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Automatisierung „Windows der Robotik“: Kuka will den Neustart mit neuem Betriebssystem wagen

Der Roboterbauer hat schwere Jahre hinter sich. Nun setzt CEO Mohnen alles auf eine Karte: Ein neues Betriebssystem soll die Bedienung vereinfachen und den Absatz befeuern.
21.03.2021 - 15:30 Uhr Kommentieren
Für den Konzern hat das neue Betriebssystem enorme wirtschaftliche Bedeutung. Quelle: dpa
Industrieroboter von Kuka im Einsatz

Für den Konzern hat das neue Betriebssystem enorme wirtschaftliche Bedeutung.

(Foto: dpa)

München Als der chinesische Midea-Konzern vor fünf Jahren den Roboterbauer Kuka übernahm, fürchteten viele den Ausverkauf deutscher Hochtechnologie. Es folgten schwere Jahre: Schlecht gemanagte Großprojekte drückten die Marge, was auch den neuen Eigentümer verärgerte.

Dazu kam die Krise der Autoindustrie und der unerwartete Wachstumsrückgang in China. Kuka galt zudem zuletzt als nicht mehr sonderlich innovativ. Der Umsatz brach auch wegen der Coronakrise ein, 2020 schrieb der Konzern rote Zahlen.

Doch nun setzt CEO Peter Mohnen zum großen Befreiungsschlag an. In den vergangenen beiden Jahren haben Forscher und Entwickler am Heimatstandort Deutschland begonnen, ein völlig neues Betriebssystem zu entwickeln, auf dem in den kommenden Jahren alle Roboter laufen sollen.

„Das ist der Beginn einer neuen Kuka-Ära“, sagte Mohnen dem Handelsblatt. Die Bedeutung des Projekts – eine Art „Kuka-Windows“ – für den Augsburger Konzern könne kaum überschätzt werden. „Da geht es um das Herz der Robotik.“

Das System mit dem internen Programmnamen Robot X-perience soll die Programmierung der Roboter stark vereinfachen und sie in ein Ökosystem aus Apps und intelligenter Cloud-Anbindung einbinden.

Auf diesem Weg will Kuka zunächst den Absatz von kollaborativen Robotern, die zusammen mit Menschen Aufgaben erledigen, deutlich steigern. Derzeit laufen erste Piloteinsätze bei Kunden, in den kommenden Jahren soll dann eine Cobot-Familie mit dem neuen Betriebssystem auf den Markt kommen. Denn Kuka war mit seinem Cobot iiwa zwar früh am Markt, ein Verkaufsschlager wurde der Leichtbauroboter nach Einschätzung in der Branche aber nicht.

Zu schwer, zu teuer, zu kompliziert zu bedienen, lautete das Urteil in der Branche. Auch andere etablierte Hersteller taten sich in dem neuen Segment, das der Hoffnungsträger der Robotikbranche ist, schwer.

Andere Anbieter kamen besser durch die Krise

Vor wenigen Wochen stellte ABB eine neue Generation von Cobots vor. „Wir wollen einer der führenden Cobot-Hersteller der Welt werden“, sagt ABB-Robotik-Chef Sami Atiya dem Handelsblatt. Mit den neuen GoFa- und Swifti-Modellfamilien wolle ABB den Absatz vervielfachen und dem ganzen Markt einen Schub geben.

Für Kuka hat das neue Betriebssystem enorme wirtschaftliche Bedeutung. Im vergangenen Jahr war der Umsatz des Roboterbauers laut letzten Prognosen vom Dezember von 3,2 auf 2,6 Milliarden Euro eingebrochen. Vor Zinsen und Steuern machte das Unternehmen demnach einen Verlust von mehr als 100 Millionen Euro. Genaue Zahlen legt Mohnen am Donnerstag vor.

Zwar litt die gesamte Branche unter einer zwischenzeitlichen Nachfrageschwäche vor allem in der Autoindustrie, traditionell wichtigster Abnehmer von schweren Industrierobotern. Doch kamen andere Anbieter teilweise etwas besser durch die Krise. Bei ABB sanken die Umsätze in der Sparte Robotik & Fertigungsautomation um vergleichbar 13 Prozent auf 2,9 Milliarden Dollar. Das operative Ergebnis (Ebita) brach um 40 Prozent auf 237 Millionen Dollar ein.

