Autozulieferer Conti-Abspaltung: Familie Schaeffler bleibt Großaktionär bei Vitesco

Die Continental-Antriebssparte geht im September als Spin-off an die Börse.
München Die Familie Schaeffler wird laut Vitesco-Chef Andreas Wolf auch nach dem Börsengang Großaktionär bei der Conti-Abspaltung bleiben. „Wir gehen von einem nachhaltigen Invest aus“, sagte Wolf im Club Wirtschaftspresse München. Ein engeres Zusammengehen mit dem Schwesterunternehmen Schaeffler AG kann er sich derzeit aber nicht vorstellen.
Die Schaefflers halten über die IHO Holding 46 Prozent der Anteile am Dax-Konzern Continental. Wenn dessen Antriebssparte Vitesco im September als Spin-off an die Börse geht, sind sie zunächst automatisch in gleicher Höhe an dem neuen Unternehmen beteiligt. Bislang war unklar, was die Schaefflers dann mit dieser Beteiligung vorhaben.
Wolf sagte nun, er gehe nicht davon aus, dass die Schaefflers ihren Anteil erhöhen oder absenken werden. Damit hätte die Familie auch bei Vitesco eine Hauptversammlungsmehrheit – da nie 100 Prozent des Kapitals bei Aktionärstreffen vertreten sind.
Continental will sich mit der Abspaltung noch stärker von einem hardwarelastigen Zulieferer in einen softwaregetriebenen Technologiekonzern wandeln.
Wolf sieht große Chancen für das neue Unternehmen. Vitesco habe früher als andere voll auf Elektrifizierung gesetzt. Schon heute mache man einen einstelligen Prozentsatz des Umsatzes mit Elektrifizierungskomponenten. In vier Jahren soll es laut Wolf ein Drittel des Geschäfts sein, gegen Ende des Jahrzehnts sollen es drei Viertel des Umsatzes sein.
Der Vitesco-Chef ist überzeugt, dass der Durchbruch der Elektromobilität schneller kommt als viele erwarten. „Der Verbrennungsmotor in Europa stirbt.“ Schon 2032 werde sich hier kaum noch jemand ein Auto mit Verbrenner kaufen. „Viele Firmen, die am Verbrennungsmotor hängen, haben keine Chance in die Zukunft hinein.“
Zulieferer wie Bosch, ZF und Vitesco wollen den Antriebsstrang für die Elektroautos der Zukunft liefern. Allerdings ist zum Beispiel bei den Invertern, die den Stromfluss zwischen Batterie und Antrieb regeln, nach Einschätzung in der Branche bereits ein harter Preiswettbewerb entstanden.

„Der Verbrennungsmotor in Europa stirbt.“
Wolf sieht zwar keinen ruinösen Preiskampf. Die Zahl der Wettbewerber sei überschaubar. Doch gebe es Wettbewerbsdruck, weil die Aufträge von den großen Herstellern ein hohes Volumen hätten und damit für alle sehr attraktiv seien.
Da Vitesco schuldenfrei, mit etwa 600 Millionen Euro Cash und einer Kreditlinie von einer Milliarde Euro startet, ist der Spielraum für Investitionen in die Entwicklung neuer Technologien nach Wolfs Einschätzung groß. Falls es eine Konsolidierung gebe, sei Vitesco auch in der Lage, eine aktive Rolle zu spielen.
Zukunft von zwei Standorten geklärt
Vitesco verfügte im Bereich der Elektrifizierung zum Jahreswechsel bereits über einen Auftragsbestand von mehr als 13 Milliarden Euro. Das Geschäft mit Elektrifizierungskomponenten wie elektrischen Achsen ist laut Wolf noch defizitär. Auf mittlere Sicht solle aber die Gewinnschwelle erreicht werden.
Vitesco wolle in diesem Bereich schneller wachsen als der Markt, der um etwa 30 Prozent im Jahr zulege. Da gleichzeitig traditionelles Geschäft teilweise zurückgefahren werden soll, rechnet Vitesco im Konzern mit drei bis fünf Prozent Wachstum.
Die Vitesco-Abspaltung von Conti musste mehrmals verschoben werden. Ursprünglich sollte der Plan 2019 umgesetzt werden, doch er scheiterte damals am schwachen Börsenumfeld. 2020 verhinderte dann Corona den geplanten Spin-off.
Nun also der dritte Anlauf. Mit einem Umsatz von acht Milliarden Euro und 40.000 Mitarbeitern gehört Vitesco zu den größeren Autozulieferern, spielt aber nicht ganz in der Liga von Bosch oder ZF.
Vor Steuern und Zinsen schrieb die Conti-Abspaltung im vergangenen Jahr einen Verlust von 324 Millionen Euro. Auch bereinigt um Sondereffekte betrug das Minus noch 92 Millionen Euro. Mittelfristig strebt Vitesco eine angepasste Ebit-Marge von sieben bis neun Prozent an.
Eine wichtige Frage konnte Wolf vor dem Börsenstart klären: Vor wenigen Tagen einigte sich Vitesco mit der IG Metall über die Zukunft von zwei umkämpften Standorten. Bebra soll nun bis mindestens Ende 2025 erhalten bleiben. Die Produktion im thüringischen Mühlhausen soll nun erst Ende 2024 auslaufen.
Die Familie Schaeffler ist künftig maßgeblich an Continental, der Schaeffler AG und Vitesco beteiligt. Wolf sagte, die Überlappungen mit der Schaeffler AG seien vergleichsweise klein. Es gebe zwar einzelne Kooperationen. Doch sagte er auch: „Ich sehe auf absehbare Zeit nicht, dass sich die Struktur ändern wird oder die Zusammenarbeit, die wir haben.“
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