Autobauer Benjamin Gruschka wird neuer Betriebsratsvorsitzender bei Ford in Köln

Bei Ford in Köln ist er von der IG Metall langfristig über Jahre hinweg als Nachfolger von Martin Hennig aufgebaut worden; als Mitglied des Betriebsrats und als Chef der Vertrauensleute.
Foto: IG Metall
Düsseldorf Generationenwechsel in schwierigen Zeiten: Benjamin Gruschka wird neuer Betriebsratsvorsitzender bei Ford in Köln. Die Arbeitnehmervertretung bestätigte seine Wahl am Freitag nach einem Treffen des Gremiums.
Benjamin Gruschka, 41, tritt die Nachfolge von Martin Hennig, 62, an, der sich nach acht Jahren als Vorsitzender am wichtigsten deutschen Ford-Standort aus dem Betriebsrat zurückzieht. Hennig bleibt zunächst noch Gesamtbetriebsratsvorsitzender aller deutschen Standorte. Gruschka soll auf absehbare Zeit auch diesen Posten übernehmen.
Die IG Metall leitet damit an einem weiteren wichtigen Autostandort einen schrittweisen Generationenwechsel in der Arbeitnehmervertretung ein. Die Gruppe der 40-Jährigen übernimmt die Führung und löst die 60-Jährigen ab. Seit dem Frühjahr steht Daniela Cavallo, 46, in Wolfsburg an der Spitze des VW-Betriebsrats. Sie hatte den Posten vom langjährigen Vorsitzenden Bernd Osterloh, 65, übernommen.
Auf Benjamin Gruschka kommt bei Ford in Köln die ungleich schwerere Aufgabe zu. Der US-Konzern ist in Deutschland und ganz Europa seit einem Jahrzehnt auf Schrumpfkurs. Die Pkw-Verkaufszahlen gehen immer weiter zurück. Entsprechend schrumpfen die Produktion und die Bedeutung der eigenen Fabriken. Nur mit Transportern und leichten Nutzfahrzeugen verdient Ford in Europa gutes Geld. Doch diese Vehikel kommen nicht aus den deutschen Pkw-Werken Köln und Saarlouis, sondern aus der Türkei.
Benjamin Gruschka weiß genau, auf was er sich einlässt. Bei Ford in Köln ist er von der IG Metall langfristig über Jahre hinweg als Nachfolger von Martin Hennig aufgebaut worden; als Mitglied des Betriebsrats und als Chef der Vertrauensleute. Auch bundesweit hat er sich als Mitglied des IG-Metall-Vorstands einen Namen in den Gewerkschaftsreihen gemacht.
Bei Ford hat Gruschka bereits empfindliche Einschnitte erlebt – wie den letzten großen Sanierungsplan Anfang 2019. Allein an den deutschen Standorten hat Ford seine Belegschaft von zuvor rund 25.000 auf etwa 20.000 reduziert. Weitere 5000 Beschäftigte mussten an den restlichen europäischen Standorten gehen.
Es drohen weitere Einschnitte
Gruschka lässt sich von der schwierigen Lage bei Ford nicht abschrecken. „Einer muss den Job doch schließlich machen“, sagt er mit einer Spur Selbstironie. Schon im kommenden Jahr könnten auf den neuen Betriebsratsvorsitzenden die nächsten unangenehmen Entscheidungen des Unternehmens zukommen. Beschlüsse, auf die er nur begrenzt Einfluss nehmen kann.
Mit aller Deutlichkeit zeichnet sich ab, dass bei Ford eine weitere Runde des anhaltenden Schrumpfkurses ansteht. Größter Problemfall ist die Ford-Fabrik in Saarlouis, wo Auslastung und Produktion nur noch bis zum Frühjahr 2025 gesichert sind. Aktuell läuft dort das Kompaktmodell Focus von den Bändern. Die Fabrik im Saarland kommt auf etwa 5000 Beschäftigte.
Ford hat für seinen europäischen Konzernteil eine große Elektrifizierungsoffensive angekündigt. Von 2030 an will der US-Autohersteller in Europa nur noch vollelektrische Pkw verkaufen, nicht einmal mehr Hybride stehen dann im Modellprogramm. Eines der heute noch vorhandenen europäischen Autowerke wird dann aus Ford-Sicht nicht mehr gebraucht. Zur Disposition stehen Saarlouis und eine Fabrik nahe von Valencia in Spanien.
Benjamin Gruschka will sich natürlich für die Kollegen im Saarland einsetzen. Doch auch er tut sich schwer mit einer Einschätzung darüber, wie sich der US-Konzern am Ende entscheiden wird. „Wir müssen sehen, was kommt“, sagt der neue Betriebsratschef.
Die Entscheidung über die Zukunft von Saarlouis dürfte wahrscheinlich im neuen Jahr fallen. Das Unternehmen wollte sich bislang nicht konkret darauf festlegen, wann der Beschluss tatsächlich ansteht. Klar ist bislang nur, dass die Entscheidung nicht erst 2025 auf die Tagesordnung kommt, wenn der Focus in Saarlouis ausläuft. „Aus dem Produktzyklus heraus muss man viel früher sagen, wo es langgehen soll“, sagte Ford-Deutschlandchef Gunnar Herrmann zuletzt im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Selbst wenn den Betriebsräten die Rettung von Saarlouis im nächsten Jahr doch noch gelingen sollte, wird die Zeit danach nicht einfacher. Ford wird wahrscheinlich weitere Standorte aufgeben. Aktuell kommt der US-Konzern in Europa auf fünf Motorenwerke, eines davon in Köln mit etwa 800 Beschäftigten. Mit der vollständigen Elektrifizierung des Modellprogramms bis zum Jahr 2030 braucht Ford in Zukunft weder Benzin- noch Dieselaggregate. Benjamin Gruschka wird sich also mit weiteren Schließungsplänen auseinandersetzen müssen.
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