Autoindustrie Aston Martin schwört dem Verbrenner die Treue

Die Rückkehr in die Königsklasse des Motorsports soll Aston Martin den Weg in eine wirtschaftlich erfolgreichere Ära ebnen.
Frankfurt Nach wenigen Minuten kommt Lawrence Stroll zum Punkt: „Die Seele von Aston Martin ist der Verbrenner“, sagt der Milliardär aus Kanada, der einiges von seinem Geld in den britischen Autobauer investiert hat, im Interview. Es gebe genügend Menschen, die wollten den Sound ihres Fahrzeugs hören. „Nicht jeder will ein Elektroauto haben.“
Was sich nach einem Ruf von einer Seite eines ideologischen Grabenkampfes anhört, ist für Stroll Kalkül. Die Branche mag sich vom Verbrennungsmotor verabschieden und Großbritannien ab dem Jahr 2030 den Verkauf sogar verbieten. Für Stroll sind Benzinmotoren aber weiter der Antrieb, um Aston Martin zukunftsfähig zu machen.
Einst war die Marke mit ihren eleganten Modellen so britisch und stilbildend wie eine Partie Polo am Nachmittag. Doch von seiner einstigen Klasse hat Aston Martin viel verloren. Nachdem die Firma in den 80er-Jahren ihre Eigenständigkeit eingebüßt hatte, ging es steil bergab.
Hoffnung flammte mit dem Börsengang im Herbst 2018 auf, Aston Martin schien in den Kreis der Edelproduzenten zurückkehren zu können. Die Aktie aber stürzte ab, der Firma drohte sogar die Pleite. Dann kam Stroll. Der risikofreudige Geschäftsmann erwarb vor einem Jahr mit einem Konsortium ein Viertel der Aktien und verschaffte dem Hersteller dringend benötigtes Kapital.
Seitdem hat Stroll als Vorsitzender des Verwaltungsrats das Sagen am Stammsitz in mittelenglischen Dörfchen Gaydon. Der Mann aus Übersee mag röhrende Motoren, aber mindestens genauso wichtig ist es ihm, Geld zu verdienen. „Ich arbeite zu hart, als dass ich etwas zu verschenken hätte“, sagt er dem Handelsblatt. Aston Martin sei für ihn keine Trophäe, mit der er sein Geld verbrennen wolle. „Es ist ein Investment.“

Mit Investitionen in Kleidungsmarken wie Tommy Hilfinger und Michael Kors hat der Unternehmer laut Forbes geschätzt 3,2 Milliarden Dollar verdient.
Die abgewirtschaftete Firma will er in einen hochrentablen Kleinserienhersteller wandeln. Auch wenn Stroll es zurückweist, so ist doch der italienische Sportwagenbauer Ferrari die Blaupause für die Renaissance der Briten. Alleine werden es Stroll und seine Mitstreiter nicht schaffen. Helfen soll daher Daimler-Chef Ola Källenius, den Stroll als persönlichen Freund bezeichnet.
Stroll führt das Interview per Video. Die Haare hat der Kanadier zurückgelegt und die Krawatte akkurat gebunden. Ein Gentleman. Dazu passt seine Stimme, die mit ihrem tiefen Timbre an den älteren Sean Connery erinnert.
Stroll hat sein Vermögen selbst erwirtschaftet; er wandelt dabei zwischen Geschäftsfeldern, die sich im Kern um Luxus drehen. Mit Investitionen in Kleidungsmarken wie Tommy Hilfiger und Michael Kors hat er laut Forbes geschätzt 3,2 Milliarden Dollar verdient.
Die Freude am Luxus und Profit paart sich mit der Leidenschaft für den Rennsport. Die Formel 1 sei die beste Plattform, um für Aston Martin zu werben, sagt er. Daher kehrt der Autobauer in dieser Saison nach 61 Jahren Abstinenz in den Rennzirkus zurück.
Rückkehr in die Formel 1
In Silverstone stellte der Autobauer vor wenigen Tagen seinen Boliden vor. Stroll ist mächtig stolz auf das Projekt und er hegt Ambitionen. „Wir haben die Weltmeisterschaft fest im Blick“, wie er sagt, „aber es wird wohl einige Zeit dafür brauchen.“ Der Rennsport spielt eine zentrale Rolle in der Familie Stroll. Sein Sohn Lance fährt für das Team von Aston Martin – als Partner von Sebastian Vettel. „Die beiden pushen sich im positiven Sinne – das ist gut“, sagt der Senior.
Die Rückkehr in die Formel 1 soll Aston Martin den Weg in eine wirtschaftlich erfolgreichere Ära ebnen. Die Firma blickt auf eine Geschichte von 108 Jahren zurück. Unter den Nobelmarken Rolls-Royce, Bentley und Jaguar ist Aston Martin wohl die britischste – auch dank des Film-Geheimagenten James Bond, der in den 60er-Jahren mit einem silbergrauen Sportwagen DB5 von Aston Martin Bösewichte jagte.
Doch auf diesem Nimbus ruhte man sich in Gaydon zu lange aus. Laut und vulgär waren die Fahrzeuge, die technische Entwicklung blieb überschaubar. Ford stieg ein und 2007 wieder aus, anschließend übernahm eine kuwaitische Investorengruppe, der Abstieg setzte sich fort.

