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Verschwiegenes Firmenimperium Wie der „Lager-Fix“-Erfinder den Fachkräftemangel mit Robotern ausgleicht

Der ehemalige Gea-Vorstand Steffen Bersch soll die Firmengruppe SSI Schäfer aus der Ertragsflaute führen. Ausgerechnet der leer gefegte Arbeitsmarkt könnte ihm helfen.
23.11.2021 - 11:15 Uhr Kommentieren
Bis zu 900 automatische Artikelsortierungen pro Stunde.
Neu entwickelter Roboter-Greifarm des Lagereitechnik-Anbieters SSI Schäfer

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Giebelstadt Steffen Bersch gehört zu der seltenen Spezies deutscher Manager, denen der leer gefegte Arbeitsmarkt wie gerufen kommt. Sagen würde er das nie, zeigen aber doch: In einer Demonstrationshalle nahe Würzburg hat der Chef des Lagereiausrüsters SSI Schäfer einen gelben Roboter aufbauen lassen, der unentwegt einer Kunststoffkiste Arzneimittelschachteln entnimmt. Die Artikel wählt der mit Saugnäpfen ausgerüstete Greifarm per 3D-Kamera, QR-Scanner und Elektrowaage, bevor er sie zur Kommissionierung in wartende Behälter sortiert. „Wo Arbeitskräfte fehlen, treibt das die Automation“, sagt Bersch.

Anfang März 2020 war der heute 52-Jährige in der siegerländischen Kleinstadt Neunkirchen angetreten, um seinem neuen Arbeitgeber aus der anhaltenden Flaute zu verhelfen. SSI Schäfer, einer der bekanntesten deutschen Anbieter von Lagereitechnik, sieht seit Jahren allenfalls stagnierende Umsätze, mehrmals blieben die Gewinne aus. Nun dürfte seinem Chef der Beschäftigtenschwund, über den aktuell laut Ifo-Institut 42,6 Prozent der Logistikbetriebe klagen, einen schnelleren Turnaround bescheren als gedacht.

Die Firmengruppe, 1937 in der Nähe von Siegen als Unternehmen zur „fabrikmäßigen Herstellung von Blechwaren aller Art“ gegründet, zählt zu den verborgenen Schwergewichten der deutschen Wirtschaft. Noch immer liegt das Firmenimperium, aus dem in den vergangenen Jahren wenig nach außen drang, komplett in den Händen der Gründerfamilie.

Die Anteile an drei voneinander unabhängigen Konzernen, die 2019 auf einen Gesamtumsatz von 2,6 Milliarden Euro kamen, halten elf Enkeltöchter und 16 Urenkel des Gründers Fritz Schäfer.

Das ihnen zuzurechnende Eigenkapital summierte sich Ende 2019 auf 589 Millionen Euro, das Guthaben auf den Gesellschafterkonten auf weitere 157 Millionen. Der Mutterkonzern SSI Schäfer kommt ohne Bankenkredite aus. In der Liste „Die größten Familienunternehmen“, herausgegeben vom Informationsnetz „Die Deutsche Wirtschaft“ (DDW), rangiert der teilweise in der Schweiz lebende Clan auf Platz 119.

Doch in der Führung knirschte es zuletzt gewaltig. 2017 schrieb man fast zwölf Millionen Euro Nettoverlust, 2019 sackte das Konzern-Nettoergebnis nach einer schwarzen Vorjahresnull abermals mit 25 Millionen Euro in die Verlustzone.

Die Personalkosten seien aus dem Ruder gelaufen, ist dem für 2019 abgelieferten Geschäftsbericht zu entnehmen, insbesondere durch die Beschäftigung von 1100 gut bezahlten IT-Mitarbeitern. Zudem sei es wegen Organisationsschwächen zu unnötigen Doppelarbeiten gekommen.

Chefwechsel im Rekordtempo

Ende Juli 2019 musste Konzernchef Harrie Swinkels nach nur anderthalb Jahren an der Unternehmensspitze abdanken, um dem Interimsmanager Helmut Limberg Platz zu machen. „Unterschiedliche Ansichten zur weiteren strategischen Ausrichtung des Unternehmens“ hätten zur Trennung geführt, meldete SSI Schäfer.

Steffen Bersch: Weshalb „Lager-Fix
SSI-Schäfer-CEO Steffen Bersch

Rückenwind durch Arbeitskräftemangel und boomenden E-Commerce

Nun soll es der in Wattenscheid geborene Bersch richten. Ihn warben die Siegerländer aus dem Vorstand des Düsseldorfer Maschinenbauers Gea ab. Der Verschleiß familienfremder Manager ist damit ebenso rekordverdächtig wie ungewohnt. Bis zu seinem Tod 2015 hatte der zuletzt 91-jährige Gründer-Sohn Gerhard Schäfer die Firma geleitet – und zwar ununterbrochen über sechs Jahrzehnte.

