Autoindustrie So profitabel wie nie – Autohersteller erwirtschaften Rekordgewinne

Noch ist das Vorkrisenniveau nicht erreicht, aber der Autoabsatz hat deutlich zugelegt.
Düsseldorf Weltweit arbeiten die Autokonzerne im Jahr 2021 profitabler als vor der Coronakrise. Die Gewinne aller Hersteller beliefen sich im ersten Halbjahr auf insgesamt 71,4 Milliarden Euro, belegt eine EY-Analyse, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Das sind satte 32 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2016. Im ersten Halbjahr 2020 hatte die Industrie noch einen Verlust von insgesamt 4,1 Milliarden Euro ausgewiesen.
Besonders profitabel waren die deutschen Hersteller: 30,3 Milliarden Euro Gewinn entfielen auf BMW, Daimler und Volkswagen.
Das Krisenjahr 2020, in dem die Branche insgesamt einen Verlust eingefahren hatte, hat die Autobranche damit rasch hinter sich gelassen. Krisenbedingt geschlossene Autohäuser und Werke, die wegen des Chipmangels stillstanden, hatten die Branche 2020 in die Krise gestürzt. Die Erholung im ersten Halbjahr fiel dafür umso deutlicher aus, auch wenn der Absatz das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht hat.
Insgesamt legte er um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Ob China, USA oder Europa – in allen Weltregionen verkauften die Hersteller mehr Neufahrzeuge. Weltweit waren es im ersten Halbjahr rund 33,5 Millionen Neuwagen, mehr als im Vorjahr, aber elf Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2019.
„Trotz aller Widrigkeiten haben die Top-Autokonzerne ein phänomenal starkes erstes Halbjahr hingelegt“, sagt Peter Fuß, Partner bei EY. Die Ebit-Marge fiel mit durchschnittlich 8,8 Prozent sogar höher aus als vor der Coronakrise und erreicht im ersten Halbjahr den höchsten Stand seit 2004, als die EY-Analyse erstmals veröffentlicht wurde. Mit BMW (14,5 Prozent Ebit-Marge) und Daimler (12,9 Prozent Ebit-Marge) kommen die beiden profitabelsten Hersteller aus Deutschland.
Viele Hersteller haben in der Coronakrise ihre Kosten deutlich gesenkt. Und ein weiterer Effekt beflügelt die Gewinne: Wegen des Chipmangels produzieren die Hersteller derzeit vor allem Fahrzeuge mit hoher Marge und geben weniger Rabatte. Und auch der Umstieg auf die Elektromobilität belastet die Margen deutlich weniger als erwartet. „Vom befürchteten Gewinneinbruch aufgrund vermeintlich weniger margenträchtiger Elektroautos ist zumindest bislang nichts zu sehen“, so EY-Experte Fuß. So schneiden die großen Hersteller im Vergleich ab:
Tesla
Nicht nur mit seiner Weltraum-Marke SpaceX ist Elon Musk im Jahr 2020 in neue Sphären vorgestoßen. Mit einem Börsenwert von rund 703 Milliarden Dollar ist Tesla mittlerweile so viel wert wie Toyota, Volkswagen, Daimler, BMW und Ford zusammen. Ganz schön viele Vorschusslorbeeren für einen Hersteller, der auf dem Weltmarkt aktuell noch eine untergeordnete Rolle spielt.
Das liegt vor allem am rasanten Wachstum von Tesla. Im ersten Halbjahr konnte der Elektroautohersteller seinen Absatz auf 386.000 Fahrzeuge mehr als verdoppeln (plus 115 Prozent). Den Gewinn konnte Tesla in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar verdreifachen. Er stieg von 506 Millionen Euro auf 1,58 Milliarden Euro.
Obwohl Tesla beim Blick auf die Absatzzahlen daher in keiner Weltregion auf nennenswerte Marktanteile kommt, rechnen die Anleger damit, dass sich das rasante Wachstum in den kommenden Jahren fortsetzen wird – trotz der wachsenden Konkurrenz durch Elektromodelle anderer Hersteller.
Renault und Nissan
Die französisch-japanische Allianz ist die große Enttäuschung des ersten Halbjahrs. Die Milliardenverluste des Vorjahrs haben beide zwar hinter sich gelassen. Doch die Ebit-Marge fällt mit 2,8 Prozent (Renault) und 1,2 Prozent (Nissan) deutlich geringer aus als bei der Konkurrenz. Der neue Renault-Chef Luca de Meo wird die Franzosen neu ausrichten müssen.
Dabei konnten beide Marken ihre Verkäufe zuletzt wieder solide steigern. Renault wuchs um 19 Prozent auf 1,42 Millionen verkaufte Fahrzeuge. Nissan setzt rund 2,2 Millionen Fahrzeuge ab, etwa 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings zeigen beide Marken altbekannte Schwächen: Nissan hängt zu stark am US-Geschäft und Renault spielt auf dem chinesischen Markt nach wie vor keine Rolle.
Das schlägt sich im Börsenwert nieder: Mit 21,5 Milliarden Dollar ist Nissan gerade mal 1,2 Prozent mehr wert als im Vorjahr. Bei Renault ist der Börsenwert seit Jahresbeginn sogar um 9,5 Prozent auf 10,7 Milliarden Dollar gefallen.
Stellantis
Der neue französisch-italienische Autogigant, der aus der Fusion von Fiat-Chrysler (FCA) mit Peugeot-Citroën (PSA) hervorging, konnte den Gewinn im ersten Halbjahr deutlich steigern. Nach 65 Millionen Euro im Vorjahr waren es nun rund 7,5 Milliarden Euro. Der Umbau von Konzernchef Carlos Tavares zeigt Wirkung. Die Ebit-Marge fiel mit zehn Prozent sogar höher aus als bei Volkswagen.
