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Absprachen unter Autoherstellern Ein Kartell unter Freunden

VW, Daimler und andere Firmen sollen sich beim Einkauf von Stahl abgesprochen haben. Die Lieferanten wussten offenbar davon. Nach einer Razzia drohen hohe Strafen. Die Unternehmen dürfte es doppelt hart treffen.
05.07.2016 - 18:11 Uhr Kommentieren
Schon ein paar Euro weniger für eine Tonne Stahl spart den Herstellern Millionen.. Quelle: picture alliance/dpa
Daimler-Werk in Sindelfingen

Schon ein paar Euro weniger für eine Tonne Stahl spart den Herstellern Millionen..

(Foto: picture alliance/dpa)

Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart Für die Beamten des Bundeskartellamtes ist die deutsche Industrie schon lange kein unbekanntes Revier mehr. Mehrfach musste die Staatsdiener in den vergangenen Jahren zu Razzien ausrücken, um Unterlagen in den Zentralen von Konzernen zu sichern. Am Ende standen oft hohe Kartellstrafen. Die nächste droht nun den deutschen Autoherstellern. Am 23. Juni durchsuchten 50 Beamte des Kartellamts Räume bei BMW, Daimler und Volkswagen. Unterstützt wurden sie dabei von Mitarbeitern der örtlichen Polizei und der Landeskriminalämter, wie ein Sprecher berichtete. Ziel der Fahnder waren nicht nur die Zentralen der drei Autohersteller, sondern auch von drei Zulieferern. Neben Bosch und ZF Friedrichshafen zählt ein kleineres Unternehmen zum Kreis der verdächtigten Gesellschaften. Über die Durchsuchungen hatte zuerst die „Schwäbische Zeitung“ berichtet.

Die sechs Firmen sollen sich beim Einkauf von Stahl abgesprochen haben, vermuten die Wettbewerbshüter. Stahl ist einer der am häufigsten verwendeten Werkstoffe im Automobilbau. Mehrere Hundert Kilogramm sind in jedem Fahrzeug verarbeitet. Zwar kostet eine Tonne Stahl nur rund 500 Euro. Allerdings kaufen die VW-Gruppe, Daimler und BMW etliche Millionen Tonnen an Stahl Jahr für Jahr ein. Schon ein Preisabschlag von einigen Euro würde so einige Millionen an Einsparungen bringen, die sich direkt positiv im Ergebnis niederschlagen würden. Profitiert hätten von einer möglichen Absprache aber vor allem die Autohersteller. Denn da die Zulieferer deutlich weniger Stahl für ihre Produktion benötigen, wäre ihr Profit aus einem solchen Kartell überschaubar groß.

Ob sich der Verdacht nach den Razzien erhärten lässt, wird sich noch zeigen müssen. Nach Angaben aus informierten Kreisen haben sich die Kartellwächter auf das Verfahren gründlich vorbereitet. So liefen die Ermittlungen bereits seit Längerem. In dieser Zeit seien einige Indizien gesammelt worden, die den Verdacht erhärtet hätten.

Dem Vernehmen nach sollen die Stahllieferanten von den sechs verdächtigen Unternehmen zu Preisnachlässen aufgefordert worden sein, wie es in Kreisen heißt. Konkret soll es sich um Zuschläge drehen, die seit einiger Zeit für Rohstoffe auf den eigentlichen Stahlpreis aufgeschlagen werden.

Nach Informationen des Handelsblatts waren die Stahllieferanten über die Absprachen der Autohersteller informiert. Es gebe Hinweise darauf, dass dieses Vorgehen koordiniert gewesen sei, berichtete ein mit dem Verfahren vertraute Quelle. Ort dieser Absprachen sollen demnach reguläre Treffen wie etwa Veranstaltungen von Branchenverbänden gewesen sein. Laut einem Einkäufer von einem der drei Hersteller wurde in früheren Jahren über konkrete Preise gesprochen. „Dabei waren auch Vertreter der Stahlindustrie im Raum anwesend“, berichtete der Manager dem Handelsblatt.