Bei Yaskawa gingen die Erlöse in der Robotik-Sparte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahrs 20/21 um 14,5 Prozent auf 99,6 Milliarden Yen zurück, das operative Ergebnis sank um 13 Prozent auf 4,2 Milliarden Yen.

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Mohnen weist den Verdacht zurück, dass Kuka ein Innovationsdefizit hat. „Kuka war schon immer ein Innovationstreiber, und das hat nicht nachgelassen.“ Im vergangenen Jahr seien die Ausgaben für Forschung und Entwicklung trotz Coronakrise sogar gesteigert worden.

Die neuen, einfacheren Scara- und Deltarobotermodelle hat Kuka allerdings in China entwickelt. Das könnte den Verdacht nähren, dass die Entwicklung schrittweise abwandert. Bei Volvo, meint ein Manager aus der Autobranche, habe sich Schweden zu einer verlängerten Werkbank entwickelt. „Das könnte bei Kuka auch passieren.“

Mohnen aber betont, die Modelle seien in China entwickelt worden, weil preisgünstigere, einfachere Roboter vor allem in Asien gefragt seien. „Wir müssen stärker dort entwickeln, wo unsere Kunden sind.“

Betriebssystem und Software entscheiden

Kuka hatte hier lange keine Angebote an einfacheren Robotern im Portfolio. „Das Segment fand bisher ohne uns statt“, sagt Mohnen. Die Hoffnungen, Kuka könne mit Midea-Hilfe in China so richtig durchstarten, haben sich auch deshalb bislang nicht erfüllt.

Zwar betont Mohnen: „Wir konnten im Coronajahr 2020 in China teilweise Marktanteile gewinnen.“ Er räumt aber auch ein: „Wir hätten schon gedacht, dass noch mehr geht.“ Nun aber seien die Scara- und Deltaroboter gut angelaufen.

Noch wichtiger als die neuen Modelle könnte nun der Erfolg oder Misserfolg des neuen Betriebssystems werden. Bei den Robotern ist es inzwischen ähnlich wie einst bei den Computern: Der attraktive Teil der Wertschöpfung und das Unterscheidungsmerkmal am Markt liegt nicht mehr allein bei der Hardware, also den Geräten und Maschinen. Entscheidend sind Betriebssystem und Software dahinter.

Daher konzentrieren sich neue Anbieter wie das Start-up Energy Robotics zum Beispiel auf Software, die Roboter aller Hersteller intelligenter machen soll. Die Dresdner Firma Wandelbots konzentriert sich auf Technologien, die die Programmierung von Robotern vereinfachen. Mit einem digitalen Stift können auch Laien dem Roboter schnell und einfach vormachen, welche Aufgaben er erledigen soll.

Der frühere Finanzvorstand will den Roboterbauer mit dem neuen Betriebssystem wieder in die Offensive bringen. Quelle: Manuel Nieberle für Handelsblatt
Peter Mohnen

Der frühere Finanzvorstand will den Roboterbauer mit dem neuen Betriebssystem wieder in die Offensive bringen.

(Foto: Manuel Nieberle für Handelsblatt)

Eine Zeit lang sah es so aus, als könnte sich eine Zeitenwende anbahnen: Die klassischen Hersteller wie Kuka, ABB und Yaskawa liefern weiter die schweren Maschinen. Moderne kollaborierende und autonome Roboter sowie Software und Betriebssysteme aber könnten teilweise von Newcomern gestellt werden.

Nun aber wollen die Traditionshersteller bei einfacher Bedienung und den Cobots verlorenen Boden gutmachen. Das liegt auch daran, dass die Branche nach jahrelangen Absatzrekorden in ihrer ersten Krise steckt. Laut Branchenverband IFR sank der Absatz von Industrierobotern schon 2019 von 422.000 auf 381.000 verkaufte Maschinen.

