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Warum Onlineshops Filialen eröffnen Aus dem Netz in die City

Auf den ersten Blick scheint es verrückt: Immer mehr Onlinehändler eröffnen Filialen in Innenstädten. Sie haben erkannt: Nur im Netz präsent zu sein reicht nicht mehr. Sogar Amazon betreibt inzwischen einen eigenen Laden.
09.05.2016 - 14:41 Uhr
„Das Netz war für uns anfangs perfekt, um günstig und schnell zu wachsen.“ Quelle: PR
Renésim-Filiale in München

„Das Netz war für uns anfangs perfekt, um günstig und schnell zu wachsen.“

(Foto: PR)

München/Düsseldorf Die kleinen, edlen Steine sind auf Anhieb gar nicht zu erkennen. Wer den Laden von Renésim betritt, dem sticht zunächst die Bar ins Auge, dahinter eine Sitzecke mit Couchtisch. „Wir wollen den Leuten die Schwellenangst nehmen“, erklärt Maximilian Hemmerle, Gründer und Co-Geschäftsführer des Münchener Juweliers.

Ein Blick in die Vitrinen offenbart dann allerdings, dass das junge Unternehmen den Vergleich mit den alt eingesessenen Juwelieren der bayerischen Landeshauptstadt nicht scheuen braucht. Da thront ein Rubin für 83 190 Euro in der Auslage, gleich nebenan glitzert ein Aquamarin für 35.000 Euro.

Seit fünf Jahren verkaufen Hemmerle und Compagnon Georg Schmidt-Sailer exklusiven Schmuck übers Internet; jedes Stück ein Unikat. „Das Netz war für uns anfangs perfekt, um günstig und schnell zu wachsen“, sagt Schmidt-Sailer. Doch immer häufiger seien mit der Zeit Interessenten im Büro vorbei gekommen, um die Ringe, Anhänger und Ohrstecker im Original zu begutachten. Zudem sei es mit den Jahren immer aufwendiger geworden, neue Kunden in der digitalen Welt zu gewinnen. Anfang April haben die beiden Juweliere daher in der Münchener Innenstadt ihren ersten Laden eröffnet, in exquisiter Lage, ein paar Meter von der Siemens-Zentrale entfernt.

So wie Renésim stellen viele Internetfirmen fest, dass der Auftritt in der virtuellen Welt alleine nicht reicht. Die Online-Anbieter investieren daher kräftig in Beton und Steine. Selbst das amerikanische Netz-Kaufhaus Amazon betreibt inzwischen einen Laden in seiner Heimatstadt Seattle, ein zweiter wird bald in San Diego in Betrieb gehen, über mehrere Hundert weitere wird seit langem spekuliert.

Experten sind überzeugt, dass die Internetfirmen damit den Vorlieben vieler Käufer gerecht werden: „Die Konsumenten wünschen sich von den Onlinehändlern, dass sie ihre Produkte in echten, analogen Läden erlebbar machen“, betont Stephan Jung, Chef und Gründer der Strategieberatung Eisberg Positioning in Hamburg.

So wie Modomoto und Qutfittery. Die beiden Konkurrenten wollen Männer per Mausklick mit einem auf sie abgestimmten, kompletten Dress versorgen – Hemd, Hose, Jackett und Schuhe. Das nennt sich „Curated shopping“, also betreutes Einkaufen. Doch so ganz auf die Ferndiagnose wollen sich weder die digitalen Shoppingberater noch deren Kunden verlassen. Modomoto betreibt in Berlin einen sogenannten „Fitting Room“ und Outfittery einen Ausstellungsraum. Dort können die Kunden einen Termin mit einem Stilberater vereinbaren, um bei einem Glas Prosecco das neue Outfit anzuprobieren, ganz analog wie früher.

Auf den ersten Blick scheint es verrückt: Während täglich Einzelhändler unter dem Druck der Onlinekonkurrenz kollabieren und ihre Läden schließen müssen, streben jetzt die Onlinehändler in die Innenstädte. Amazon, Zalando, Notebooksbilliger.de, Cyberport, Alternate, Mytoys.de: Schon die Hälfte der zwölf größten deutschen E-Commerce-Unternehmen hat bereits eigene Läden aufgemacht – obwohl sie als reine Onlinehändler gestartet waren.

Die Zahlen scheinen ihnen Recht zu geben. So wachsen nach Berechnungen des EHI Retail Institute die Onlinehändler, die auch Ladenlokale betreiben, im Schnitt um 18 Prozent pro Jahr. Die reinen Onlinehändler dagegen legten im gleichen Zeitraum nur einstellig zu.

„Es gibt sehr interessante und innovative Beispiele, die schon erfolgreich laufen“, bestätigt Lars Hofacker, Leiter des Forschungsbereichs E-Commerce beim EHI. Das gelte nicht nur für die bekannten großen Namen. „Der Nerd- und Fanartikelshop Elbenwald beispielsweise zeigt, dass es auch Nischen gibt, in denen das Konzept funktioniert“, so Hofacker. Die Firma vertrieb Schwerter, Shirts und Kaffeetassen von Star Wars, Herr der Ringe oder Harry Potter anfangs nur im Netz, unterhält inzwischen aber 22 Filialen.

Zwar schränkt er ein, dass man nicht in jedem Fall eindeutig sagen kann, ob die stationäre Filiale ursächlich für das höhere Wachstum verantwortlich ist – oder ob sich ein Händler wegen des hohen Wachstums den Laden erst leisten kann. Doch der Experte sieht gute Gründe für den Schritt in die Innenstadt. „Für Onlinehändler entstehen dadurch neue Zielgruppen und mehr Kundennähe“, so Hofacker.

Gerade Händler, die ihre Onlinezielgruppe schon vollständig erschlossen haben, können ihre Marke so Kunden näherbringen, die den stationären Kauf noch mehr schätzen. Zusätzlich lässt die Eröffnung eines Geschäfts wegen der steigenden Bekanntheit die Onlineumsätze in der Region steigen. „Damit machen sich die Händler auch weniger abhängig vom kostspieligen Online-Marketing“, so Hofacker.

Auch Heiko Krajewski will sich auf die Online-Bestellung nicht allein verlassen. Zwar sammelt der Chef des Hamburger Unternehmens Tailorjack fleißig möglichst viele Daten seiner Kunden, damit er ihnen in Thailand günstige Maßhemden schneidern lassen kann. Aber „einige Kunden sind unsicher, ob ihnen das Online bestellte Maßhemd nachher auch wirklich passt, oder sie wollen sich einfach nicht selbst vermessen“, beschreibt der 41-Jährige die Hürde in einem kleinen Besprechungsraum, den eine Schneiderbüste mit umgehängtem Maßband ziert.

Einen eigenen Laden leistet er sich zwar nicht, um die Kunden zu vermessen. Stattdessen jedoch veranstaltet der Schneider pro Jahr Dutzende sogenannter Vermessungsevents in Hotels von Hamburg bis München, bei denen Lizenzpartner die genauen Maße der Kunden von Tailorjack aufnehmen.

Die beiden Renésim-Gründer sind mit ihrem Laden schon nach ein paar Wochen glücklich. „Vom ersten Tag an strömten Kunden ins Geschäft, die auf uns im Netz gestoßen sind“, freut sich Gründer Hemmerle. Hält das Interesse an, dann werden bald weitere Filialen dazu kommen. Anfangs nannte sich Renésim noch Online-Juwelier, doch schnell ließen die Gründer den Verweis aufs Internet weg. Inzwischen wäre er sogar falsch.

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