24 Stunden von Le Mans Porsche gewinnt das Bruder-Duell gegen Audi

Porsche-Fahrer Nico Hülkenberg of Germany überquert als Erster die Ziellinie.
Le Mans Irgendwann endet jede Serie: Erstmals seit 1967 war Ex-Firmenpatriarch Ferdinand Piëch nicht nach Le Mans gekommen, um das legendäre 24-Stunden-Rennen persönlich mitzuerleben. Es war nicht die einzige Serie, die am Sonntag riss. Um 15 Uhr überquerte der Porsche 919 Hybrid nach 395 Runden die Ziellinie – mit mehr als einer Runde Vorsprung. Porsche löst damit den Seriensieger Audi ab – nur ein Jahr nach der Rückkehr auf die Langstrecke. In den letzten 15 Jahren hatte Audi 13-mal gesiegt.
Auf den Tag genau 45 Jahre nachdem Porsche das erste Mal den Gesamtsieg von Le Mans einfahren konnte, gewinnt also wieder ein Sportwagen aus Zuffenhausen. Geschafft hat den Triumph über die Brüder aus Ingolstadt der deutsche Formel-1-Fahrer und Le-Mans-Debütant Nico Hülkenberg, der sich mit dem Neuseeländer Earl Bamby und dem Briten Nick Tandy am Steuer abgewechselt hatte.
Porsche-Chef Matthias Müller hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, saß aber morgens bester Laune im Porsche-Pavillon hinter der Boxengasse. Für ihn ist das Ergebnis wichtig: Auf die viel gestellte Frage, wer die Technologieführerschaft im VW-Konzern innehat, ist dieser Sieg die passende Antwort. Dabei ist die Distanz zwischen den Renn-Brüdern – auf die ganze Dauer des Rennens betrachtet – hauchdünn. Auch nach mehreren Stunden lagen die Rivalen kaum mehr als ein paar Minuten auseinander. Gemeinsam beherrschten die VW-Marken das Rennen – und belegten am Ende die ersten fünf Plätze. Die Weltmeister von Toyota und die Herausforderer von Nissan hatten im Kampf um den Sieg nichts zu melden.
Schon in der Qualifikation hatte Porsche die Konkurrenz deklassiert. Trotzdem hatte man sich vor dem Start zurückhaltend gegeben, Le Mans gilt als unberechenbar. 24 Stunden, also auch die ganze Nacht, jagten die 55 Autos danach über die Piste, mit bis zu 340 Stundenkilometern. Geschlafen wird in Le Mans nicht. Auch nicht neben der Rennstrecke. 260.000 Besucher campen auf jedem freien Fleckchen Erde, beschallt vom Dröhnen der Motoren. Kein Autorennen der Welt ist so reich an Legenden wie das hier. Le Mans ist auch eine Materialschlacht. Über die Gesamtkosten schweigen die Hersteller. Audi soll das Rennen rund 180 Millionen Euro gekostet haben, heißt es aus Branchenkreisen, bei Porsche dürften die Kosten nicht wesentlich darunter liegen. Allein die Kosten für jeden Reifenwechsel werden auf 40.000 Euro geschätzt. Laut Reglement dürfen bis zu zwölf Reifensätze verwendet werden.
Persönlicher Hintergrund
Französische Hersteller können sich den großen Auftritt in ihrer eigenen Heimat schlicht nicht mehr leisten. Der einzige Wagen des größten französischen Autobauers PSA, der an diesem Wochenende in Le Mans vorbeischaut, ist der Citroën von Staatspräsident François Hollande. In Le Mans dominieren jetzt die Deutschen. „Das ist unser Wohnzimmer“, hatte Porsche-Sportvorstand Wolfgang Hatz schon vor dem Rennen verkündet.
Die Entscheidung, dass ausgerechnet Porsche die Konzernschwester vom Thron stoßen durfte, geht auch auf das Konto des mittlerweile abgetretenen Patriarchen Ferdinand Piëch. Er selbst hatte eine große Vergangenheit in Le Mans, war er doch einer der Köpfe hinter dem Porsche 917, jenem legendären Rennwagen, der 1970 den ersten Sieg für Porsche einfuhr. Und der jüngste Erfolg in Le Mans ist auch eine Meisterleistung der Ingenieure: Nur vier Jahre hat man für die Entwicklung des neuen Sportwagens im schwäbischen Weissach gebraucht. Beeindruckend ist zugleich das Duell, das sich die Deutschen neben der Rennstrecke liefern. Direkt gegenüber von Konzernschwester Audi hat Porsche in zehn Monaten ein zweistöckiges „Experience Center“ mit 2900 Quadratmetern errichtet, eines von vier seiner Art weltweit. Pünktlich zum Rennen ist es fertig geworden.
Platzhirsch Audi mag es sogar noch etwas größer. Während der Konzern über Sparmaßnahmen diskutiert, wird in Le Mans noch geklotzt: Tausende Gäste haben die Hersteller eingeladen. Es gibt eine Liegewiese vor der Riesenleinwand. Zigarren, Champagner und Filetsteak sind inklusive. Selbst der Pizzabäcker wurde extra aus Rimini eingeflogen. Der VW-Konzern gönnt es seinen beiden rentabelsten Marken, die eigene Stärke angemessen protzig zu zelebrieren. Doch einer fehlte, für den die Dominanz der Deutschen sicher eine Genugtuung gewesen wäre. Ferdinand Piëch blieb auch diesem VW-Ereignis fern.
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