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Autoindustrie VW und Daimler scheitern wohl mit dem Versuch, den Dieselskandal vom EuGH fernzuhalten

Die Autobauer wussten offenbar die Ankunft der Abgasaffäre bei Europas höchstem Gericht bisher zu verhindern. Doch Frankreich macht ihnen nun einen Strich durch die Rechnung.
28.01.2020 - 04:14 Uhr Kommentieren
Dieselskandal: VW muss sich wohl vor dem EuGH rechtfertigen Quelle: dpa
Umrüstung der Motoren von Volkswagen

Verstieß VW gegen EU-Recht?

(Foto: dpa)

Düsseldorf Der französische Untersuchungsrichter war diskret. Bevor er sein Ersuchen in Sachen Volkswagen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Luxemburg sandte, wurde die Identität des deutschen Automobilherstellers anonymisiert. In seinem 20 Seiten langen Schreiben heißt das Unternehmen nur: „Gesellschaft X“.

Trotzdem blieb sein Name nicht geheim. An drei Stellen nennt der Jurist die Typenbezeichnung des Motors, mit dessen Details sich seiner Meinung nach der EuGH befassen möge: EA 189. Die vielen Anonymisierungen in dem Papier sind damit für die Katz: Es gibt nur einen Motor, der so heißt. Volkswagen verbaute ihn in rund elf Millionen Autos.

So wird ein Vorgang bekannt, den nicht nur Volkswagen, sondern auch Konkurrent Daimler bisher zu verhindern wussten: die Ankunft des Dieselskandals bei Europas höchstem Gericht. Mit einer Vorentscheidung ist in den nächsten Wochen zu rechnen.

Ursprünglich wollte der Generalanwalt am EuGH schon am vergangenen Donnerstag sein Votum bekannt geben. Er wird sich im Kern mit der Frage befassen, ob die Autohersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und Käufer getäuscht haben.
Warum und auf wessen Initiative hin sein Votum, dem die Richter am EuGH in den allermeisten Fällen folgen, verschoben wurde, war nicht zu erfahren. Beim EuGH heißt es lediglich, die Verschiebung gehe „auf interne organisatorische Gründe“ zurück. Klägeranwälte vermuten, dass es die Autokonzerne darauf angelegt haben, die Sache in die Länge zu ziehen.

In Deutschland gab es bereits einen Anlauf, die Affäre um manipulierte Abgaswerte von Dieselmotoren zur juristischen Entscheidung nach Luxemburg zu tragen. Die Autohersteller konnten das Vorhaben abwenden.

Daimler lehnt Richter ab

3700 Klagen von Dieselkunden liegen allein am Landgericht Stuttgart. Dort kümmerte sich häufig ein Mann mit dem leicht verwirrenden Namen Fabian Richter Reuschle um die Fälle. Richter Reuschle sprach vor allem klare Urteile zugunsten von Kunden und Aktionären. Er hält den durch die Hersteller verursachten Schaden in vielen Fällen für erwiesen und die Unternehmen für grundsätzlich schadensersatzpflichtig.

Als Richter Reuschle Ende 2019 versuchte, 21 Verfahren im Dieselskandal, die den Stuttgarter Daimler-Konzern betreffen, vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen, stellte Daimler einen Befangenheitsantrag gegen ihn. Richter Reuschle ist zumindest vorübergehend aus dem Verkehr gezogen.

„Die deutsche Automobilindustrie wehrt sich derzeit mit Händen und Füßen dagegen, dass der EuGH im Dieselabgasskandal Stellung bezieht, obwohl es sich bei der Typengenehmigung um europäisches Recht handelt“, sagt Ralf Stoll von der Klägerkanzlei Dr. Stoll & Sauer. Dass nun offenbar in Frankreich gelingt, was die deutschen Hersteller in ihrer Heimat verhindern konnten, hat für den Anwalt, der viele Dieselkunden vertritt, einen professionellen Charme. Eine Art Auto-Karma.

Das Ersuchen der französischen Justiz stammt vom 26. Oktober 2018, blieb der Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt. Es trägt das Aktenzeichen C-693/18. Verfasser ist der „Juge d‘instruction du tribunal de grande instance“, der Untersuchungsrichter eines Gerichts höherer Instanz von Paris. Er fordert, der EuGH möge rechtsverbindlich mehrere Auslegungsfragen entscheiden – vornehmlich solche zu der Abschalteinrichtung in Dieselmotoren.

Gemeint ist eine Software zur Steuerung der Abgasreinigung. Im Ergebnis sorgt sie dafür, dass die Fahrzeuge die Abgasgrenzwerte dann einhalten, wenn sie getestet werden – etwa auf dem Prüfstand des Kraftfahrt-Bundesamts. Auf der Straße erkennt die Software, dass die Kontrolle fehlt – und schaltet in den Schmutz-Modus.

Solche Fahrzeuge wurden auch in Frankreich verkauft. Die Justiz ermittelt deshalb seit Anfang 2016. Ihr Verdacht: VW täuschte seine Kunden und die Behörden nicht nur arglistig über den Abgasausstoß des Dieselmotors EA 189. Hinzu kommt laut Schreiben aus Paris an den Europäischen Gerichtshof, „dass infolge der Taten der Gebrauch der Waren nunmehr eine Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier darstellt“.

Die Franzosen wollen deshalb schwarz auf weiß vom EuGH bestätigt bekommen, wie dieser den Einsatz von Abschalteinrichtungen beurteilt. Dies sei wichtig, um über „eine mögliche Anklageerhebung“ gegen Verantwortliche des VW-Konzerns entscheiden zu können, heißt es in dem Pariser Schreiben.

Das Ersuchen zielt dabei vor allem auf die Fragen: Ist eine Abschalteinrichtung, die in den Abgasausstoß eingreift, nach EU-Recht zulässig? Falls ja, unter welchen Bedingungen? Und ist der Motorschutz eine solche Bedingung?

VW drohen nicht nur Klagen in Frankreich
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