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Aktie unter der Lupe US-Pharmakonzern Gilead weckt mit Corona-Medikament das Interesse der Anleger

Fusionsgerüchte und der Erfolg mit Remdesivir heizen den Aktienkurs von Gilead an. Doch noch immer ist der Pharmariese günstig bewertet.
07.07.2020 - 15:19 Uhr Kommentieren
Das Medikament von Gilead ist in den USA bereits zur Therapie von Covid-Patienten zugelassen. Quelle: dpa
Klinische Tests mit Remdesivir

Das Medikament von Gilead ist in den USA bereits zur Therapie von Covid-Patienten zugelassen.

(Foto: dpa)

Frankfurt Die US-Firma Gilead gehörte lange zu den unscheinbaren Akteuren im globalen Arzneimittelgeschäft. Doch das hat sich in jüngerer Zeit gründlich geändert. Immerhin ist das kalifornische Unternehmen zuletzt gleich zweifach ins Rampenlicht von Investoren und Öffentlichkeit gerückt: zum einen als Entwickler des bisher einzigen zugelassenen Medikaments zur Behandlung von Covid-19, zum anderen als vermeintlicher Übernahmekandidat, bei dem vor einigen Wochen angeblich der britische Pharmariese Astra-Zeneca angeklopft hat.

Beide Faktoren eignen sich theoretisch als ideale Kurstreiber. Aber sie sind zugleich mit erheblichen Unwägbarkeiten befrachtet. So ist völlig unklar, wie viel Substanz in den Fusionsspekulationen wirklich steckt. Die meisten Experten sehen für Astra-Zeneca aktuell weder die Notwendigkeit noch einen günstigen Zeitpunkt, einen großen Deal anzugehen. Signale aus dem Unternehmen selbst deuten darauf, dass es sich eher um eine fixe Idee von Investmentbankern handelte als um einen ernsthaften Plan des Managements.

Auch was den Hoffnungsträger Remdesivir angeht, sind die Effekte auf Geschäft und Bewertung des Konzerns vorerst schwer zu kalkulieren. In den US erhielt das Medikament bereits Anfang Mai eine Härtefall-Zulassung durch die zuständige Arzneimittelbehörde FDA. In der EU ist es jetzt auch zugelassen. Gilead bringt das Mittel nun zum Standardpreis von 2340 Dollar für den sechstägigen Behandlungszyklus auf den Markt.

Ein Viertel der geplanten Produktionsmenge von zwei Millionen Dosen hat sich bereits die US-Regierung gesichert. Geht man davon aus, dass Gilead auch die übrigen Mengen komplett verkauft, errechnet sich ein Zusatzumsatz von etwa vier Milliarden Dollar. Für ein Unternehmen mit zuletzt rund 22 Milliarden Dollar Jahresumsatz wäre das ein willkommener Wachstumsimpuls.

Allerdings ist die Produktion vergleichsweise kompliziert und damit teuer. Vor allem die längerfristigen Perspektiven für den Wirkstoff erscheinen zudem schwer kalkulierbar. Sollten tatsächlich, wie von vielen erhofft, schon 2021 wirksame Impfstoffe gegen Covid-19 zur Verfügung stehen, könnte die Nachfrage schnell wieder abflauen.

Solide fundamentale Daten

Investoren haben insofern guten Grund, sich nicht allein vom aktuellen Rummel um Remdesivir leiten zu lassen, sondern auch die fundamentalen Daten des Pharmaherstellers im Auge zu behalten.
Die können sich sehen lassen, zumindest was die längerfristige Performance angeht. Denn neben Firmen wie Amgen, Biogen und Celgene gehört Gilead zu den erfolgreichsten Aufsteigern aus der amerikanischen Biotechszene und ist dabei zu dem mit Abstand führenden Hersteller von antiviralen Medikamenten herangewachsen.

Von Anfang des Jahrtausends bis 2015 steigerte das US-Unternehmen seinen Umsatz um durchschnittlich etwa 40 Prozent pro Jahr, von 170 Millionen auf 32 Milliarden Dollar. Seither jedoch sind die Erlöse wieder um fast ein Drittel zurückgefallen und stagnieren derzeit bei etwa 22 Milliarden Dollar.

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Grundlage für den kometenhaften Aufstieg war zunächst eine Reihe erfolgreicher Aidsmedikamente. Ab 2013 folgte ein zusätzlicher Schub durch neuartige und hochwirksame Hepatitis-C-Medikamente, die inzwischen jedoch stark unter Konkurrenz- und Preisdruck geraten sind.

