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BMW

100 Beamte haben am Dienstag Standorte des Autoherstellers durchsucht.

(Foto: BMW)

Autobauer Panne oder Vorsatz? In der Dieselaffäre um BMW steht Aussage gegen Aussage

Der Verdacht, manipuliert zu haben, lastet nun auch auf BMW. Was der Autohersteller als Irrtum darstellt, werten Strafverfolger als möglichen Betrug.
21.03.2018 - 18:10 Uhr Kommentieren

München, Düsseldorf, Frankfurt Wer eines der weltweit 16 BMW-Werke besucht, der lernt schnell: Hier ist nichts dem Zufall überlassen. Mit penibler Gründlichkeit wird die Verwendung jeder Schraube verfolgt, jede aufgespielte Software dokumentiert. Der Besucher erfährt, dass die Qualität des Produkts und die Effizienz in seiner Herstellung höchste Aufmerksamkeit genießen.

So wurde in den vergangenen 20 Jahren aus dem Nischenhersteller BMW ein Global Player, dessen größtes Werk nicht mehr in Niederbayern, sondern in South Carolina und damit im Südosten der USA steht. Es ist ein Konzern, der in diesem Jahr mehr als 100 Milliarden Euro Umsatz machen wird und im kommenden Jahrzehnt selbstfahrende Autos auf die Straße schicken will.

Doch die besten Prozesse reichen manchmal nicht aus, um einen verhängnisvollen „Fehler“ zu verhindern. So stellen die Verantwortlichen bei BMW jedenfalls jenen Vorfall dar, der am Dienstag die Staatsanwaltschaft München zu einer Razzia veranlasste.

Demnach lieferte BMW über zwei Jahre „irrtümlich“ Autos mit einer falschen Abgassoftware aus. 11.400 Limousinen der 5er- und 7er-Reihe mit starkem Dieselmotor und Allradantrieb erhielten 2012 entweder ab Werk oder später in der Inspektion eine Software, die eigentlich für die Geländewagen der X-Reihe entwickelt wurden.

Das Problem laut BMW: Die Motorsteuerung der neueren X-Modelle ist auf eine zweistufige Abgasreinigung mit Stickoxidfilter und SCR-Katalysator ausgelegt – doch das zweite System fehlt in den Limousinen, da diese früher entwickelt worden waren und das doppelte System für ihre Zulassung noch nicht brauchten.

Die neue Motorsteuerung schaltet den ersten Filter aber nach rund 20 Minuten ab – denn ihrer Logik nach gibt es einen SCR-Kat, der auf längeren Strecken greift. Im Ergebnis stoßen die Autos nun mehr Schadstoffe aus. Eine „peinliche Panne“ nennen BMW-Verantwortliche den Vorgang, der aus ordentlich zugelassenen Autos einen Fall für die Behörden macht.

BMW hat den Vorgang nach einer internen Überprüfung im Februar selbst dem Kraftfahrt-Bundesamt ( KBA ) gemeldet. Doch was der Autohersteller als Irrtum darstellt, werten die Strafverfolger als möglichen Betrug. Es steht Aussage gegen Aussage.

„Es besteht der Anfangsverdacht, dass die BMW AG eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung verwendet hat“, erklärte die Staatsanwaltschaft München und durchsuchte am Dienstag die Konzernzentrale und das Forschungszentrum in München sowie das Motorenwerk im österreichischen Steyr.

BMW-Chef: „Kein Defeat Device“

Ihre Sichtweise: BMW hat eine Software aufgespielt, die nur dann die Abgase reinigt, wenn das Auto auf einem Prüfstand steht. Zu der Behauptung von BMW, der Einbau der Abschalteinrichtungen sei ein Versehen gewesen, hieß es auf Nachfrage, dass man das so nicht einfach hinnehmen könne. „BMW hat uns das so gegenüber dargestellt, und das werden wir nun überprüfen“, sagte Behördensprecherin Anne Leiding.

Vorsatz oder Irrtum? Sicher ist: Mit der Razzia in der Konzernzentrale einen Tag vor der Bilanzpressekonferenz gerät BMW nun auch in den Verdachtskreis jener Autohersteller, die den Graubereich legaler Abgasgestaltung möglicherweise verlassen haben. Dabei waren es die Münchener, die seit Ausbruch der Dieselkrise Mitte 2015 stets auf die sauberste Weste in der deutschen Autoindustrie verweisen konnten.

Während VW und Audi in den USA wegen nachweislich manipulierter Motorsteuerungen zu hohen Milliarden-Strafen verurteilt wurden, riss kein einziger BMW in Straßentests die hohen Anforderungen der US-Behörden. Und während beim Erzrivalen Daimler bereits seit mehr als einem Jahr die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart laufen, blieb es bei BMW auffällig ruhig.

Zuletzt scheiterte die umtriebige und nicht minder erfolgreiche Deutsche Umwelthilfe mit dem Versuch, dem BMW 320d ein „Defeat Device“, also eine illegale Abschalteinrichtung, nachzuweisen. „Es gibt kein Defeat Device bei der BMW Group“, beteuert Konzernchef Harald Krüger nach wie vor. Zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft München äußert er sich persönlich nicht.

Eine schwierige Situation für den 52-Jährigen, der am Mittwoch in München bei der Bilanzpressekonferenz eigentlich eine neue Aufbruchstimmung erzeugen wollte. Krüger führt das Unternehmen nun seit fast drei Jahren und hat damit mehr als die Hälfte seines bis 2020 datierten Vertrags absolviert. Sein Optimismus speist sich aus den guten Zahlen, die BMW trotz Dieselkrise und zusätzlicher Investitionen in Elektroantriebe liefert.

