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Automobilbranche Volkswagen drückt die Fixkosten: Bis zu 5000 Stellen sollen gestrichen werden

Die Wolfsburger beginnen die nächste Runde des Stellenabbaus, der Umfang ist noch nicht fix. Den Anfang sollen die Standorte in Deutschland machen.
14.03.2021 Update: 14.03.2021 - 15:13 Uhr Kommentieren
Fahrzeugfertigung bei Volkswagen in Wolfsburg: Auch in der Produktion sollen Jobs gestrichen werden. Quelle: dpa
Volkswagen spart beim Personal

Fahrzeugfertigung bei Volkswagen in Wolfsburg: Auch in der Produktion sollen Jobs gestrichen werden.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Volkswagen produziert zu teuer, im Vergleich zur Konkurrenz sind die Fixkosten viel zu hoch. Diesen Vorwurf muss sich der Wolfsburger Autohersteller regelmäßig an der Börse und von Investoren anhören. Auch VW-Konzernchef Herbert Diess klagt immer wieder darüber, dass besonders im Stammwerk Wolfsburg und in der Konzernverwaltung nicht produktiv genug gearbeitet werde.

Im Dezember hat der Aufsichtsrat auf die Kritik reagiert und dem gesamten Konzern ein neues Sparprogramm verordnet: Bis zum Jahr 2023 müssen die Fixkosten insgesamt um fünf Prozent gesenkt werden. Einsparungen beim Personal stehen dabei an erster Stelle.

Das Unternehmen und der Betriebsrat haben sich nun darauf verständigt, wie das Fixkostenprogramm konkret umgesetzt werden soll. Volkswagen wird in Deutschland mit einer neuen Runde des Stellenabbaus beginnen. Wie es dazu in Unternehmenskreisen heißt, stehen voraussichtlich bis zu 5000 Arbeitsplätze zur Disposition. VW in Deutschland macht beim Sparen den Anfang, die anderen Konzernmarken werden etwas später folgen.

Betriebsbedingte Kündigungen sind bei Volkswagen bis zum Jahr 2029 ausgeschlossen. Einen Stellenbau in den deutschen VW-Werken kann es deshalb nur sozialverträglich geben. Den größten Hebel zum jetzt zusätzlich geplanten Stellenabbau bietet die Altersteilzeit. Betriebsrat und Unternehmen wollen die Angebote zur Altersteilzeit jetzt auch für den Jahrgang 1964 öffnen.

VW rechnet damit, dass verstärkt Mitarbeiter aus der Verwaltung und weniger aus der Produktion das neue Angebot annehmen werden. Es bedürfe weiterhin eines strikten Kostenmanagements, „um die erforderlichen Investitionen in die Zukunft zu finanzieren, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und vor allem die Basis für die langfristige Beschäftigungssicherung zu erhalten“, sagte am Sonntag VW-Personalvorstand Gunnar Kilian. Volkswagen stärke damit die interne Transformation.

Bewährtes Instrument: Altersteilzeit

Wie dazu in Wolfsburg außerdem verlautete, erwartet der Autokonzern, dass in diesem Jahr fast 3000 VW-Beschäftigte des Jahrgangs 1964 von dem neuen Angebot Gebrauch machen werden. Altersteilzeit ist bei Volkswagen ein bewährtes Instrument für einen Stellenabbau. Schon seit 2017 werden rentennahe Jahrgänge nach und nach zur Altersteilzeit zugelassen. Diese Mitarbeiter verlassen das Unternehmen nicht sofort. Altersteilzeit ist für einen maximalen Zeitraum von sechs Jahren möglich.

Die Altersteilzeit erfreut sich bei Volkswagen vergleichsweise hoher Beliebtheit. Bis zu 70 Prozent eines Jahrgangs haben davon in der Vergangenheit Gebrauch gemacht. Wenn tatsächlich fast 3000 Mitarbeiter des Jahrgangs 1964 in Altersteilzeit gehen, ist das für den Konzern allerdings auch mit zusätzlichen Kosten verbunden. „Volkswagen kalkuliert damit, dass für Renten- und Lohnzuschüsse mehr als 300 Millionen Euro anfallen werden“, sagte ein Konzernmanager.

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Die Jahrgänge 1961 und 1962 können schon seit längerer Zeit in Altersteilzeit gehen. Bei Mitarbeitern, die das Angebot bislang nicht in Anspruch genommen haben, soll dafür noch einmal mit Nachdruck geworben werden. Der Personalbereich von Volkswagen hält es für möglich, dass dadurch noch einmal knapp 1000 Mitarbeiter zum freiwilligen Abschied bewegt werden können.

