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Auswertung von Unterlagen Daimlers wegweisende Niederlage im Dieselskandal

Autobauer behindern mit juristischen Winkelzügen die Dieselermittlungen. Doch Daimler-Anwälte haben jetzt einen schweren Rückschlag erlitten.
04.05.2018 - 17:39 Uhr 1 Kommentar
Hunderte Beamte filzten im Mai 2017 die Daimler-Zentrale – und dürfen die Dokumente nun auch auswerten. Quelle: AFP/Getty Images
Daimler-Zentrale in Stuttgart

Hunderte Beamte filzten im Mai 2017 die Daimler-Zentrale – und dürfen die Dokumente nun auch auswerten.

(Foto: AFP/Getty Images)

Düsseldorf Das Aufgebot war groß. Rund 250 Staatsanwälte und Polizisten filzten im Mai 2017 die Büros des Stuttgarter Fahrzeugherstellers Daimler. Auch Wohnungen von Mitarbeitern wurden durchsucht. Die Beamten ermittelten „im Zusammenhang mit der Manipulation der Abgasnachbehandlung an Diesel-Pkws“.

Denn mit dieser Behandlung stimmte etwas nicht, so viel war klar. Messungen ergaben, dass Daimlers Selbstzünder auf der Straße viel mehr Abgase in die Luft pusteten als auf dem Prüfstand.

In Stuttgart und Umgebung nahmen die Ermittler deshalb Unterlagen mit und sicherten Daten. Operierte der Konzern bei der Abgasreinigung tatsächlich mit unlauteren Methoden?

Mithilfe von E-Mails, Protokollen und anderen Dokumenten wollten die Beamten herausfinden, was wirklich geschehen war und wer für den möglichen Betrug die Verantwortung trug.

Das war gut, fand Daimler. Konzernchef Dieter Zetsche hatte zwar 2015 die Devise ausgegeben, „dass bei uns nicht betrogen wird“. Später wurde die Führung jeder vorsichtiger und schrieb 2017 in einem Quartalsbericht, dass in den Stuttgarter Fahrzeugen „Funktionalitäten enthalten sein könnten“, die „möglicherweise unzulässig identifiziert wurden“. Man war sich halt nicht mehr ganz sicher. Um aufzuklären, kooperiere Daimler „vollumfänglich mit den Behörden“.

Oder auch nicht. Während die Pressestelle von Daimler verkündete, Transparenz sei ein hohes Gut, warfen die Konzernanwälte Nebelbomben und errichteten Barrikaden. Zwar konnte Daimler nicht verhindern, dass die Polizisten Gigabytes an Daten aus den Büros holten. Auswerten dürften sie diese aber nicht, meinten die Juristen, die Daimler eingeschaltet hatte.

Die Anwälte beriefen sich auf das Anwaltsgeheimnis. Es könne nicht sein, dass die Staatsanwaltschaft Unterlagen lese, die durch das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Juristen und dem Mandanten geschützt seien.

Daimlers Problem: Die deutschen Beamten hatten bei ihren Durchsuchungen auch vor den Büros der amerikanischen Kanzlei Gibson Dunn & Crutcher nicht haltgemacht. Diese war vom Vorstand beauftragt worden, die Dieselaffäre intern aufzuklären. Gibson Dunn & Crutcher hatte deshalb in Stuttgart eigene Räume eingerichtet – und die Polizisten hatten sie gefunden.

„Bitte fragen Sie nicht“

Daimlers Anwälte fanden an offizieller Stelle kein Gehör. Erst scheiterte ihr Protest gegen die Sicherstellung von Unterlagen vor dem Amtsgericht Stuttgart, am 26. März 2018 dann auch vor dem Landgericht. Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss gibt es nicht, die Entscheidung ist rechtskräftig.

Allenfalls zum Bundesverfassungsgericht hätten Daimlers Anwälte noch gehen können, doch so weit wollten sie es offenbar nicht treiben. Aus Justizkreisen ist zu hören, die US-Kanzlei habe sich bisher nicht gerührt. Daimler wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen. Gibson Dunn verweigerte ebenfalls Auskunft. Ein Kanzleisprecher: „Ich darf auch bitten, von weiteren Anfragen in dieser Sache abzusehen.“

Die Ermittler sehen die Bahn nun frei: „Die Beschwerde hat uns in den Ermittlungen gebremst, jetzt können wir die Unterlagen sichten und die Arbeit fortsetzen“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Ihre Ermittler können die Unterlagen gut gebrauchen.

