Handelsblatt Autogipfel Warum Volkswagen erst jetzt mit E-Autos durchstartet

Noch läuft das Geschäft mit der E-Mobilität in Deutschland schleppend. Dennoch setzt Volkswagen große Hoffnungen in ihre Zukunft.
Wolfsburg „Man muss da schon die Kirche im Dorf lassen“, hatte der damalige Volkswagen-Chef Matthias Müller vor rund einem Jahr über Konkurrent Tesla gesagt. Volkswagen dem E-Auto-Pionier gegenüberzustellen, sei wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Denn Tesla verbrenne pro Quartal einen dreistelligen Millionenbetrag.
Müller musste inzwischen seinen Posten räumen. Tesla hat zuletzt einen Quartalsgewinn von 312 Millionen Dollar verkündet. Und Volkswagen hat endgültig damit abgeschlossen, die Elektromobilität zu belächeln – und setzt stattdessen voll darauf.
„Wir schaffen es noch einmal, den Automarkt zu revolutionieren“, sagte Thomas Ulbrich beim Handelsblatt-Autogipfel. Ulbrich ist seit Februar 2018 Mitglied des VW-Markenvorstands für das neu geschaffene Ressort E-Mobilität. Im Jahr 2025 wird der VW-Konzern nach den aktuellen Plänen allein in der Bundesrepublik jährlich etwa eine Million Elektrofahrzeuge fertigen. Das sind etwa 20 Prozent der heutigen deutschen Pkw-Fertigung aller Hersteller.
Als Symbol für die neue Zeit bei Volkswagen soll das Werk in Zwickau werden. In der Fabrik mit 8.000 Beschäftigten will der Konzern mit der Massenfertigung von Elektrofahrzeugen beginnen, nach 2021 sollen allein aus Zwickau jedes Jahr voraussichtlich 330.000 batteriebetriebene Fahrzeuge vom Band laufen. Damit entsteht in Zwickau die größte E-Auto-Fabrik Europas.
Kürzlich hatte VW bekanntgegeben, dass auch in Hannover und Emden E-Autos gebaut werden sollen. Volkswagen will außerdem ein neues Werk in Nordamerika errichten, um dort Elektrofahrzeuge für den US-Markt herzustellen. Die Gespräche und Überlegungen zur Auswahl des Standortes liefen bereits, so Ulbrich. „Bis 2022 werden wir an 16 Standorten weltweit E-Autos produzieren“, berichtete Ulbrich.
Doch die aktuellen Zahlen bei Volkswagen zeugen weiter von Elektro-Tristes. Mit 55.000 verkauften E-Autos und Plug-In-Hybriden zwischen Januar und August 2018 reiht sich der größte Autokonzern der Welt laut EV Sales nur auf Platz sieben unter den E-Auto-Herstellern ein. An der Spitze steht Tesla mit über 115.000 E-Autos.
Ulbrich aber macht sich nichts aus diesen Zahlen. „Der Zeitpunkt ist jetzt der Richtige“, um im Bereich Elektromobilität richtig durchzustarten, sagte er. Denn jetzt seien zwei der drei entscheidenden Voraussetzungen für E-Autos geschaffen.
Zum ersten könne man E-Autos mittlerweile zu bezahlbaren Preisen anbieten. Und auch die technische Entwicklung biete nun die Möglichkeit, Autos mit entsprechenden Reichweiten herzustellen. Allein die Ladeinfrastruktur in Deutschland ließe noch zu wünschen übrig. „Da ist Deutschland nicht unbedingt ganz vorne mit dabei“, sagte Ulbrich beim Autogipfel.
Eine Untersuchung der EU-Informationsplattform EAFO aus dem Juli 2017 ergab, dass in Deutschland 25 Ladesäulen auf 100.000 Einwohner kamen. In Norwegen waren es 185, in den Niederlanden 180.
„Ich glaube, dass dieser Weg mit hohem Tempo vorangegangen und es da keine weiteren Engpässe geben wird“, sagte Burkhard Göschel beim Autogipfel über den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Der Ex-Magna-Technikvorstand ist der Meinung, dass für die Elektromobilität entscheidend sei, „Emotionalität zu kreieren“. Das habe Tesla vorbildlich geschafft. Göschel ist mittlerweile beim Automobilsport-Dachverband FIA angestellt.
Einen Teil zur Emotionalität könne auch der Rennsport beitragen – etwa die Rennserie Formula E, an der ausschließlich Batterie-Fahrzeuge teilnehmen. Porsche steigt dort demnächst ein.
Insgesamt läuft das Geschäft mit E-Autos in Deutschland schleppend. 50.000 Batterie-Fahrzeuge wurden in Deutschland zwischen Januar und September 2018 neu zugelassen, nach 37.000 im Vorjahreszeitraum. Damit liegt die größte Volkswirtschaft Europas kontinental nur auf Platz zwei hinter Norwegen mit 52.000 Fahrzeugen. China ist nach wie vor Marktführer mit 718.000 Neuzulassungen. Vor einem Jahr waren es dort noch 400.000.
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