Umweltimage Wie Unternehmen mit Greenwashing Kunden täuschen

Die Werbung gab es für den Discountern nicht nur gratis, am Ende wird der Händler an der Aktion sogar verdienen.
Düsseldorf Lange musste Deutschland bei Aldi auf die nächste Spitzenleistung warten. In den 80ern setzte der Discountkönig den Einkaufswagenchip durch, in den späten 90ern den Drehverschluss für die Milchtüte. Vor zwei Wochen aber stellte der Billiganbieter aus dem Ruhrgebiet seine eigenen historischen Coups in den Schatten.
Einen Cent für jeden Obstbeutel werde man der Kundschaft künftig in Rechnung stellen, hieß es gleichlautend bei Aldi Nord und Süd. Man gebe den Kunden damit „weiteren Anreiz zum nachhaltigeren Handeln“, verkündeten die Konzernzentralen in Essen und Mülheim.
Der PR-Preis des Jahres dürfte dem Discounter damit gewiss sein. Unzählig Sendeminuten widmeten „Tagesschau“ und „Heute-Journal“ Aldis angeblicher Öko-Aktion, „Kampf gegen Plastikflut“, lobte die „Bild“-Zeitung.
Das beste daran: Die Werbung gab es für den Discountern nicht nur gratis, am Ende wird der Händler an der Aktion sogar verdienen. Selbst wenn sich die Zahl der benutzten Beutel halbiert, winkt Aldi ein Zusatzerlös von über einer Millionen Euro.
Mit der scheinbar cleveren Aktion setzt sich Aldi an die Spitzes eines Trends, der in der Konsumgüterbranche gerade Karriere macht: „Greenwashing“.
Da verkaufen Energieversorger ihren Atom- und Braunkohlestrom legal als „Grünstrom“, weil sie sich zuvor im Ausland mit Herkunftszertifikaten für Ökostrom eindecken konnten. Da wirbt die Deutsche Bahn mit einer grünen Bahncard 100, obwohl auf vielen Nahverkehrsstrecken weiterhin Kohlestrom zum Einsatz kommt. Da preist ein rheinischer Edeka-Markt seine „Bio“-Milch an, die er hunderte von Kilometern entfernt aus Österreich hergekarrt hat.
„Wenn Unternehmen behaupten, ihre Produkte seien sozial nachhaltig und umweltverträglich, ist große Skepsis angesagt“, warnt Buchautorin Kathrin Hartmann („Die grüne Lüge“). Oft sei dies eine dreiste Lüge, die wir als Konsumenten gerne glaubten.
Dabei hängt von geschicktem Greenwashing vieles ab. Wer es als Anbieter schafft, seinem Produkt einen grünen Anstrich zu verpassen, kann Kunden das gute Gewissen gleich mitverkaufen – meist zu einem gesteigerten Preis. Für Bio-Milch, fand die Unternehmensberatung PwC heraus, akzeptieren Verbraucher einen Preisaufschlag von 56 Prozent, für Bio-Schokolade zahlen sie laut Umfrage bis zu 60 Prozent mehr, für Bio-Kaffee immerhin einen Aufschlag von 38 Prozent.
Mindestens ebenso wichtig für viele Anbieter: Der Ruf als „grünes“ Unternehmen schützt in vielen Fällen vor allzu strenger Regulierungen. Wer den Anschein erweckt, nachhaltig zu wirtschaften, erhält meist automatisch einen höheren Rückhalt in der Politik. Und der zahlt sich oft genug aus: Statt harte Gesetze zu erlassen, begnügen sich verantwortliche Ministerien – überzeugt vom grünen Gewissen der Unternehmen – gern mit freiwilligen Selbstverpflichtungen.
Wenig nachhaltige Aktionen
So auch im Fall Aldi. Gemeinsam mit anderen Handelsketten hatte sich der Billigsupermarkt Ende Februar mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) darauf verständigt, „konkrete freiwillige Vereinbarungen für weniger Verpackungen“ zu erarbeiten. Bis diesen Herbst sollen die Supermärkte dazu einen Plan vorlegen, den sie als „Selbstverpflichtung“ verstanden wissen wollen.
