Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Abgastests mit Affen Rechtsabteilung von VW soll Tierversuche ausdrücklich gebilligt haben

Die Tierversuche deutscher Autobauer bekommen eine neue Dimension. Unterlagen legen nahe: Juristen von VW haben die Versuchsanordnung beeinflusst.
03.02.2018 - 15:00 Uhr Kommentieren
Schriftverkehr zeigt, wie sehr sich die VW-Rechtsabteilung in die Tierversuche einmischte. Quelle: dpa
Volkswagen

Schriftverkehr zeigt, wie sehr sich die VW-Rechtsabteilung in die Tierversuche einmischte.

(Foto: dpa)

Düsseldorf/Frankfurt Waren diese Deutschen noch ganz bei Sinnen? Jacob McDonald zweifelte mit jedem Tag mehr. Es war Sommer 2013 und der Studienleiter am Lovelace Respiratory Research Institute (LRRI) im US-Bundesstaat New Mexico erhielt immer neue Wünsche von Volkswagen. Dieselforschung lautete der Auftrag der Deutschen ursprünglich. Nach einer ganzen Welle von E-Mails schwante dem US-Forscher: Darum ging es gar nicht. Am 12. Juli 2013 schrieb McDonald an einen Mitarbeiter: „Wir müssen sehen, wie wir diese dumme Studie machen und noch brauchbare Ergebnisse kriegen. Brauche Hilfe!“

Heute ist es der Volkswagen-Konzern, der Hilfe braucht. Der Ruf des Fahrzeugherstellers ist ruiniert. Erst flog ein millionenfacher Betrug mit Dieselmotoren auf und kostete den Konzern Milliarden. Dann wurde öffentlich, welche Verrenkungen Volkswagen unternahm, um seine Dieselmotoren in ein besseres Licht zu rücken.

Ein VW-Manager fuhr einen VW-Beetle mit einem Diesel-Motor in eine Forschungseinrichtung auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Kirtland. Der Auspuff des Beetle wurde über einen Schlauch mit dem Glaskasten verbunden, in dem zehn chinesische Javaneraffen saßen. Vier Stunden lang atmeten sie die Abgase des VW-Beetle ein.

Der wissenschaftliche Sinn war fragwürdig, wussten die US-Forscher. Machte nichts, sagten die Deutschen. Volkswagen, aber nicht nur Volkswagen, machte sich Sorgen um den Ruf des Dieselmotors. Im Jahr zuvor hatte die Weltgesundheitsbehörde Dieselabgase als krebserregend eingestuft, das war nicht gut. Eine Diskussion um Fahrverbote war im Gang. Die deutschen Autobauer brauchten Argumente. Wissenschaftlich sauber mussten die nicht unbedingt sein. Aber es wäre gut, wenn sie von Wissenschaftlern kämen.

So wie die Tabakkonzerne vor 60 Jahren das Tobacco Institute in Washington D.C. einrichteten, um die gesundheitlichen Vorzüge von Zigaretten erforschen zu lassen, gründeten BMW, Daimler und Volkswagen 2007 in Berlin das EUGT, die Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor. Zweck: Finanzierung von Wissenschaftlern, die für den Diesel sprachen. Und die Beauftragung von Studien, die dieselkritische Forschungsergebnisse diskreditierten.

Jeder Konzern sandte einen Vertreter in den Vorstand des EUGT. Geschäftsführer war Michael Spallek, ein früherer Werksarzt von Volkswagen.

Es lag an Spallek, die Wünsche der Geldgeber an die Forscher weiterzugeben. Im Falle der Diesel-Studien am Lovelace Respiratory Research Institute in Albuquerque führte das zu einiger Verwirrung.

