Wegen illegaler Leiharbeit Zoll ermittelt gegen Tochterfirma der Deutschen Post

Eine Tochtergesellschaft steht im Verdacht, illegal Leiharbeiter beschäftigt zu haben.
Düsseldorf Die Stellenanzeige klang verlockend. „Deutsche Post sucht Verkäufer für E-Post-Produkte.“ Lukas Höfer* war gleich angetan. Jahrelang war er für einen Mittelständler unterwegs, jetzt sollte es eine Nummer größer sein.
Für sein Vorstellungsgespräch kaufte Höfer einen schicken grauen Anzug. Schließlich war es das erste Mal, dass er bei einem Dax-Konzern vorsprechen durfte. In der Bonner Zentrale rauschte Höfer mit dem schnellsten Aufzug, mit dem er je gefahren war, in die Höhe. Aus dem gläsernen Post-Tower ließ er den Blick über die ehemalige Bundeshauptstadt schweifen. Hier würde es sich gut arbeiten lassen.
Das bestätigten ihm auch seine Gastgeber. Gleich zwei Vertreter der Personalabteilung empfingen Höfer zum Bewerbungsgespräch. Die Post sei ein großes Unternehmen, sagten sie. Stelle sich Höfer gut an, habe er beste Aufstiegschancen. Höfer schlug ein. Wenig später bekam er die schriftliche Zusage. Aber nicht von der Post. Absender der Gratulations-Mail an Höfer war: das Siegfried Vögele Institut (SVI).
Höfer stutzte. Ein Institut? Eine schnelle Internetsuche brachte Klarheit. Das Institut für Dialogmarketing war eine hundertprozentige Post-Tochter. Und immerhin prangte auf dem Arbeitsvertrag, den das Institut gleich mitgeschickt hatte, auch ein Logo der Deutschen Post. Höfer verdrängte die Zweifel – und unterschrieb. Ein Fehler. In der Zeit, die nun folgte, sollte Höfer seine Naivität teuer bezahlen.
Inzwischen ist klar, dass Höfers Arbeitsverhältnis auch für die Deutsche Post Konsequenzen hat. Höfer und weitere Kollegen arbeiteten in der Praxis für die Post, waren auf dem Papier jedoch beim SVI angestellt. Arbeitsrechtler wähnen hinter einem solchen Konstrukt ein Leiharbeitsverhältnis. „Wenn eine Konzerntochter auch nur einen Mitarbeiter dauerhaft an die Mutter verleiht, braucht die Tochter eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung“, sagt Wolfgang Däubler, Professor für Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht der Uni Bremen. Das Problem: Diese Erlaubnis hatte das SVI laut der zuständigen Bundesagentur für Arbeit nicht.
Lukas Höfer unterschrieb seinen Vertrag im Jahr 2014. Alles, was er dann erlebte, ließ ihn glauben, er arbeite für die große Deutsche Post. Er bekam eine Visitenkarte der Post, ebenso wie E-Mail-Adresse und -Signatur. Wenn er zum Kunden fuhr, dann mit einem Firmenwagen mit dem Kennzeichen BN-PY – der typischen Kennung von Post-Fahrzeugen. Kam er an, pries er die Vorzüge des E-Postbriefs an, für den die Post großflächig in den Stadien bei Länderspielen warb. Wenn Höfer Urlaub nehmen wollte oder krank wurde, meldete er das dem Teamleiter von der Post. Er war eben Postler. Dachte er.
Es war ein Plausch unter Kollegen, der Höfer aufweckte. Es ging um die Gehaltssituation. Je länger das Gespräch dauerte, desto hellhöriger wurde er. Was waren das für Zahlen, die da kursierten?
Gemeinsam besorgten sich Institutsangestellte den Tarifvertrag ihrer Post-Kollegen – und fielen aus allen Wolken. Die SVI-Beschäftigten mussten offenbar nicht nur mehr Stunden arbeiten und hatten weniger Urlaub, sie bekamen nach ihrer Einschätzung auch weniger Geld, als ihnen laut Tarifvertrag für Post-Angestellte zustand. Je mehr Höfer und seine Kollegen recherchierten, desto sicherer waren sie sich, in eine Zweiklassengesellschaft geraten zu sein. Die Ungleichheiten sorgten für Unruhe. Mitarbeiter verließen das Institut.
Anfang 2016 betraten dann ganz andere Männer die SVI-Zentrale im hessischen Königstein. Sie waren Beamte des Hauptzollamts Gießen. Was sie hörten, ließ sie weiterforschen. Inzwischen ermittelt die Behörde offiziell gegen Verantwortliche des Instituts, wegen des Verdachts der unerlaubten, gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Der Zoll wollte den Fall auf Anfrage nicht kommentieren. Wegen des Steuergeheimnisses dürfe man sich nicht äußern.
Der Zoll darf nicht, das SVI möchte nicht. Auf Anfrage, was es mit der Zweiklassengesellschaft und dem Zoll auf sich habe, verwies die Post-Tochter an die Post-Mutter. Von dort kam diese Stellungnahme: „Es trifft zu, dass das Hauptzollamt Gießen derzeit Vorwürfe gegenüber dem Siegfried Vögele Institut prüft, die sich auf mögliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit den Beschäftigungsverhältnissen einiger Mitarbeiter beziehen. Hierbei unterstützen wir die Behörde vollumfänglich und haben alle notwendigen Informationen zur Klärung des Sachverhalts zur Verfügung gestellt.“
Was kann der Post und ihrer Tochter nun blühen? „Sollte sich der Verdacht der Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis bestätigen, bestünde kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zum Einsatzbetrieb“, sagt der Arbeitsrechtler Däubler. Mitarbeiter wie Höfer wären dann bei der Post direkt beschäftigt. Und nicht nur das. „Die Betroffenen haben dann das Recht, die entgangenen Löhne der vergangenen drei Jahre erstattet zu bekommen“, so Däubler.
Und das wäre nicht die einzige Zahlung, die der Post drohen könnte. Bestätigt sich der Verdacht, könnte der Zoll ein Ordnungsgeld gegen das SVI verhängen. In diesem Fall würde womöglich auch ein Strafverfahren eingeleitet. Denn sollten die Institutsbeschäftigten tatsächlich zu niedrige Löhne erhalten haben, hätte das SVI einen Teil der Sozialbeiträge unterschlagen – eine Straftat.
Lukas Höfer hat sich indes von seinem Traum der Karriere bei der Post verabschiedet. Er will das SVI verlassen. Momentan sucht er eine neue Stelle. Bei einem ist sich Höfer sicher: Nie wieder wird er einen Arbeitsvertrag unterschreiben, der ihm verdächtig vorkommt.
*Name geändert