Erstmals verdiente BMW zehn Milliarden Euro vor Steuern, 2018 wird der Konzern mehr als 100 Milliarden Euro umsetzen. Ohne einen konkreten Ausblick zu nennen, kündigte Krüger für 2018 das neunte Rekordjahr in Folge an. „In allen Bereichen des Unternehmens erhöhen wir die Schlagzahl des Handelns“ versprach Krüger, der trotz der Razzia vom Vortag selbstbewusst und entschlossen wirkte.

Rückenwind könnte ihm in den kommenden zwei Jahren die Modellpolitik geben. Mit dem neuen Geländewagen X2 und der Produktionsausweitung beim X3 wird BMW die Stückzahlen im wachsenden Markt für kompakte Geländewagen wohl deutlich steigern.

Anfang 2019 dürfte die Neuauflage der 3er-Reihe folgen, der volumenstärksten Baureihe der Münchener. Mit dem X7 kommt ein Luxus-SUV ins Programm, das vor allem für den US-Markt, den Nahen Osten und China entwickelt wurde.

Große Hoffnungen setzt BMW auf die 8er-Reihe, die dem Erzrivalen Mercedes zusetzen soll. Die hochpreisigen Coupés sollen die Profitabilität in München langfristig sichern. Krüger verspricht eine operative Marge von acht bis zehn Prozent, um die hohen Investitionen finanzieren zu können. Im vergangenen Jahr lag der Wert in der Autosparte kontinuierlich gegenüber 2016 bei 8,9 Prozent.

Investoren fordern Transparenz

Das ist auch nötig, denn die hohen Aufwendungen in Forschung und Entwicklung werden den Konzern noch einige Jahre begleiten. Wie die Konkurrenten Audi und Mercedes kämpft man in München mit der Erreichung der Klimaziele, die mit dem Ausbau des SUV-Angebots und dem Rückgang der relativ verbrauchsfreundlichen Dieselmotoren noch schwieriger zu erreichen sind.

Das sind die Bestseller von BMW
Platz 10 - Mini Countryman - 84.888 verkaufte Fahrzeuge*
1 von 10

Den Auftakt in der Reihe der zehn Bestseller von BMW macht der Crossover der kleinen Schwester. Der Absatz des Countryman ist im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent gestiegen.

*Stand: Gesamtjahr 2017, Quelle: BMW Geschäftsbericht

(Foto: dapd)
Platz 9 - BMW 4er - 131.688 verkauft Fahrzeuge
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Den Auftakt in der Reihe der BMW-Modelle macht dieses Mittelklassefahrzeug. Der Absatz ist zwar um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Das reicht aber noch für Platz neun.

(Foto: dpa)
Platz 8 - BMW X3 - 146.395 verkaufte Fahrzeuge
3 von 10

Die Konkurrenz im Segment der kompakten SUVs wird immer enger. Durch die Umstellung auf das neue X3-Modell kam es 2017 zu einem Absatzrückgang um 6,8 Prozent.

(Foto: AP)
Platz 7 - BMW X5 - 180.905 verkaufte Fahrzeuge
4 von 10

Die dritte Generation des SUVs bleibt ein Verkaufserfolg. Im vergangenen Jahr stieg der Absatz des Modells um 8,8 Prozent.

(Foto: PR)
Platz 6 - BMW 2er - 181.113 verkaufte Fahrzeuge
5 von 10

In der Nomenklatur der Münchener ist der 2er eine der jüngsten Modellreihen. Das Coupé ging im März 2014 an den Start. Nach dem starken Start sanken 2017 die Verkaufszahlen allerdings um knapp acht Prozent.

(Foto: dpa)
Platz 5 - Mini Cooper - 194.070 verkaufte Fahrzeuge
6 von 10

Egal welche Generation – der britische Klassiker hat sich längst zu einem der Bestseller der Münchener entwickelt. Im vergangenen Jahr sanken die Verkäufe aber um gut zwei Prozent.

(Foto: PR)
Platz 4 - BMW 1er - 201.968 verkaufte Fahrzeuge
7 von 10

2017 präsentierte BMW den Kompaktwagen erstmals mit Vorderradantrieb. Der Absatz des Modells stieg im vergangenen Jahr um satte 14,7 Prozent.

(Foto: PR)

Zwar gelang es BMW im vergangenen Jahr, den Absatz von Elektroautos und Hybriden auf über 100.000 Stück zu steigern, das ist ein Plus von rund 65 Prozent. Ein Kraftakt, der den Konzern in der Kohlendioxid-Bilanz aber nur um zwei Gramm verbesserte.

BMW liegt nun bei 122 Gramm pro Kilometer im Flottenschnitt und damit gut ein Fünftel über dem von der EU geforderten Zielwert für das Jahr 2021. Man habe einen Plan, wie man die restlichen 20 Gramm erreicht, sagte Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich. Allerdings müsse der Kunde mitspielen – und zusätzliche Elektroautos kaufen.

Die Antriebspolitik bleibt eine Gratwanderung, und BMW muss beim Thema Abgas glaubhaft bleiben. Zwar haben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft den Aktienkurs nicht beeinflusst, dennoch verfolgt die Börse die Vorgänge genau.

„Wir gehen davon aus, dass BMW vollumfänglich mit den Behörden kooperiert und absolute Transparenz herstellt, so wie es angelsächsische Unternehmen in ähnlichen Fällen auch gemacht haben“, hieß es am Mittwoch aus dem Kreise der Investoren. „Selbst wenn es eine Panne gewesen ist, muss man sich fragen, warum das offenbar recht lange unbemerkt blieb.“

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