Schon kurz nach seinem Antritt 2020 baute Bersch die aus zahlreichen Zukäufen gewachsene Unternehmensorganisation um, verwandelte die selbstbewussten Fürstentümer in vier Geschäftsbereiche, holte deren Leiter auf eine gemeinsame Managementplattform. Dort sollen sie ihre Projekte untereinander abstimmen und Synergien heben. „2020 sind wir vor Steuern in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt“, berichtet Bersch von ersten Erfolgen. Und auch 2021werde man keinen Verlust melden müssen.

Um eine einheitliche Führung kümmerten sich die Schäfer-Nachfahren bislang eher selten. Übersichtlichkeit gab es allein anfangs im siegerländischen Neunkirchen-Salchendorf: Bis 1948 fertigte der Firmengründer mit vier Söhnen in der Waschküche und einem Anbau seines Wohnhauses Transportkästen, Ofenrohre und Kuchenbleche. Pünktlich zur Währungsreform folgte auf der nahen Dorfwiese eine Fabrik für die Serienfertigung des Verkaufsschlagers „Lager-Fix“, eines stapelbaren Schraubenkastens mit Sichtöffnung an der Vorderseite.

Mitte der 50er-Jahre expandierten die Söhne in ein scheinbar verstaubtes Geschäftsfeld, um das sich nur wenige kümmerten: die Einrichtung von Lagerhallen mit Regalen und Transportkisten. Das Quartett lag goldrichtig, wie sich später zeigen sollte. Heute verkauft die Muttergesellschaft unter dem Markennamen SSI Schäfer weltweit Hochregale, Förderbänder und Lagereisoftware – und das mit 70 operativ tätigen Tochtergesellschaften, acht Produktionsstätten im In- und Ausland und rund 10.500 Mitarbeitern.

Die Firmenstruktur aber wurde dadurch immer komplizierter. Das ursprüngliche Produktionsgeschäft gliederte das Mutterunternehmen 1969 in einen separaten Konzern, die Schäfer Werke KG, aus. Der Produzent von Stahl- und Kunststofftechnik, der 2019 mit 1075 Mitarbeitern 863 Millionen Euro Umsatz erzielte, besitzt seit 1982 eine unabhängige Führung, aber exakt dieselben Gesellschafter wie SSI Schäfer.

Gleiches gilt für den 1975 ausgegründeten Schäfer Shop, der vom siegerländischen Betzdorf aus einen Katalogversand für gewerbliche Kunden betreibt. Mit zuletzt 235 Millionen Euro Umsatz und vier Millionen Euro Gewinn ist er die kleinste Firma der Siegerländer Sippe, zugleich die bekannteste. Nur: Eine operative Verbindung mit den zwei übrigen Schwesterkonzernen gibt es nicht.

Automatisierung als Wachstumstreiber

Entsprechend bleibt Bersch beim Mühen um die Geschäftsbelebung auf sich alleingestellt. Man wolle sich ohnehin fokussieren, hat er die Marschrichtung für SSI Schäfer vorgegeben. Kümmern werde man sich fortan schwerpunktmäßig um das Lieferkettenmanagement in den vier Kundensegmenten Lebensmittelzustellung, Pharma, Auto- und Maschinenbau sowie in dem von Retouren belasteten Modehandel. „Gerade dort, wo es heute noch einen hohen manuellen Anteil gibt, wollen wir für die Läger Automationslösungen bieten“, umreißt der Firmenchef die Strategie. Auch ergonomische Arbeitsplatzeinrichtungen, ein Trumpf bei der Mitarbeiterbindung, stehen weit oben auf der Angebotsliste.

Das Potenzial ist beachtlich. Bis 2024 sagt die Beratungsfirma McKinsey für dieses „Intralogistik“ genannte Segment ein jährliches Wachstum von sieben bis acht Prozent voraus. Ein Selbstläufer dürfte es für die Siegerländer dennoch kaum werden, zumal sie das Ziel ausgegeben haben, diese Rate noch zu übertreffen. Auch mächtige Konkurrenten wie Kion oder Jungheinrich buhlen in diesem Revier um Kundschaft.

Immerhin gab es für SSI Schäfer in den vergangenen Monaten Achtungserfolge. Der Lebensmittelhändler Tegut, Tochter des Schweizer Migros-Konzerns mit 290 Supermärkten, beauftragte das Familienunternehmen mit dem Bau eines Logistikzentrums nahe Fulda, der dänische Speditionsriese DSV orderte hängende Fördersysteme für seine Logistikdrehscheiben, die Apothekenkette Dr. Max lässt sich von SSI Schäfer derzeit ein Distributionszentrum in Bukarest einrichten. Schon im März übergab Bersch einen teilautomatisierten Logistikkomplex an Edeka bei Schweinfurt.

Wie weit der neue Chef die Fokussierung am Ende treiben wird, bleibt allerdings abzuwarten. Immerhin zehn Prozent des Umsatzes macht SSI Schäfer noch immer mit der sogenannten „Abfalltechnik“. Moderne Digitalisierung, Automation und Supply-Chain-Technologie liegen diesem Geschäftsfeld allerdings fern. Hinter der Bezeichnung verbirgt sich die schlichte Produktion von Mülltonnen.

Mehr: Jungheinrich steigert Umsatz und Gewinn und setzt sich höhere Ziele

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