Gilead setzt zugleich Maßstäbe in Sachen Effizienz und Margen. Im Spitzenjahr 2015 erzielte der Konzern mehr als vier Millionen Dollar Pro-Kopf-Umsatz und eine operative Marge von fast 70 Prozent. Seither hat sich das Ergebnis zwar mehr als halbiert. Mit einem adjustierten Nettogewinn von 8,4 Milliarden Dollar, einem ähnlich hohen Free Cashflow und rund 44 Prozent Rendite vor Steuern und Zinsen (Ebit) gehört Gilead dennoch weiterhin zu den Topverdienern im Pharmageschäft.

Gemessen an diesen Zahlen wirkt die aktuelle Marktkapitalisierung von 96 Milliarden Dollar keineswegs überzogen. Sie entspricht lediglich dem Elf- bis Zwölffachen des Jahresgewinns (vor Sondereffekten), während die meisten Konkurrenten aus der Pharmabranche mit Kurs-Gewinn-Relationen von 14 bis 15 oder noch deutlich darüber gehandelt werden. Für den Astra-Zeneca-Konzern, der zuletzt nur gut halb so viel wie Gilead verdiente, zahlt der Markt aktuell rund das 30-Fache des Gewinns.

Seit Jahresbeginn hat die Gilead-Aktie zwar rund 20 Prozent zugelegt, sie notiert damit aber immer noch um rund ein Drittel unter ihrem Allzeithoch von 117 Dollar im Jahr 2015. Hintergrund der enttäuschenden Performance sind die bislang schwachen Wachstumsperspektiven. Für 2020 hat das Management bisher in etwa stabile Zahlen für Umsatz und Reingewinn in Aussicht gestellt, wobei Remdesivir allerdings noch nicht einbezogen war.

Wachstumsstarkes Aids-Geschäft

Als stabiler und weiter wachsender Bereich erweist sich vor allem das Geschäft mit Aidsmedikamenten, das zuletzt etwa 80 Prozent des Konzernumsatzes lieferte. Hier verspricht vor allem die Neuentwicklung Biktarvy weiter kräftige Umsatzsteigerungen, die allerdings teilweise durch den Patentablauf beim früheren Bestseller Truvada egalisiert werden.

Bei Hepatitis-Medikamenten kämpft der Konzern unterdessen weiter mit starkem Preisdruck aufgrund der Konkurrenz von Unternehmen wie Abbvie. Enttäuschend hat sich zudem das Engagement in der Onkologie entwickelt, darunter auch die für fast zwölf Milliarden Dollar erworbene Kite Pharma mit ihrer Zelltherapie Yescarta gegen Krebs. Die Forschung von Gilead in der Onkologie lieferte in den letzten Jahren kaum größere Erfolge. Auch mit dem Versuch, neue Medikamente gegen Lebererkrankungen wie die nicht alkoholbedingte Fettleber (NASH) zu entwickeln, ist das Unternehmen bisher weitgehend gescheitert.

Andererseits könnte das neu entwickelte Rheuma-Medikament Filgotinib nun Chancen eröffnen, im lukrativen Markt für Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen Fuß zu fassen. Der Wirkstoff befindet sich im Zulassungsverfahren für den Einsatz in der Rheumatherapie und wird darüber hinaus für eine Reihe weiterer Entzündungskrankheiten wie Morbus Crohn getestet.

Der seit gut einem Jahr amtierende neue CEO Daniel O’Day arbeitet zudem intensiv daran, die Forschung von Gilead auf eine breitere Basis zu stellen, und forciert diese Strategie mit einer Serie von neuen Allianzen und Zukäufen. Dazu gehören die im vergangenen Jahr deutlich erweiterte Kooperation mit der belgischen Biotechfirma Galapagos sowie diverse Deals im Bereich der Immunonkologie.

So verstärkte sich der Konzern jüngst mit der Übernahme des amerikanischen Biotechunternehmens Forty Seven und dem Einstieg beim Krebsforschungsunternehmen Pionyr, die beide an neuartigen Immuntherapien gegen Krebs arbeiten.

Die meisten Projekte der neuen Partnerschaften befinden sich zwar noch in frühen Entwicklungsstadien und werden sich im operativen Geschäft vorerst kaum niederschlagen.

Mittelfristig jedoch könnten sie dem US-Konzern zusätzliche Wachstumsperspektiven eröffnen. Zumindest für längerfristig orientierte Investoren sind Remdesivir und Übernahmespekulationen insofern nicht die einzigen Hoffnungsträger, die ein Engagement bei dem amerikanischen Biopharma-Konzern rechtfertigen.

Mehr: Vier Länder sichern sich Corona-Impfstoffe.

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