Im Juni 2013 meldete Spallek, er habe sich mit den VW-Anwälten beraten. Der Konzern tendiere dazu, für die Abgastests Primaten statt Menschen zu verwenden. Die VW-Anwälte „haben keinerlei Problem mit diesem Ansatz, weder vor wissenschaftlichem Hintergrund noch bezüglich Public-Relations-Fragen“, schrieb Spallek. „Also glaube ich, dass Sie auf dieser Basis fortfahren können.“

Studienleiter McDonald mochte nicht recht glauben, was er da las. Doch es gab keinen Zweifel. Spallek hatte die Mail nicht nur an ihn geschrieben, sondern auch noch Stuart Johnson zur Kenntnis gegeben, dem Leiter des US-Umweltbüros von VW. Auch Hans-Georg Kusznir aus dem EUGT-Vorstand stand cc. Und der frühere VW-Lobbyist Hans-Jürgen Schäfer. Die Deutschen machten keine Witze, merkte McDonald. Er leitete die Mail an einen Mitarbeiter weiter und schrieb dazu: „Ughh. Jetzt wollen die Diesel-Jungs also Affen statt Menschen untersuchen.“ 

VW: Der Monitor ist alarmiert

Weiterer Schriftverkehr zeigt, wie sehr sich die VW-Rechtsabteilung in die Tierversuche einmischte. Wenige Tage nach der Mitteilung, der Konzern wünsche Abgastests mit Affen, arrangierte Spallek ein Telefonat zwischen dem Chef des US-Labors und David Geanacopoulos, einem Juristen der amerikanischen VW-Tochter. Geanacopoulos freue sich darauf, weitere Informationen über Inhalationsstudien und die Versicherungen der Laborfirma zu erhalten, schrieb Spallek.

Der Mailverkehr offenbart, dass die Affäre tiefer reicht und unappetitlicher ist, als bislang bekannt. Ursprünglich wollten die Autokonzerne Menschen die Abgase einatmen lassen. Was die US-Forscher dabei nicht wussten: Der Dieselmotor des VW Beetle war manipuliert. Die Software des Autos erkannte, wann es auf der Straße fuhr und wann auf einem Teststand. Im Labor stieß der Motor weit weniger Stickstoffdioxid aus als im normalen Fahrbetrieb. Was immer die Forscher messen würden – die Ergebnisse waren für den Alltag nicht zu gebrauchen.

Nun, da all dies öffentlich ist, sind die Konzerne im Panikmodus. Volkswagen hat seinen Cheflobbyisten Thomas Steg beurlaubt. Einerseits logisch, weil die ganze Studie eine PR-Aktion war. Andererseits kann das für VW nicht alles sein. Wenn stimmt, was Vorstandschef Matthias Müller versprochen hat, müssen weitere Konsequenzen her. „Abstoßend“ nannte Müller die Tierversuche und kündigte „eine umfassende Aufklärung“ an.

Auch Daimler räumt auf und hat für die eigene Aufarbeitung eine externe Kanzlei engagiert. Der Manager, der Daimler im Lobbyverein EUGT vertrat, ist freigestellt. Bei BMW heißt es, ihr EUGT-Vorstand habe zwar „glaubhaft versichert, dass er die Beauftragung von Tierversuchen kritisch hinterfragte“. Inzwischen habe er aber selbst um seine Beurlaubung gebeten – bis alles aufgeklärt sei. Bei BMW läuft dies intern.

Diesen Luxus hat Volkswagen längst nicht mehr. Nach dem Dieselbetrug schickte das amerikanische Justizministerium 2017 einen Aufpasser in den Konzern: Der US-Anwalt Larry Thompson soll als so genannter „Monitor“ prüfen, ob die Kontrollinstanzen bei VW ausreichend sind, um weiteren Gesetzesverstößen vorzubauen. Nach Informationen des Handelsblattes hat Thompson in Sachen Javaneraffen bereits einen Aktenordner angelegt. Der Monitor werde sich „zeitnah über den Tierversuch sowie dessen Anbahnung informieren lassen“, sagt ein Insider. „Das kann teuer werden.“

Startseite
Mehr zu: Abgastests mit Affen - Rechtsabteilung von VW soll Tierversuche ausdrücklich gebilligt haben
0 Kommentare zu "Abgastests mit Affen: Rechtsabteilung von VW soll Tierversuche ausdrücklich gebilligt haben"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%