Arztbewertungsportal Burda verkauft Jameda an polnische Gesundheitsplattform Docplanner

(Bild: Tashi-Delek/istockphoto.com/Freepik.com)
Köln, Frankfurt Das 2007 gegründete Arztbewertungsportal Jameda bekommt ab dem kommenden Jahr einen neuen Besitzer. Die Gesundheitsplattform Docplanner übernimmt die bisher zum Medienunternehmen Burda Media gehörende Jameda für einen nicht genannten Preis.
Docplanner wurde 2012 vom Programmierer Mariusz Gralewski mit sechs Geschäftspartnern in Polen gegründet. Das Unternehmen entwickelt Softwarelösungen und Apps für Ärzte, Patienten und Kliniken und ist mit rund 1800 Beschäftigten in zwölf Ländern Europas und Südamerikas vertreten.
„Wir sehen den Zukauf von Jameda als einmalige Chance, in einen der größten europäischen Märkte einzusteigen und die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu prägen“, sagt Gründer Gralewski, der auch CEO von Docplanner ist. Das Unternehmen will in den nächsten zwei bis drei Jahren mehr als 250 Millionen Euro in neue Services und den Ausbau der Präsenz von Jameda investieren. Die Zahl der Mitarbeiter von aktuell rund 260 soll um „mindestens 200 neue Mitarbeiter wachsen“, so die Ankündigung von Docplanner.
Jameda soll auch weiterhin von der Geschäftsführung um CEO Florian Weiß geführt werden. „Jameda hat eine starke Marke. Vertrauen ist in der Gesundheitswirtschaft sehr wichtig“, sagt Gralewski. Außerdem würde sich Jameda gut mit der deutschen Regulatorik auskennen. „Das ist ein Riesenvorteil.“ Der Umbau in eine Terminbuchungsplattform, dem Markenkern von Docplanner, würde nun verstärkt vorangetrieben werden.
Burda hatte Jameda 2015 mit damals 40 Mitarbeitern für knapp 47 Millionen Euro von der Tomorrow Focus AG erworben. Zuletzt wurde 2019 kräftig investiert: Burda steckte rund 20 Millionen Euro in den Ausbau der Plattform. Jameda ist längst mehr als ein Arztbewertungsportal und bietet Ärzten und Patienten auch Services zur Terminbuchung sowie Videokommunikation über das Portal Patientus an.
Digitalisierung von Arztpraxen
Dieser Wandel hin zu mehr Software-Services ist auch ein Grund für den Verkauf, wie Burda-CEO Paul-Bernhard Kallen erläutert: „Zunehmend wurde aus der Kommunikationsplattform Jameda ein Unternehmen, das seine Zukunft in Softwareprodukten für die Digitalisierung der Arztpraxen sieht“, sagt er. In Docplanner habe man einen Eigentümer gefunden, der das Geschäft auch international ausbauen werde.
Docplanner betreibt eine Plattform für Gesundheitsdienstleistungen und ist ein Anbieter von SaaS-Lösungen (Software as a Service). Laut Unternehmen sind insgesamt rund 110.000 Ärzte Kunden von Docplanner. Fast 70 Millionen Patienten nutzen den Angaben zufolge die Plattform jeden Monat.
Die Idee, Docplanner zu gründen, kam dem heute 37-jährigen Gralewski, als er in Warschau vergeblich nach einem Dermatologen suchte. Inzwischen sei das Unternehmen ein Unicorn, sagt Gralewski. Es wird also mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet. Docplanner wird von führenden Investoren wie Point Nine Capital, Goldman Sachs Private Capital und One Peak Partners unterstützt und hat in verschiedenen Finanzierungsrunden mehr als 300 Millionen Euro Kapital erhalten.

Die Idee, Docplanner zu gründen, kam dem heute 37-jährigen Gralewski, als er in Warschau vergeblich nach einem Dermatologen suchte.
„Wir wollen Docplanner erst einmal als privates Unternehmen weiterführen und unsere Ausbaupläne umsetzen“, sagt Gralewski. „Grundsätzlich können wir uns in zwei, drei Jahren aber auch einen Börsengang vorstellen.“ Gemessen an der Milliardenbewertung von Docplanner und der Arzt- und Patientenzahlen dürfte Jameda deutlich mehr als 100 Millionen Euro wert sein. Jameda hat rund 17.000 Ärzte auf der Plattform, die monatlich von rund acht Millionen Patienten besucht wird. Zum Kaufpreis äußern sich die beteiligten Unternehmen nicht. Auch der Umsatz der beiden Internetplattformen wird nicht bekannt gegeben.
Nachdem Docplanner in den vergangenen Jahren seine multinationale Präsenz ausgebaut hat, liegt der Fokus nun in dem Ausbau der Softwarelösungen für die digitale Arzt-Patienten-Kommunikation. Die niedergelassene Ärzteschaft ist eine wichtige Zielgruppe. Gralewski will mit den Services den Ärzten ihren Praxisalltag erleichtern. Heute verbrächten Ärzte 50 Prozent ihres Arbeitstages mit Büroarbeit. Wenn sie diese Zeit in fünf Jahren in ihre Patienten investieren können, wäre das ein wichtiger Beitrag und ein riesiger Mehrwert, so Gralewski.
Der Verkauf von Software als Wachstumstreiber
Jameda-CEO Florian Weiß betont, dass Docplanner und Jameda dieselben Werte und Visionen teilen: Beide CEOs stehen auch schon seit Jahren im konstruktiven Austausch. „Ich würde sagen, Docplanner ist uns zwei Jahre voraus, aber die Entwicklungsgeschichte ist die gleiche. Der Verkauf von Software ist jetzt unser Wachstumstreiber“, sagt Weiß.

„Ich würde sagen, Docplanner ist uns zwei Jahre voraus, aber die Entwicklungsgeschichte ist die gleiche“, sagt Weiß.
Jameda hat in den vergangenen Jahren immer wieder durch Gerichtsverfahren für Aufmerksamkeit gesorgt, weil viele Ärzte nicht mit ihrer Listung und Bewertung einverstanden waren. Das letzte Gerichtsurteil ist erst einen Monat alt. Zwei Zahnärzte hatten eine Löschung ihres Jameda-Profils verlangt. Der Bundesgerichtshof wies jedoch die Klage ab.
Der französische Konkurrent Doctolib ist bereits seit 2016 in Deutschland aktiv. Er ist auf die Onlinebuchung von Arzt- und Klinikterminen spezialisiert. „Das Geschäftsmodell von Docplanner ist nicht vergleichbar mit dem, was wir tun", antwortet Ilias Tsimpoulis, Geschäftsführer des Berliner Standortes auf Anfrage des Handelsblatts. Ein Unterschied: Bei Doctolib können Patienten Ärzte nicht bewerten.
Dennoch gibt es mit der angebotenen Terminbuchungssoftware eine zentrale Überschneidung. Gralewski ist aber nicht der Meinung, dass Docplanner mit Doctolib konkurriert. Im Gegenteil: Andere Unternehmen sieht er als willkommene Innovationstreiber: „Wir treten gegen Gesundheitssysteme an, die wir strukturell verändern wollen, nicht gegen andere Start-ups“, sagt der CEO von Docplanner.
Mehr: Gericht weist Ärzteklagen gegen Bewertungsportal Jameda ab.
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