Was Rorsted bei Adidas erwartet Hainers großes Erbe

Der Konzern positioniert sich als authentische Sportmarke
München Es sind schöne Erinnerungen, die Herbert Hainer mit dem Estádio do Maracanã verbindet. Der Adidas-Chef jubelte auf der Tribüne, als Mario Götze die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum WM-Titel schoss. Das war vor zwei Jahren. Zur Eröffnung der Olympischen Spiele am Donnerstag wird Hainer wieder in Rio de Janeiro weilen, und, so viel ist sicher, er wird auch diesen Aufenthalt nicht vergessen. Es ist das letzte Mal, dass der 62-Jährige als Vorstandschef der Turnschuh-Marke ein großes Sportevent mitverfolgt. Ende September hört Hainer auf.
Sein Nachfolger steht bereit: Am Montag tritt Kasper Rorsted in den Vorstand des Konzerns ein, zwei Monate später wird er Vorstandsvorsitzender. Der Däne reist nicht mit nach Brasilien. Seinen ersten Arbeitstag verbringt er in Herzogenaurach. In der fränkischen Provinz schlägt das Herz der Marke mit den drei Streifen, dort will sich Rorsted einarbeiten.
Er muss sich schnell durch die Akten wühlen, zügig die wichtigsten Köpfe treffen. Hainer verabschiedet sich zwar mit ausgezeichneten Zahlen: Wenn seine Prognose zutrifft, wird der Umsatz dieses Jahr um fast ein Fünftel in die Höhe schießen. Der Gewinn soll sogar knapp 40 Prozent klettern. Die Aktien notieren auf einem Rekordstand, der Kurs ist dieses Jahr um mehr als die Hälfte gestiegen.

Der scheidende Adidas-Chef hinterlässt einen Konzern in Top-Form.
Dennoch: Die Erwartungen der Kapitalmärkte an Rorsted seien gewaltig, meint Mirko Warschun, Konsumgüterexperte bei A.T. Kearney. Noch mehr Wachstum bei niedrigeren Kosten, das sei die große Hoffnung.
Allzu viel Zeit werden die Anleger Rorsted nicht geben, darin sind sich alle Beobachter einig. „Spätestens nach den ersten 100 Tagen muss er erklären, wo er mit Adidas hinwill“, unterstreicht Hartmut Heinrich von der Unternehmensberatung Mistresstech.
Hainer ist der am längsten amtierende Chef eines Dax-Konzerns: Der Niederbayer hat Adidas 15 Jahre lang geführt. Dabei hat er den Umsatz verdreifacht, an der Börse ist die Firma heute fast zehn Mal so viel wert. Eine stramme Leistung. Nur eins ging schief: Weltmarktführer Nike ist enteilt. Das Label kommt auf umgerechnet knapp 28 Milliarden Euro Umsatz, zehn Milliarden mehr als Adidas. Der Gewinn war vergangenes Jahr mit 3,4 Milliarden Euro fünf Mal so hoch.
Näher an die US-Marke heranzukommen ist Rorsteds Aufgabe. Das gilt zum einen für den Umsatz, denn Größe ist in der Sportbranche kein Selbstzweck. Wer mehr Geld einnimmt, kann mehr ausgeben für das lebenswichtige Marketing. Weil die Hersteller stets einen fixen Prozentsatz der Erlöse in Werbung und Sponsoring stecken, hat Nike einen wesentlichen Vorteil gegenüber Adidas. Erst recht zulegen muss Rorsted beim Gewinn. In Investoren-Kreisen heißt es, die mangelnde Profitabilität sei die große Schwachstelle in der Erfolgsstory des Herbert Hainer. „Das ist die größte Baustelle für Rorsted“, sagt ein Investor, der nicht genannt werden möchte. So kommt Nike auf eine operative Marge von gut 13 Prozent, Adidas wird selbst im Spitzenjahr 2016 nurmehr 7,5 Prozent erzielen.
Neue Kickstiefel und moderne Shirts sind nicht der entscheidende Erfolgsfaktor einer Aufholjagd. „Die größte Herausforderung für Rorsted wird sein, eine schlüssige, umfassende Digitalstrategie zu entwickeln“, betont Berater Warschun. Adidas experimentiert seit Jahren mit Chips in Schuhen und Bällen, hat Fitness-Armbänder und Sportuhren in der Kollektion. Die Marketing-Abteilung füttert soziale Medien mit bunten Bildern und Videos. Wer mag, kann sich auch eine Fitness-App der Marke herunterladen.
Alles Stückwerk“, bemängelt Berater Heinrich. Langsam und reaktiv sei Adidas auf diesem Feld, kritisiert Berater Warschun. So hat Adidas vergangenes Jahr zwar für 220 Millionen Euro die Lauf-App Runtastic geschluckt. Zu dem Zeitpunkt hatte der aufstrebende US-Konkurrent Under Armour aber schon mehr als eine halbe Milliarde in eine Reihe von App-Anbietern gesteckt.
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