Sollte das Bundeskartellamt diesen Verdacht erhärten können, dann hätten die sechs Gesellschaften gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Derartige Absprachen werden nach dem Gesetz als Kartell gewertet. Neben einem Bußgeld dürften dann Rückforderungen der betroffenen Stahlfirmen drohen.

„Wettbewerb ist der beste Verbraucherschutz.“ Quelle: dpa
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts

„Wettbewerb ist der beste Verbraucherschutz.“

(Foto: dpa)

Ein Sprecher des Kartellamtes äußerte sich nicht zum Stand der Ermittlungen. Er betonte indes, dass bis zum Abschluss des Verfahrens die Unschuldsvermutung für die sechs Konzerne gelte. Vertreter der betroffenen Unternehmen erklärten, dass sie mit den Behörden kooperierten. Kartelle würden nicht geduldet.

Auch wenn die Firmen von der Razzia überrascht wurden. Völlig neu sind Kartellvorwürfe gegen Autoproduzenten und deren Zulieferer nicht. In der Vergangenheit gab es etwa Kartelle auf dem Markt für Standheizungen und für Lastkraftwagen. Vor einem Jahr hatte Bosch erst knapp 60 Millionen Dollar in den USA an Bußgeld für Absprachen bei Zündkerzen zahlen müssen.

Was sind Versprechen wert?

Bosch-Chef Volkmar Denner hatte nach dem Kartellfall versichert, dass die Corporate Governance im Konzern deutlich verbessert wurde. Ein neuer Fall würde diese Aussage stark relativieren. Zumal Firmengründer Robert Bosch dem Unternehmen den Leitsatz hinterlassen hat „Die anständigste Art der Geschäftsführung ist auch die beständigste.“ Auf diesen beruft sich Bosch immer wieder.

Dieser Devise haben sich die Hersteller von Lastwagen nicht verpflichtet gefühlt. Die Europäische Kommission ermittelt unter anderem gegen Daimler, MAN und Scania wegen möglicher Absprachen. Dem Vernehmen nach droht den LKW-Produzenten das bis dato höchste Strafmaß, das jemals von der Brüsseler Behörde verhängt wurde. Den nun ins Visier geratenen Branchenvertretern könnten höhere Bußgelder drohen. Denn werden diese als Wiederholungstäter eingestuft, dann würde das vom Bundeskartellamt verhängte Bußgeld höher ausfallen. Voraussetzung ist natürlich, dass sich beim Stahleinkauf auch wirklich Absprachen belegen lassen.

Leidtragende eines solchen Kartells wären auf den ersten Blick die Stahlproduzenten. Für Thyssen-Krupp, Arcelor-Mittal und Voestalpine wäre dies eine ungewohnte Rolle. In den vergangenen Jahren waren sie selbst wegen illegaler Absprachen von den Wettbewerbswächtern überführt worden. Die Hüttenbetreiber hatten etwa die Preise für Edelstahl, Draht, Schienen und Weichen unter sich ausgeknobelt.

Die Konstellation der beteiligten Kartellsünder variierte dabei von Fall zu Fall. Klar war aber, dass die Stahlbranche für Kartelle höchst anfällig war. Der Markt der Anbieter ist überschaubar und die Vertreter der Unternehmen kennen sich

Nach Angaben von Insidern hatten sich einige Stahlhersteller auch bei Autoblechen abgesprochen. Diesem Verdacht ging auch das Bundeskartell nach. Vor drei Jahren waren die Beamten zu Durchsuchungen bei Thyssen-Krupp, Arcelor-Mittal und Voestalpine erschienen. Nach anderthalb Jahren war das Verfahren aber eingestellt worden, weil sich die Vorwürfe nicht belegen ließen.

Sinnlos dürften die damaligen Ermittlungen aber nicht gewesen sein. Die Erkenntnisse aus dem Verfahren seien in das aktuelle eingeflossen, sagte ein Insider dem Handelsblatt. Offen wäre dann aber die Frage, ob auch Vertreter der Stahlindustrie eingebunden gewesen wären.

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