Im Coronajahr 2020 ging es weiter nach unten. Die Autoindustrie, noch immer wichtigster Abnehmer von schweren Industrierobotern, fuhr ihre Investitionen deutlich zurück. Zwar zogen die Geschäfte vieler Zulieferer im vierten Quartal schon wieder deutlich an. Doch im Anlagenbau und in der Robotik dürfte die Erholung erst mit einiger Verspätung ankommen.

Umso wichtiger ist das Wachstumssegment Cobots. Doch in vielen Fabrikhallen, bei Mittelständlern und Handwerksbetrieben sieht man bislang noch vergleichsweise wenige der meist einarmigen Helfer, die direkt neben dem Menschen arbeiten dürfen. „Wir kommen nicht als Erste zur Cobot-Party“, sagt Mohnen, „die Party hat aber auch noch nicht richtig begonnen.“

Komplette Produktpalette soll umgestellt werden

Bei der Entwicklung neuer Modelle will Kuka noch intensiver mit Kunden zusammenarbeiten und rechtzeitig ihr Feedback einholen. „Die Kundenorientierung steht bei uns künftig im Mittelpunkt“, sagt Mohnen.

Damit sich die Cobots durchsetzen, müssen sie vor allem deutlich einfacher bedienbar sein. Bislang dauerte es in der Regel viele Stunden, bis ein neuer Roboter einsetzbar war. „Wir wollen die am leichtesten zu programmierenden Roboter am Markt anbieten“, sagt Kristina Wagner, Chef der Kuka-Konzernforschung und Leiterin des Robot-X-perience-Programms. „Jeder, der ein Smartphone bedienen kann, wird künftig auch unsere Roboter programmieren können.“

Die Vorgabe von Kuka lautete: Mit dem neuen Betriebssystem sollte ein Mensch ohne Programmiererfahrung einen neuen Roboter auspacken, programmieren und in Betrieb nehmen können in einer Zeit, die kürzer ist als ein Fußballspiel. Mit der neu entstehenden Plattform soll das gelungen.

Der Nutzer kann anhand eines 3D-Modells auf einem Handbediengerät oder seinem Laptop dem Cobot Aufgaben zuweisen, zum Beispiel Gegenstände zu greifen und zu platzieren. Mit dem „Easy to use“-Konzept will Kuka ganz neue Kundengruppen erschließen, zum Beispiel in der Konsumgüterindustrie.

Die Leiterin der zentralen Forschung von Kuka hat gemeinsam mit einem Team das neue Betriebssystem für Roboter entwickelt. Quelle: Kuka
Kristina Wagner

Die Leiterin der zentralen Forschung von Kuka hat gemeinsam mit einem Team das neue Betriebssystem für Roboter entwickelt.

(Foto: Kuka)

In den kommenden Jahren soll die gesamte Produktpalette auf das neue Betriebssystem umgestellt werden. Denn der Programmieraufwand war bei den klassischen Kunden früher oft nicht so entscheidend. War die Linie erst einmal aufgebaut, taten die Roboter oft jahrelang ihren Dienst.

Heute aber wollen die Autohersteller mehr Flexibilität. Auf einer Linie werden oft mehrere Modelle mit unterschiedlichen Antriebsarten gefertigt. Da muss ein Roboter öfter einmal neu programmiert werden. Und da hilft es auch dem erfahrenen Ingenieur, wenn es schneller geht.

Kuka steht unter Druck, Fortschritte zu liefern. Für die renditebewussten neuen chinesischen Eigentümer gab es viele Enttäuschungen. „Unsere Investoren waren definitiv nicht zufrieden mit der Performance“, sagte Kuka-Aufsichtsratschef Andy Gu dem Handelsblatt, als der langjährige Vorstandschef Till Reuter gehen musste.

Die kulturellen Gräben zwischen China und Deutschland sind laut Insidern noch immer groß. Allerdings sehen es intern viele als Vorteil, dass Midea langfristig orientiert ist. Dennoch ist klar: Das neue Betriebssystem muss ein Erfolg werden.

Mehr: ABB startet Cobot-Offensive

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