesamt ließen die ausländischen Reisenden im vergangenen Jahr 3480 Billionen Yen (27 Milliarden Euro) in Japan springen, 63 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Und die Chinesen machten davon 40 Prozent aus, obwohl sie nur ein Viertel der Besucher stellten. Denn sie amüsieren sich nicht nur in Freizeitparks, sondern lassen auch die Kassen klingeln.

Die Chinesen stehen auf „made in Japan“, Produkten aus dem eigenen Land hingegen trauen sie häufig nicht.
Luxusgüter stehen hoch im Kurs. Japan zählt zu den wenigen Märkte, in denen der Verkauf von Luxusuhren zugelegt hat. Auch Unterhaltungselektronik wie Digitalkameras und Haushaltsgeräte wie Reiskocher, die es eigentlich auch in China gibt, verkaufen sich blendend. Ein Grund dafür ist die Leidenschaft der Chinesen für „made in Japan“, was auch damit zusammenhängt, dass ihr Misstrauen gegenüber Produkten aus dem eigenen Land tief sitzt.