Die Einigung zwischen Betriebsrat und Unternehmen sieht außerdem vor, dass älteren Jahrgängen ein neues Vorruhestandsprogramm angeboten werden soll. Wer beispielsweise 61 Jahre alt ist, kann sich sofort freistellen lassen und muss nicht mehr arbeiten, bekommt dafür einen Teilzeitvertrag über zweieinhalb Jahre mit 75 Prozent der Bezüge und geht zwei Jahre früher in Rente. Lücken bei der Rentenzahlung sollen teilweise vom Unternehmen ausgeglichen werden.

Die erwartete Akzeptanz dieses neuen Vorruhestandsprogramms ist nicht ganz so hoch wie bei der Altersteilzeit. Volkswagen kalkuliert damit, dass von dem vorzeitigen Renteneintritt rund 1000 Beschäftigte in nächster Zeit Gebrauch machen könnten. Das gesamte, jetzt neu aufgelegte Programm zum zusätzlichen Stellenabbau dürfte Volkswagen etwa eine halbe Milliarde Euro kosten, hieß es dazu ergänzend im Konzern.

Auf Dauer erwartet Volkswagen dadurch allerdings deutliche Ersparnisse. Erfahrungen bei anderen Automobilherstellern sprechen dafür. Ford Europa hat in den vergangenen zwei Jahren etwa 10.000 Stellen abgebaut und spart dadurch jährlich etwa eine Milliarde.

Der Betriebsrat will diesen neuen Stellenabbau genau beobachten, nach dem intern so bezeichneten „VW-Weg“. Die Arbeitnehmerseite sieht sich dabei an, ob der Stellenabbau durch eine andere intelligente Verteilung der Arbeit unter den verbleibenden Beschäftigten ohne Zusatzbelastung bewältigt werden kann.

Wo das nicht möglich ist, sollen die Stellen wieder besetzt werden. „Der Betriebsrat hat vorgesorgt, dass die Abgänge nicht auf dem Rücken der übrigen Beschäftigten erfolgen. Es bleibt beim erprobten VW-Weg: Wo nötig, besetzen wir neu. Arbeitsverdichtung wird es nicht geben“, sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh.

Investoren zweifeln am Sparwillen bei VW

Unter Investoren bleiben Zweifel, ob der Sparwille bei Volkswagen wirklich ausreichend verfolgt wird. Seit 2017 hat der Wolfsburger Konzern zwei größere Sparprogramme aufgelegt („Zukunftspakt“, „Roadmap digitale Transformation“). Für Deutschland war damit ein Arbeitsplatzabbau von insgesamt 27.000 Stellen verbunden. Zugleich sollten 11.000 neue Jobs entstehen, vor allem in sogenannten Zukunftsbereichen wie Elektromobilität und Digitalisierung.

„Doch seitdem ist nichts passiert“, sagte Arndt Ellinghorst, Automobilanalyst beim US-Investmenthaus Bernstein. Die Personalkostenquote im gesamten Konzern liege unverändert bei 17 Prozent des Umsatzes. Die Personalprogramme der Vergangenheit hätten lediglich dazu beigetragen, dass die Kosten nicht noch weiter gestiegen wären. Andere Autohersteller wie Daimler würden aktuell deutlich konsequenter sparen.

Ellinghorst warnte davor, dass die Ausgabenpolitik bei Volkswagen künftig wieder etwas großzügiger ausfallen könnte. Als Ursache dafür sieht er Doppelstrukturen im Konzern – mit dem klassischen Bereich für Verbrennungsmotoren und der neuen Sparte Elektromobilität. „VW baut eher wieder Komplexität auf“, so Ellinghorst.

Volkswagen hat sich bislang nicht dazu geäußert, welche konkreten Summen mit dem neuen Fixkostenprogramm im Konzern eingespart werden sollen. Ellinghorst kalkuliert mit gesamten Fixkosten von etwa 80 Milliarden Euro, vier Milliarden über drei Jahre verteilt müssten damit gespart werden. Der VW-Konzern habe damit kein besonders ambitioniertes Sparprogramm aufgelegt.

Einstellungsstopp ausgedehnt

Volkswagen will in diesem Jahr allerdings nicht nur mithilfe des zusätzlichen Stellenabbaus sparen. Um die Kosten niedrig zu halten, wird auch der bislang nur für das erste Quartal gültige Einstellungsstopp auf das gesamte Jahr ausgedehnt. Wegen der Corona-Pandemie waren Neueinstellungen bereits im vergangenen Jahr nur in Ausnahmefällen zugelassen. Aktuell kommt Volkswagen in Deutschland auf eine aktive Kernbelegschaft von etwa 107.000 Mitarbeitern (ohne Auszubildende und Studenten).

