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Walmart, Amazon, Coca-Cola „Der perfekte Sturm” – Wegen Lieferengpässen nehmen US-Unternehmen die Logistik selbst in die Hand

Walmart chartert eigene Schiffe, Amazon kauft Flugzeuge, und Coca-Cola chartert sogar Kohlefrachter. Sie wollen weniger abhängig sein von dritten Anbietern.
17.11.2021 - 16:19 Uhr Kommentieren
40 wartende Schiffe und mehr sind keine Seltenheit, Quelle: Reuters
Containerschiffe vor Long Beach

40 wartende Schiffe und mehr sind keine Seltenheit,

(Foto: Reuters)

New York, San Francisco Die Fahrt über die neue, gleißend weiße Bay Bridge von San Francisco nach Oakland bietet in diesen Tagen ein ungewohntes Bild. Zwischen sechs und 15 Schiffe, groß und klein, dümpeln stets in der Bucht und warten teils tagelang auf die Erlaubnis, in einen der größten Häfen an der Westküste der USA einlaufen und ihre Ladung löschen zu können. Für die Wirtschaft ist das wenige Wochen vor den Feiertagen eine Katastrophe.

Sechs Autostunden weiter südlich, in Los Angeles, ist die Lage nicht besser: Luftaufnahmen des Meeres vor Long Beach, dem größten Westküstenhafen, sehen aus wie ein überfüllter Parkplatz eines Einkaufszentrums an Heiligabend. 40 wartende Schiffe und mehr sind keine Seltenheit, aus Tagen wurden längst Wochen Liegezeit.

Hinzu kommen die enormen Kosten: Einen Container aus Asien in die USA zu verschiffen kostet heute mit 20.000 Dollar fast zehnmal so viel wie noch vor zwei Jahren. Viele große US-Unternehmen haben sich daher entschlossen, ihre Logistik stärker selbst in die Hand zu nehmen. Die Einzelhändler Walmart, Costco und Target haben eigene Schiffe für das Weihnachtsgeschäft gechartert. Amazon will Milliarden in seine eigene Flotte an Flugzeugen und Lastern investieren.

Auch das schwedische Möbelhaus Ikea hat angekündigt, dass es Container kauft und Schiffe chartert. „Das ist der perfekte Sturm“, sagte Jesper Brodin, Vorstandschef der Ingka Group, die die meisten Ikea-Läden kontrolliert, im Oktober. „Das ist das New Normal für uns. Und wenn sich die Dinge beruhigen, werden wir viel über Beweglichkeit gelernt haben“, prophezeit er.

Beweglich zeigte sich zuletzt auch Coca-Cola: Der Getränkehersteller hat jüngst sogar mehrere Kohlefrachter gemietet, weil die Schiffe so knapp geworden sind. Walmart chartert verstärkt kleinere Schiffe. Mit denen kann der Einzelhändler auch kleinere, weniger überfüllte Häfen anfahren als die in Südkalifornien und seine Ladung so schneller löschen und auf die Straßen oder Gleise bringen.

Ein Containerschiff kostet bis zu 140.000 Dollar am Tag

Indem die großen Ketten ihre eigenen Schiffe chartern, haben sie mehr Kontrolle darüber, wo ihre Waren sich befinden, als wenn sie ihre Container durch Logistikfirmen transportieren lassen. Sie können zum Beispiel anordnen, dass ein Schiff einen anderen Hafen anläuft, wenn der ursprüngliche überlastet ist. Allerdings ist das nicht ganz billig: Ein Containerschiff kann pro Tag bis zu 140.000 Dollar kosten.

Amazon ist auf dem Weg zur logistischen Unabhängigkeit am weitesten. Schon im Januar hat der Onlinehändler weitere elf Boeing 767 geordert, um seine Cargo-Flotte auf 85 Flieger zu vergrößern. Am 25. Oktober teilte Amazon mit, dass es seine Kapazitäten für Container verdoppelt hat und mehrere Partnerschaften eingegangen ist. Nun investiert er weitere Milliarden.