Greenpeace-Kunststoffexpertin Viola Wohlgemuth wittert deshalb hinter dem Obstbeutel-Vorstoß ein verdecktes Kalkül. „Statt das gesamte Sortiment auf den Prüfstand zu stellen, präsentiert Aldi zunächst einmal eine Scheinlösung“, kritisiert sie. „Angesichts der Plastikwüste, die sich in den Discountläden findet, ist die Beutel-Aktion eine Verbrauchertäuschung.“
Mit solchen Greenwashing-Aktionen befindet sich die Supermarktkette in prominenter Gesellschaft. „H&M feiert die Schönheit der Natur“, jubelte das Modemagazin „Glamour“. Der Anlass: „In ausgewählten Shops“ verkauft die schwedischen Billigkette Bekleidung aus pflanzlichen Stoffen, ausrangierten Fischernetzen und Nylonabfällen. Zudem verspricht der Textildiscounter Rabattgutscheine, sobald der Kunde Altkleider in den Laden bringt. „Textilien, die nicht mehr wiederverwendet werden können“, behauptet H&M, „bekommen eine neue Chance als Textilfasern.“
„Alles ein großer Hype“, hält Greenpeace-Expertin Wohlgemuth dagegen. Nachhaltig sei an den Aktionen eher wenig. Nur 0,4 bis 0,6 Prozent der H&M-Produktion stamme aus wiederverarbeiteten Fasern.
H&M verweist trotzdem stolz auf seinen hohen Anteil an „Materialien aus nachhaltigen Quellen“. „Es ist richtig, dass es nach wie vor große Hürden innerhalb des Textilrecyclings gibt“, lenkt eine H&M-Sprecherin ein. Zuletzt aber habe der Anteil an Recyclingfasern im Gesamtsortiment bei 1,4 Prozent gelegen.
Doch schlimmer noch: Ein dänischer Fernsehsender offenbarte, dass H&M in Roskilde jedes Jahr tonnenweise ungetragene Kleidung verbrennt. Dass es dabei nur um verschimmelte Ware geht, wie H&M behauptet, halten Umweltorganisationen für zweifelhaft.
Auch Erzrivale Zara greift mitunter zu fragwürdigen Tricks, um sich mit falschen ökologischen Federn zu schmücken. An einer Bluse aus Polyester fanden erstaunte Greenpeace-Tester das Label „100 % Organic“, was sich bei Nachfrage buchstäblich als Etikettenschwindel herausstellte. Nicht die Blusen, sondern nur die Etiketten selbst waren aus Biomaterial produziert.
In den Verdacht des Greenwashings geriet zuletzt auch der Nivea-Hersteller Beiersdorf. „Beiersdorf übernimmt Verantwortung in Sachen Nachhaltigkeit“, wirbt der Hamburger Konzern für sich im Internet zum Thema Mikroplastik. „Seit Ende 2015 verwenden wir keine Peeling-Partikel aus Polyethylen mehr“, steht darunter, garniert mit dem Foto eines Fischschwarms in kristallklarem Wasser.
Aus Sicht mehrerer Umweltorganisationen ist dies nur die halbe Wahrheit. Denn bei Nivea ist ausschließlich von festen „Microbeads“ die Rede, nicht aber von synthetischen Polymeren in flüssiger, wachs- und gelartiger Form.
So warnt die Umweltorganisation BUND in ihrem „Einkaufsratgeber“ vor 38 Nivea-Produkten mit Mikroplastik. „Diese gelösten Polymere“, verteidigt eine Beiersdorf-Sprecherin den Einsatz „geringer Mengen“, „tragen nach aktuellem Forschungsstand nicht zu einer Belastung der Meere und Umwelt mit Kunststoffen bei.“
Selbst die Öko-Kette „The Body Shop“ hat es auf die schwarzen Listen von Greenpeace und BUND geschafft und setzt sich damit dem Vorwurf aus, beim Umweltimage zu schummeln. Unter anderem mit dem Gesichtspuder „Loose Face Powder“. Dort fanden die Öko-Experten die Teflon-Chemikalie PTFE, einen Plastikpartikel, der sich inzwischen im Kabeljau und anderen Meerestieren wiederfindet.
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