Automobilgeschichte Borgward – vom Aufstieg und Fall einer Autolegende

Christian Borgward, Enkel des Gründers, versucht die Marke mit dem BX7 wiederzubeleben.
München Autos, das sind für die Deutschen nach dem Krieg Symbole des Wiederaufstiegs. Erst als Käfer wieder über die Straßen rasselten, da wussten die Deutschen, dass es wieder gut wird. Wer es sich leisten konnte, der fuhr aber nicht Volkswagen. Ein Mercedes sollte es schon sein oder ein Borgward. Borgward? Wer oder was war das denn noch mal?
Ein Traumauto, sagen jene, die einen „Borgward Hansa“ oder einen „Borgward Isabella“ ihr eigen nennen durften. Luftfederung, Automatikgetriebe und die Formgestaltung amerikanischer Straßenkreuzer machten die Bremer Automarke zum Kultobjekt der 50er-Jahre.
Doch so steil der Aufstieg, so jäh kam der Absturz: 1961 war die Firma pleite. Borgward, so eine später gut gepflegte Legende, sei Opfer der Banken geworden. Die hätten lieber auf den Erfolg von Mercedes gesetzt, der lästige Konkurrent musste vom Markt verschwinden.
Die ARD will mit diesem Mythos nun aufräumen. Der Doku-Spielfilm „Die Affäre Borgward“ (Montagabend 20.15 Uhr) zeichnet ein anderes Bild der Geschichte. So beliebt die Marke bei ihren Fans war, so wenig verstand es Firmengründer Carl F.W.Borgward, seinen Erfolg professionell zu managen.
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Dem genialen Ingenieur, der aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs den viertgrößten Autohersteller der Republik aufbaute, fehlte der Sinn für die Grundregeln der Betriebswirtschaft. Statt sich auf wenige Erfolgsmodelle zu konzentrieren, verzettelte sich Borgward in Nischen. Statt Expertise von außen – oder wenigstens den Rat seiner Mitarbeiter anzunehmen – vertraute der Patriarch auf seinen Bauch.
Es kam, wie es kommen musste: Im Winter 1960 ging Borgward die Liquidität aus, den Banken und dem Bremer Senat wurde die Situation zu heikel. Es folgte die erste spektakuläre Pleite des deutschen Wirtschaftswunders, mehr als 20.000 Menschen verloren ihren Job. Borgward selbst zerbrach an der Pleite und starb1963.
Der Film ist ein Rückblick auf eine Zeit, in der Unternehmen noch nach Gutsherrenart geführt wurden. Carl-Friedrich Wilhelm Borgward war so ein Patriarch, der Probleme mit sich selbst ausmachte und Widerspruch nicht duldete. Ebenso wie den Flicks, den Porsches und den Quandts waren auch Borgward Skrupel wegen seiner Kriegsvergangenheit fremd.
Weil Borgward NSDAP-Mitglied war und im Krieg tausende Zwangsarbeiter in seinen Fabriken schufteten, sperrten ihn die Amerikaner bis 1948 ins Gefängnis. Der Konstrukteur nutzte die Zeit und studierte die Autozeitschriften seiner Bewacher. Kaum aus der Haft entlassen, baute er 1949 schon wieder sein erstes Auto.
Was bleibt ist ein Mythos – und eine Marke. 2008 gründete Christian Borgward, Enkel des Unternehmers, die Borgward AG mit Sitz in Luzern. 2014 stieg mit der Beigi Foton Motor ein chinesischer Lastwagenhersteller ein, der die Wiederbelebung der Marke verkündete. Tatsächlich entwarf das Unternehmen unter der chinesischen Führung den BX-7, einen bulligen Geländewagen mit Borgward-Raute auf dem Kühlergrill, der seit Mitte 2018 auch in Deutschland zu kaufen ist.
Die geplante große Expansion in Deutschland stockt allerdings: Weder das „Brand Center“ in Stuttgart noch die Fertigung in Bremen sind bislang angelaufen. Ende 2018 ließ das Unternehmen eine Kaufoption für ein mögliches Grundstück in Bremen verfallen. Stattdessen wechselte der Besitzer: Seit Beginn diesen Jahres ist die Internetplattform Ucar Hauptinvestor von Borgward. Den Bremern bleibt vorerst also nur die Erinnerung an die gute alte Zeit.
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