Andere Unternehmen stellen zunehmend auf Luftfracht um: Home Depot etwa chartert nicht nur eigene Schiffe. Die Baumarktkette lässt auch die margenträchtigeren elektrischen Werkzeuge per Flugzeug transportieren, damit sie schneller in die Regale kommen.

US-Unternehmen suchen nach Auswegen aus den Lieferengpässen. Quelle: Bloomberg
Logistikzentrum von Walmart in Saint George, Utah

US-Unternehmen suchen nach Auswegen aus den Lieferengpässen.

(Foto: Bloomberg)

Die höhere Nachfrage nach Luftfracht bekommt auch der Logistikanbieter DHL zu spüren, berichtet David Goldberg, US-Chef für das Speditionsgeschäft der Post-Tochter, „Die Probleme mit Seefrachtkapazitäten und Verspätungen sowie die derzeit geringere Differenz zwischen Luftfracht- und Seefrachtraten haben dazu beigetragen“, erklärt der Manager. Viele Kunden schauten derzeit nicht mehr vorwiegend auf die Kosten. Ihnen sei viel wichtiger, dass ihre Waren verfügbar seien.

Außerdem bietet DHL seinen Kunden an, die Logistik für die gesamte Lieferkette zu übernehmen, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. „Dieses Geschäftsmodell war wohl nie so gefragt wie in den vergangenen zwei Jahren“, sagt Goldberg. Im dritten Quartal hat das Neugeschäft in diesem Bereich weltweit 16 Prozent zugelegt, im E-Commerce sogar mehr als 100 Prozent. Das größte Wachstum kam aus Amerika.

Mandeln und Nüsse müssen vor Weihnachten in Europa ankommen

Das Chaos an den kalifornischen Häfen wird jedoch so bald nicht nachlassen. Mit einem Containerschiff kann man nicht einfach beidrehen und anderswo seine Waren verladen, wenn es mal klemmt. Dahinter stecken schließlich Verträge mit Lagerhäusern, Lkw- und Bahnanbietern, die die Ware weiter- oder antransportieren müssen. Geschulte Mitarbeiter müssen die Schiffe mit größter Sorgfalt nach genau festgelegten Plänen be- und entladen, um eine Katastrophe zu vermeiden.

Und wer in Nordkalifornien produziert, kann nicht mal eben in Los Angeles oder in Portland im benachbarten Bundesstaat Oregon abliefern. Das trifft jeden. Kalifornien ist etwa der größte Produzent von Nüssen wie Mandeln, Walnüssen oder Pistazien in den USA, der Exportwert beträgt rund acht Milliarden Dollar jährlich. Roger Isom, Präsident des kalifornischen Landwirtschaftsverbands CCGGA, nennt ein Beispiel: Im Oktober wurden knapp 80 Prozent aller bereits gebuchten Lieferfahrten einfach gestrichen.

Jetzt liegt die Ware in langen Zügen auf dem Weg nach Texas, um sie von da zu verschiffen. Das kostet viel Zeit und Geld und wird zum Rennen gegen die Zeit. Die Nüsse müssen vor der Backzeit zu Weihnachten in Europa sein. Baumwollproduzenten fliegen die Ballen teilweise zu horrenden Preisen bis nach Peru aus, um strafbewehrte Lieferverpflichtungen einzuhalten und Kunden nicht zu verlieren. Ein Verbandsmitglied allein habe schon 7,5 Millionen Dollar eingebüßt, weil seine Ware einfach nicht aus den Lägern zu den Kunden kommt, berichtet Isom.

„Die kleineren Häfen wie Oakland werden einfach übergangen, gar nicht mehr angelaufen“, sagt Isom. Die Schiffe, die ihre Fracht in Los Angeles losgeworden sind, fahren so schnell wie möglich wieder zurück nach China. Und so stapeln sich Nüsse, Baumwolle, Früchte und andere Waren in den Lägern.

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