Transportbranche Das Monopol der französischen Staatsbahn SNCF wackelt – ein deutsches Familienunternehmen profitiert

Das Monopol der französischen Staatsbahn wackelt.
Paris Die Deutsche Bahn muss sich im Regionalverkehr schon seit einigen Jahren der privaten Konkurrenz stellen. In Frankreich hatte die Staatsbahn SNCF dagegen den Markt bisher fest im Griff. Das könnte sich nun ändern: Erstmals will eine französische Region nach einer Ausschreibung eine Strecke an ein privates Unternehmen vergeben.
Der Mobilitätsanbieter Transdev, der zu einem Drittel der deutschen Rethmann-Gruppe gehört, soll den Zuschlag für die Verbindung zwischen Marseille und Nizza bekommen. Das bestätigte die Regierung der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Ende Oktober werde das Regionalparlament das vor anderthalb Jahren gestartete Vergabeverfahren mit einem Votum formal abschließen, hieß es.
Transdev ist weltweit im öffentlichen Personenverkehr aktiv – mit Busverbindungen, Zügen oder Straßenbahnen. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen mit Sitz in Issy-les-Moulineaux bei Paris einen Umsatz von 6,8 Milliarden Euro. In der Bundesrepublik ist Transdev nach eigenen Angaben der größte private Mobilitätsanbieter.
Der zusätzliche Umsatz durch die 160 Kilometer lange Mittelmeerstrecke zwischen Marseille und Nizza ist überschaubar. Doch die symbolische Bedeutung ist groß: Frankreich fängt gerade erst an, mehr Wettbewerb auf der Schiene zuzulassen.
„Wir sind in Deutschland schon die Nummer zwei hinter der Deutschen Bahn“, sagte Transdev-Chef Thierry Mallet dem französischen Fernsehsender BFM Business. „Unser Ziel ist, das Gleiche in Frankreich zu erreichen.“
Widerstand von Gewerkschaften
Nach Provence-Alpes-Côte d’Azur plant französischen Medien zufolge die Region Hauts-de-France als Nächstes eine Ausschreibung für bestimmte Strecken. Die Entwicklung ist durch die Wettbewerbsregeln aus Brüssel ohnehin vorgezeichnet: Ab Ende 2023 müssen staatliche Stellen in den Mitgliedstaaten Aufträge im Schienenverkehr in der Regel ausschreiben.
Transdev soll die Strecke zwischen Marseille und Nizza ab 2025 betreiben, der Vertrag läuft über zehn Jahre. Das Unternehmen sagte nach Angaben der Regionalregierung zu, die täglichen Verbindungen „für einen vergleichbaren Preis“ von sieben auf 14 zu verdoppeln. Neben Transdev und SNCF hatte sich auch der italienische Anbieter Thello beworben.
Die Staatsbahn wies unterdessen darauf hin, bei einer weiteren Ausschreibung in der südfranzösischen Region die Oberhand behalten zu haben. Der Chef der Personenverkehr-Filiale SNCF Voyageurs, Christophe Fanichet, sagte der Zeitung „Les Échos“, das Unternehmen sei nach in den vergangenen Jahren umgesetzten Kostensenkungen „wettbewerbsfähig“ und werde sich der Konkurrenz stellen.
Widerstand kommt von den Gewerkschaften, die unter Eisenbahnern in Frankreich stark organisiert sind und mit Streiks im Zugverkehr über einen großen Hebel verfügen. Ihre Sorge ist, dass Bahnmitarbeiter bei privaten Anbietern zu schlechteren Konditionen neu angestellt werden könnten. Die Gewerkschaft SUD-Rail warnte in einer Stellungnahme vor „Sozialdumping“. Der Zugverkehr in den Regionen werde zum „Spielfeld für Aktionäre“.
Die Rethmann-Gruppe war Anfang 2019 bei Transdev eingestiegen. Das Unternehmen mit Sitz im westfälischen Selm hatte die Anteile des französischen Mischkonzerns Veolia übernommen und zudem seine Nahverkehrsaktivitäten in Deutschland eingebracht. Transdev-Mehrheitseigner ist das staatliche französische Finanzinstitut Caisse des Dépôts.
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