Unter den Nobelmarken Rolls-Royce, Bentley und Jaguar ist Aston Martin die wohl die britischste – auch dank des Film-Geheimagenten James Bond.
Das soll jetzt anders werden: Um Aston Martin wiederzubeleben, hat Stroll als neuen Chef Tobias Moers geholt. Moers hat zuvor die Mercedes-Tuningtochter AMG geführt und gilt als ausgesprochener Motorsportfreak. Der gebürtige Freiburger richtet Aston Martin von Grund auf neu aus. Die kompletten Produktionsprozesse hat der Ex-AMG-Chef entschlackt, einige Hundert Mitarbeiter mussten gehen. „Moers ist ein Game-Changer für uns“, sagt Stroll.
Der Neuzugang aus dem Schwabenland ist zugleich ein wichtiges Bindeglied zu seinem früheren Arbeitgeber. Aston Martin kann die Technik der Stuttgarter für seine Modelle nutzen. Darüber bekomme sein Unternehmen Zugang zu neusten Motoren und Komponenten für die Elektrifizierung der Fahrzeuge, sagt Moers. Müssten die Briten diese selbst entwickeln, sie wären als kleiner Autobauer chancenlos am Markt.
Flucht in die Nische
Hybride und reine Stromer sollen zwar in das Programm aufgenommen werden. Stroll und Moers setzen aber auf Benzin als Treibmittel, sie sind eher traditionell unterwegs. Es ist ein eigener Weg.
Das Gros der Automobilbranche verabschiedet sich von den klassischen Antrieben, deren Zeit ist abgelaufen. Vor allem in Europa und China macht die Klimapolitik Verbrennungsmotoren zum Auslaufmodell. Volkswagen, BMW, Daimler oder Ford setzen daher auf Elektroantriebe. Die britischen Töchter der deutschen Autoindustrie – Bentley, Rolls-Royce und Mini – werden alle elektrisch.
Aston Martin findet hingegen Gefallen an seinem Festhalten am Verbrenner. Es gebe dafür genügend „Petrolheads“, wie Stroll sagt. Er meint Menschen, die den Motor ihres Autos hören und spüren wollen.
Die Nische ist aus Sicht des Großaktionärs breit genug, um den Jahresumsatz bis 2025 auf zwei Milliarden Pfund hochzuschrauben. Der operative Gewinn soll dann bei 500 Millionen Pfund liegen. Um diese Ziele zu erreichen, muss der Hersteller 10.000 Fahrzeuge verkaufen.

Erstmals seit 25 Jahren werden in dieser Saison mit Mercedes und Aston Martin zwei Hersteller das Safety Car und Medical Car in der Formel 1 stellen.
Das läuft auf eine Verdoppelung der Produktion hinaus. Im Krisenjahr 2020 wies Aston Martin bei einem Absatz von 4150 Autos einen operativen Verlust von 70 Millionen Pfund aus.
Die Blaupause ist Ferrari. Losgelöst aus dem Fiat-Imperium hat sich der Sportwagenbauer zu einer Gewinnmaschine entwickelt, deren Börsenwert auf 32,1 Milliarden Euro gewachsen ist. Aston Martin hingegen kommt auf eine Bewertung von 2,6 Milliarden Pfund.
Aston Martin will den Absatz verdoppeln
Stroll und Moers sind voller Zuversicht, dass sie ihre Ziele erreichen werden. Die Präsenz in der Formel 1 ist ein Baustein. Möglich werden soll die Verdoppelung der Verkaufszahlen vor allem aber durch die Ausweitung der Produktpalette auf sportliche Geländewagen.
Dazu hat Aston Martin den DBX an den Start gebracht. Das Modell möge nicht das schönste auf dem Markt sein, aber es sei das beste SUV, sagt Stroll. „Davon können wir 4000 bis 5000 jährlich verkaufen.“ Den verbleibenden Anteil soll Aston Martin im Stammsegment Sportwagen absetzen.
Stroll mag ein Neuling im Autogeschäft sein. Er weiß aber einen erfahrenen Partner an seiner Seite. Im Gegenzug für die Bereitstellung seiner Technologie kann der Daimler-Konzern seine Beteiligung an Aston Martin auf 20 Prozent aufstocken. Dessen Vorstandschef Ola Källenius zählt der Kanadier zu seinen Beratern. „Wir diskutieren regelmäßig über die Trends.“ Källenius helfe Aston Martin, „als Aktionär und als Freund.“
Sorgen, dass Aston Martin sich von seiner Tradition als britisches Urgestein der Automobilbranche entfremden könnte, hat Stroll nicht. Moers und er mögen keine Engländer sein und mit Daimler der wichtigste Partner aus Deutschland kommen. Mit seinen Standorten in Großbritannien und den 2.500 Beschäftigten bleibe Aston Martin aber seinen Wurzeln treu. „Wir sind sehr britisch.“
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