Touristik Den Hotels laufen wegen Corona die Gäste davon – warum der Branche eine Spaltung droht

Die Übernachtungszahlen gehen deutlich zurück.
Frankfurt, Düsseldorf Noch Mitte Oktober gab Dorint-Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe Entwarnung: Der Umsatz sei wieder auf Vorkrisenniveau, die Zimmerbelegung mit bis zu 67 Prozent weitaus besser als erwartet. Der Überlebenskampf seiner 62 Hotels habe sich ausgezahlt, freute er sich im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Wenige Wochen später ist der Optimismus gänzlich verflogen. In der zweiten Novemberhälfte stieg die Zahl der Corona-Neuinfektionen rapide an und die Zimmerbelegung in den Dorint-Häusern brach auf 45 Prozent ein. Derzeit liegt sie bei gerade einmal 27 Prozent.
„Jeden Tag hagelt es weitere Stornos“, berichtet Iserlohe, „Gesellschafterversammlungen, Seminare, Jubiläen und Weihnachtsfeiern werden reihenweise abgesagt.“ Im Gesamtmonat Dezember, fürchtet er, werde die Zimmerbelegung auf unter zehn Prozent sinken.
In den Fußballstadien seien erneut Geisterspiele geplant, bei Karnevalsveranstaltungen drohe eine Höchstgrenze von 50 Personen, und auch Geschäftsreisen würden derzeit drastisch reduziert. „Auch bei uns gehen die Übernachtungszahlen deutlich nach unten“, bestätigt ein Sprecher von Steigenberger.
Bei der Kölner Hotelkette Dorint sind die Aussichten derart trübe, dass nun sogar die Geschäftsleitung selbst einen Lockdown fordert. „Nur so haben wir die Chance, überhaupt einen rechtlichen Anspruch auf Entschädigung zu bekommen“, sagt Iserlohe.

Er fordert inzwischen einen Lockdown.
Für Hotelketten wie Dorint ist die Situation verfahren. Zwar verlängerte die Bundesregierung die Überbrückungshilfe („III plus“ und „IV“) bis Ende März 2022, die Unterstützung bleibt aber auf insgesamt 52 Millionen Euro begrenzt. Großunternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz wittern deshalb eine Wettbewerbsverzerrung. Denn während Einzelhotels den Großteil ihrer Einbußen vom Staat ersetzt bekommen, müssen sich Herbergsketten wie Maritim, Steigenberger oder Lindner mit einer Teilentschädigung begnügen.
Hotel- und Gaststättenverband lehnt Lockdown ab
Neben der Sorge über die Corona-Auswirkungen droht daher nun auch noch eine Spaltung der Übernachtungsbranche. Eine erneute Schließung aller Betriebe wäre fatal, verkündete der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga am Mittwoch in einer Pressemeldung – und widersprach damit der Forderung von Dorint. „Unternehmer wie Mitarbeiter benötigen Planungssicherheit“, erklärte Verbandspräsident Guido Zöllick. Die Instrumente für sicheres Öffnen stünden zur Verfügung.
Bevor neue Verschärfungen diskutiert würden, sollten die vorhandenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung voll ausgeschöpft werden, meint Zöllick. 58,2 Prozent seiner Mitgliedsbetriebe hätten berichtet, dass für sie eine 2G-Regel kein Problem darstelle.
Während Dorint-Aufsichtsratschef Iserlohe einen „Wettbewerbsverzerrungs-Ausgleichsfonds“ fordert, wächst selbst in der Reisebranche der Widerstand gegen allumfassende Staatshilfen. „Den Firmen ist die Situation seit fast zwei Jahren bekannt“, sagt Marija Linnhoff vom Reisebüroverband VUSR. „Zum Unternehmertum gehört eben auch ein unternehmerisches Risiko.“
Als positives Beispiel nennt sie das Reisecafé Stoffregen in Dortmund. Weil dort das Buchungsgeschäft zuletzt nur noch mäßig lief, griff Filialleiter Michael Draeger Ende Oktober zu einem cleveren Trick: In seinen Räumlichkeiten bietet er jetzt gleichzeitig Impfaktionen gegen Corona an.
Auch in München reagierte der Mietwagen-Vermittler Sunnycars mit reichlich Unternehmergeist auf den coronabedingten Geschäftseinbruch. Die Geschäftsführung setzt inzwischen einen Teil der Belegschaft für einen neu gegründeten Geschäftsbereich ein: den Vertrieb von Luftfilteranlagen.
Ebenso einfallsreich zeigte sich zuletzt auch die Hotelbranche. Steigenberger kurbelte das Privatkundengeschäft erfolgreich mit Black-Friday-Rabatten an und forcierte das Geschäft mit Hybrid-Veranstaltungen, die teilweise im Internet übertragen werden.
Lufthansa spürt bislang nur vereinzelt Auswirkungen
Die Lust, in die Ferne zu reisen, hat die Verbreitung von Omikron bisher aber nur vereinzelt ausgebremst. Nach wie vor seien die Flüge rund um Weihnachten und den Jahreswechsel sehr gut gebucht, heißt es bei Lufthansa. „Lediglich bei den kurzfristigen Buchungen sehen wir auf einzelnen Strecken vereinzelt Stornierungen“, sagte ein Sprecher der Airline-Gruppe.
Die Kunden fürchten bei ihren Fernreisen offensichtlich keine verschärften Reiserestriktionen. Die meisten Länder verlangen schon seit Längerem einen Impf- oder Genesenen-Nachweis und einen negativen PCR-Test. 2G plus oder 1G plus ist vielerorts längst Realität.
Dennoch sorgen die in vielen Ländern wieder stark gestiegenen Infektionszahlen im Flugbetrieb zuweilen für Probleme, allerdings an anderer Stelle. So musste die neue Touristik-Airline der Lufthansa-Gruppe, Eurowings Discover, ihren Plan aufgeben, ab Mitte Dezember Kuba anzusteuern. Wegen der pandemischen Lage auf der Karibikinsel und der Einreiserestriktionen sei es leider nicht möglich gewesen, den für einen reibungslosen Betrieb notwendigen Standort vor Ort aufzubauen, heißt es bei der Airline.
Aktuell beträgt die Inzidenz in Kuba zwar nur rund zehn, doch im August hatte der Wert noch bei fast 600 gelegen. Nun soll das Ziel Varadero in Kuba erst im kommenden Winter 2022/23 ins Programm aufgenommen werden. Kuba sei allerdings ein Einzelfall, darüber hinaus gebe es aktuell keine Änderungen im Flugplan, heißt es bei Eurowings Discover.
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