Und auch die Absatzkrise hat der Konzern, zu dem etliche Marken wie Fiat, Peugeot, Opel, Jeep oder Alfa Romeo gehören, hinter sich gelassen. Das Absatzplus fiel mit 44 Prozent deutlich stärker aus als bei den meisten Konkurrenten. 3,27 Millionen Fahrzeuge konnte Stellantis im ersten Halbjahr absetzen.
In Europa war der Konzern mit 1,3 Millionen verkauften Fahrzeugen die Nummer zwei hinter Volkswagen. In China haben die Marken des Konzerns allerdings Nachholbedarf. Gerade mal drei Prozent aller Fahrzeuge des Konzerns werden im wichtigsten Automarkt der Welt verkauft. Mit 102.000 verkauften Fahrzeugen im ersten Halbjahr ist man dort deutlich kleiner als die Konkurrenz. Der Börsenwert von 65,9 Milliarden Dollar fällt im Vergleich mit Toyota und VW ebenfalls schmal aus.
Toyota
Zählt man nur die Autos und die leichten Nutzfahrzeuge, waren die Japaner mit 5,47 Millionen verkauften Fahrzeugen auch im ersten Halbjahr 2021 der größte Autohersteller der Welt. Allein in den USA konnten sie ihren Absatz um 40 Prozent auf 1,25 Millionen Fahrzeuge steigern. 23 Prozent aller Neuwagen verkauft Toyota im lukrativen US-Markt, nur sechs Prozent werden in Europa verkauft.
Unter den Volumenherstellern bleibt Toyota hochprofitabel. Im ersten Halbjahr lag die Ebit-Marge bei 10,8 Prozent – und damit zwei Prozentpunkte über dem Branchenschnitt. Allein im ersten Halbjahr fuhren die Japaner einen Gewinn von rund 13 Milliarden Euro ein. Mehr als jeder andere Hersteller.
Das goutieren auch die Anleger. Der Börsenwert legte um 15 Prozent auf 248 Milliarden Dollar zu. Damit bleibt Toyota hinter Tesla der wertvollste der traditionellen Autohersteller.
Daimler
Eine Milliarde Euro Verlust fuhr Daimler im ersten Halbjahr 2020 ein. Innerhalb eines Jahres hat sich der Wind deutlich gedreht. In den ersten sechs Monaten erwirtschaftete der deutsche Premiumriese einen satten Gewinn von 10,9 Milliarden Euro, was einer Ebit-Marge von 12,9 Prozent entspricht. Nur BMW ist stärker.
Die Verkäufe im ersten Halbjahr zogen ebenfalls um 21 Prozent an. China wird für Daimler dabei immer wichtiger. Jedes dritte Auto des Herstellers wird dort verkauft. Allein im ersten Halbjahr waren es 427.000 Fahrzeuge, insgesamt konnte Daimler rund 1,25 Millionen Fahrzeuge verkaufen.
Zur Freude der Aktionäre hat Daimler sich vom Corona-Schock erholt. Der Börsenwert legte seit Jahresbeginn um 23,5 Prozent auf 93,4 Milliarden Dollar zu.
BMW
Acht Milliarden Euro Gewinn, ein deutliches Absatzplus und eine Ebit-Marge von satten 14,5 Prozent, was der Top-Wert in der Branche ist. Das erste Halbjahr hätte für die Bayern kaum besser laufen können.
Mit rund 1,34 Millionen verkauften Fahrzeugen und einem Plus von 39 Prozent behauptete BMW die Krone im Premiumsegment. Besonders stark legten die Verkäufe in China (plus 42 Prozent) und den USA (plus 52 Prozent) zu.
Doch die Aktionäre scheinen die Rekordzahlen bislang wenig zu beeindrucken. Der Börsenwert von BMW hat seit Jahresbeginn gerade einmal um 9,7 Prozent zugelegt und fällt mit 62,5 Milliarden Dollar deutlich geringer aus als bei der Konkurrenz.
Volkswagen
Konzernchef Herbert Diess hat dem größten deutschen Autobauer in den vergangenen Jahren eine radikale Strategiewende verordnet. Volkswagen mit Marken wie VW, Skoda, Seat, Audi und Porsche soll konsequent auf die Elektromobilität ausgerichtet werden. Perspektivisch verspricht man sich davon auch eine höhere Rendite.
Das erste Halbjahr 2021 lief für die Wolfsburger durchaus vielversprechend: Der Absatz legte um 24 Prozent auf 4,5 Millionen Fahrzeuge zu. In Europa und China bleibt Volkswagen Marktführer. Der Gewinn fiel mit 11,34 Milliarden Euro üppig aus, im ersten Halbjahr 2020 hatte der Konzern einen Verlust von rund 1,5 Milliarden Euro ausgewiesen.
Eine Kennzahl sollte das Management allerdings aufhorchen lassen. Denn das Plus im größten Automarkt der Welt fiel mit 16 Prozent geringer aus als bei der Konkurrenz. VW verliert in China damit Marktanteile. Auch das Elektro-SUV VW ID.4 hatte in China einen schweren Stand, der ID.3 soll sich im wichtigen Elektromarkt nun besser schlagen.
Die Aktionäre bleiben aber optimistisch, dass VW für die Zukunft bestens aufgestellt ist. Seit Jahresbeginn hat der Börsenwert um 52,5 Prozent auf 152,6 Milliarden Dollar zugelegt. Nur Tesla und Toyota sind wertvoller.
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