Gibson Dunn & Crutcher untersuchen schon seit mehr als einem Jahr intern, wie die Abgasnachbehandlung bei Daimler ablief – und ob dabei illegale Software zum Einsatz kam. Wenn nun Staatsanwälte diese gesammelten Erkenntnisse nutzen dürfen, gewinnt die strafrechtliche Aufarbeitung der Dieselaffäre enorm an Fahrt.

In der Nachbarschaft von Daimler stockt sie noch. Auch drei Mitarbeiter von Porsche stehen auf der Beschuldigtenliste der Staatsanwaltschaft. Und auch bei Porsche wurden jüngst diverse Unterlagen zur Dieselthematik beschlagnahmt – der stolze Sportwagenhersteller möchte allerdings ebenfalls nicht, dass die Staatsanwaltschaft alle Dokumente liest. Die Porsche-Anwälte legten „vollumfänglich Widerspruch“ gegen eine Sichtung ein.

So gewinnt das Unternehmen Zeit. Inhaltlich liegt der Fall Porsche zwar wie der von Daimler, das Amtsgericht Stuttgart muss sich aber noch einmal ganz von Neuem mit der Sache befassen.

Sollte erneut im Sinne der Staatsanwaltschaft entschieden werden, kann auch Porsche in die nächste Instanz gehen. In Summe mag die Klärung Monate dauern. In der Zwischenzeit, sagt die Staatsanwaltschaft, „bleiben die Unterlagen erst mal bei uns. Aber wir sichten sie noch nicht.“

Porsche gehört zum VW-Konzern. Dort verschleppt man mit dem Prinzip „Mitnehmen, aber nicht berühren“ die Dieselaffäre schon seit Jahren. Als die Dieselaffäre 2015 ihren Anfang nahm, verpflichtete der Konzern die US-Kanzlei Jones Day für die „unabhängige Aufklärung“, wie es damals hieß.

Anfang 2017 war der Bericht der Kanzlei fertig. Doch statt ihn wie angekündigt zu veröffentlichen, schloss Volkswagen die Untersuchungsergebnisse weg. Als bei einer Durchsuchung der Konzerntochter Audi im März 2017 dann Unterlagen von Jones Day beschlagnahmt wurden, protestierten Kanzlei und Konzern.

Volkswagen spielt auf Zeit

Dabei bleibt es. Wie Daimler scheiterten auch die Audi-Anwälte mit dem Begehr, die zur Aufklärung gedachten Dokumente vor der Staatsanwaltschaft zu verbergen. Erst wies das Amtsgericht München eine solche Forderung zurück, dann das Landgericht.

Anders als Daimler stellten die Anwälte der VW-Tochter aber auch die Verfassungsfrage. Jones Day brachte den Fall zusammen mit VW vors Bundesverfassungsgericht. Die Beschwerde richtet sich gegen die Durchsuchung und gegen die Sicherstellung der Unterlagen. So verrinnt die Zeit. Ein Gerichtssprecher erklärt: „Ein konkreter Entscheidungstermin ist nicht absehbar, die einstweilige Anordnung läuft noch bis Juli.“

Sollten die Staatsanwälte die Unterlagen tatsächlich lesen dürfen, muss sich bei VW ein neuer Konzernchef mit den Folgen befassen. Matthias Müller quittierte kürzlich seinen Job. Angetreten war er im September 2015 mit dem Versprechen der „maximalen Transparenz“. Die Informationen zur Dieselaffäre verteidigte er bis zu seinem letzten Arbeitstag.

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1 Kommentar zu "Auswertung von Unterlagen: Daimlers wegweisende Niederlage im Dieselskandal"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Was ist das für ein Rechtsstaat?
    Wenn die Staatsanwaltschaft die vertraulichen Unterlagen zwischen Mandant und Anwalt beschlagnahmt?
    Wann hört die Staatsanwaltschaft Gespräche zwischen Gläubigen und Priester ab?

    Beides ist kontraproduktiv, da bei Klärung von Problemen auch immer Phantasien, persönliche Einschätzungen und Ängste besprochen werden und nur wenn der Bereich Anwalt und Priester geschützt bleibt, dies auch zu guten Ergebnissen führen kann.

    Armes Deutschland - Du gibst Deine hohen, richtigen, wichtigen und guten Rechtsgrundsätze auf.

    Ich fände es sehr gut, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung treffen würde!

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