Autohersteller Opel-Chef Michael Lohscheller will in den „Angriffsmodus“ schalten

Der Opel-Chef will 2021 wieder mehr Marktanteile erobern.
München Was bei den drei deutschen Autoriesen Volkswagen, Daimler oder BMW geradezu selbstverständlich ist, mutet bei Opel nach wie vor wie etwas ganz Besonderes an. Der Rüsselsheimer Fahrzeughersteller zahlt seinen gut 15.000 Mitarbeitern in Deutschland im April eine Prämie von 500 Euro aus – das zweite Mal überhaupt seit 1997.
Möglich wird die Erfolgsbeteiligung, weil Opel selbst im Seuchenjahr 2020 schwarze Zahlen schreiben konnte. Der Betriebsgewinn liegt bei 527 Millionen Euro, die bereinigte Umsatzrendite bei 4,1 Prozent. „Opel ist ein nachhaltig aufgestelltes Unternehmen – auch in stürmischen Zeiten“, schreibt Markenchef Michael Lohscheller an seine Truppe. Die Ära ständiger Verluste in Rüsselsheim ist längst passé.
Kostendisziplin bleibe zwar das oberste Gebot. Aber: „Sind wir hier erfolgreich, haben wir allen Grund, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen“, betont Lohscheller. 2021 werde ein starkes Jahr für Opel. „Wir schalten in den Angriffsmodus“, bekundet der Zweimetermann. Intern sehen freilich nicht alle die Zukunft so rosig. „Opel wurde unter Stellantis degradiert“, heißt es etwa im Kreis einiger leitender Angestellter.
Tatsächlich gibt es einige Indizien für eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Unter dem Dach von Peugeot S.A. war Opel-Chef Lohscheller schließlich noch Mitglied im vierköpfigen Konzernvorstand und zudem im 18-köpfigen Executive Committee für die Region Eurasien zuständig. Nach der Fusion von PSA mit Fiat Chrysler (FCA) Mitte Januar zu Stellantis und damit zum viertgrößten Autobauer der Welt ist Lohscheller aber nur noch CEO der Marke Opel.
Mit dem Abgang von Xavier Duchemin verlor Lohscheller zudem jüngst seinen Vertriebschef. Die Geschäftsführung der Opel Automobile GmbH schrumpfte damit von fünf auf vier Personen. Stephen Norman, der Nachfolger von Duchemin im Sales-Bereich, agiert lediglich als „Senior Vice President“ eine Hierarchieebene unterhalb der Geschäftsführung. Innerhalb von Stellantis droht der deutsche Traditionshersteller im Wettstreit mit 13 weiteren Marken zerrieben zu werden, fürchten viele gestandene Opelaner.
Lohscheller: „Opel hat Gewicht und Stimme“
„Die Bedeutung von Opel im Stellantis-Konzern sehe ich in keiner Weise abgewertet“, widerspricht Lohscheller den internen Skeptikern. „Ganz im Gegenteil: Opel hat Gewicht und Stimme. Das merke ich in allen Meetings“, sagte Lohscheller dem Handelsblatt. Der neue Kompakt-SUV Mokka sei ein gutes Beispiel dafür, dass sich Opel trotz geteilter Plattformen klar von den Schwestermodellen abheben könne.
Interner Wettbewerb wirkt aus Lohschellers Sicht zudem belebend. „Einer der Gründe, warum Opel so schnell profitabel wurde, ist, weil wir den internen Vergleich zu Citroën und Peugeot hatten.“ Diese „Power of Benchmarking“ sporne alle zu Höchstleistungen an.
Im Rüsselsheimer Entwicklungszentrum ITEZ geht dennoch die Sorge um, bald wichtige Aufgaben im Konzern verlieren zu können. Unklar ist etwa, ob Opel künftig auch für alle Stellantis-Marken Plattformen und Module für leichte Nutzfahrzeuge entwickeln wird. Fiat verfüge im Transportergeschäft eigentlich über mehr Know-how, heißt es in Konzernkreisen. Gleiches gilt für die Fahrzeugentwicklung für den US-Markt. Es sei „schwer vorstellbar“, dass diese Kompetenz bei Opel verbleibe.
„Wir sind gerade mit Hochdruck dabei, etwa in der Entwicklung die künftige gemeinsame Zusammenarbeit aufzusetzen“, erklärt Lohscheller. Dieser Prozess – was macht der eine, was macht der andere – sei aber noch nicht abgeschlossen. „Nach sechs Wochen hat man noch nicht alle Antworten in so einem Konzern parat“, so Lohscheller. Er verspricht aber: Alle Opel-Fahrzeuge werden weiter in Rüsselsheim entwickelt und designt. Das ITEZ bleibe darüber hinaus das Herz der Marke.
Eine Verkleinerung des Herzstücks ist aber durchaus denkbar. Denn Lohscheller drückt beim geplanten Abbau von 2100 Stellen bis Ende 2021 aufs Tempo. Erst Anfang des Jahres wurden dafür mit dem Einkauf und dem Process & Manufacturing Engineering (PME) neue „Fokusbereiche“ definiert. Jeder, der in einer dieser Abteilungen arbeitet, weiß: Er steht auf der Abschussliste.
Droht eine Reorganisation der Entwicklungsabteilung?
Aber auch einigen Beschäftigten im ITEZ, die nicht direkt in den Fokusbereichen arbeiten, werde mittlerweile von Vorgesetzten zu verstehen gegeben, dass ihre aktuelle Stelle „nicht sicher sei“, warnte der Betriebsrat Ende Februar in einer internen Rundmail. Die offene Frage: Droht eine erneute Reorganisation im ITEZ?
Lohscheller sagt dazu nur so viel: „Erst mal ist es wichtig, bestehende Vorhaben umzusetzen.“ Und zwei wichtige Themen seien „noch nicht zu Ende“: das Freiwilligenprogramm in den Fokusgruppen und Anpassungen in der Altersversorgung. „Diese Themen gilt es jetzt gut abzuschließen“, so Lohscheller.
Insbesondere bei der Opel-Rente drängt der Manager auf eine Korrektur: „Eine garantierte Verzinsung der Altersvorsorge von fünf Prozent ist im aktuellen Zinsumfeld einfach nicht mehr darstellbar. Das ist die Wahrheit.“ Bis dato lehnt der Betriebsrat aber jedwede Kürzung bei der Betriebsrente ab.
Wichtiger als weitere Einsparungen ist für Opel aber, endlich wieder zu wachsen. Im vergangenen Jahr ist der Absatz der Hessen geschrumpft. Weltweit verkaufte die Marke lediglich 633.000 Autos. Das entspricht einem Rückgang im Vergleich zu 2019 von 35 Prozent. Besonders bitter: Der Absatz des Opel-Flaggschiffs, der margenstarken Limousine Insignia, hat sich mehr als halbiert.
Der neu aufgelegte SUV Mokka soll Opel nun aus dem Verkaufstief holen. „Mit diesem Auto werden wir wieder Marktanteile gewinnen – und auch die Herzen der Kunden“, schreibt Lohscheller aufmunternd an seine Truppe.
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