Ausgenommen vom konzernintern so bezeichneten „Level Freeze“ ist beispielsweise der Bereich IT und Software, den der Konzern in den kommenden Jahren massiv ausbauen will. Um gegen neue Wettbewerber wie Tesla und Apple bestehen zu können, soll der Anteil der selbst entwickelten Fahrzeugsoftware von zehn auf 60 Prozent steigen.

Wenn freie Stellen innerhalb des Unternehmens trotz des bestehenden Einstellungsstopps besetzt werden müssen, soll das nach Möglichkeit mit eigenen Mitarbeitern passieren. Doch möglicherweise fehlt es an der nötigen Qualifikation. Deshalb haben sich Konzern und Betriebsrat darauf verständigt, dass das Weiterbildungsbudget in diesem Jahr um 40 Millionen Euro aufgestockt wird.

Bislang standen schon 160 Millionen Euro aus „Zukunftspakt“ und „Roadmap digitale Transformation“ dafür bereit. Unternehmen und Betriebsrat sind sich einig darin, dass Weiterbildung ein wichtiges Instrument ist, um die Transformation des Konzerns mit der vorhandenen Belegschaft zu erreichen.

Innerhalb des Unternehmens wurden die Möglichkeiten zur Weiterbildung allerdings nicht ausreichend genutzt. „Davon wird zu wenig abgerufen“, beklagte schon im vergangenen Jahr Betriebsratschef Bernd Osterloh. Besonders groß sei der Druck zur Weiterbildung etwa im Entwicklungsbereich bei klassischen Motoren, wenn die Elektromobilität zur dominierenden Antriebsart werde.

5000 unbesetzte Planstellen

Außerdem will sich Volkswagen in diesem Jahr an einem neuen Instrument des Stellenabbaus versuchen: Freie Planstellen, die schon länger nicht mehr besetzt sind, sollen endgültig aus dem Stellenplan herausgenommen werden und damit auf längere Sicht für Ersparnisse sorgen.

Aktuell gibt es in der Volkswagen AG mehr als 5000 unbesetzte Planstellen, heißt es in Wolfsburg. „Jeder Vorgesetzte hütet seine Planstellen normalerweise wie einen Schatz und will sie nicht hergeben“, sagt ein Topmanager von Volkswagen. Würden solche Stellen endgültig gestrichen, gebe es die Möglichkeit zur Wiederbesetzung einfach nicht mehr.

Der Betriebsrat von Volkswagen hat sich grundsätzlich dazu bereiterklärt, dass auf solche schon länger unbesetzte Planstellen verzichtet werden könnte. Entscheiden sollen darüber in nächster Zukunft sogenannte „Dimensionierungs-Klausuren“, in denen die Betriebsräte ein explizites Mitspracherecht haben. Im Moment traut sich in Wolfsburg niemand eine konkrete Einschätzung zu, wie viele Stellen dadurch endgültig gestrichen werden könnten.

Ein besonderes Mitbestimmungsrecht bekommt der Betriebsrat auch bei der Fremdvergabe von Aufträgen. Die Arbeitnehmerseite sieht die Gefahr, dass der neue Stellenabbau zu einer verstärkten Fremdvergabe führen könnte. Deshalb wollen die Betriebsräte ein stärkeres Auge darauf werfen, wenn beispielsweise Entwicklungsaufträge nicht mehr selbst in der eigenen technischen Entwicklung bearbeitet und an Entwicklungsdienstleister außerhalb des Konzerns vergeben werden.

Größere Probleme soll es bei den jüngsten Verhandlungen zwischen Unternehmen und Betriebsrat nicht gegeben haben. Teilnehmer sprechen von „konstruktiven Verhandlungen“. Völlig ausgegangen ist der mögliche Konfliktstoff dadurch allerdings noch nicht.

Die aktuellen Vereinbarungen gelten nur für das Jahr 2021. Für die beiden kommenden Jahre müssen sich beide Seiten wieder zusammensetzen, um die Sparziele des Fixkostenprogramms zu erfüllen. Sicher erscheint auf jeden Fall schon heute, dass im nächsten Jahr der Jahrgang 1965 zur Altersteilzeit zugelassen wird.

Mehr: VW nimmt sich Tesla als Benchmark – neue Strategie mit „Trinity“.

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