Autozulieferer Ex-ZF-Chef Sommer wird Aufsichtsrat beim Konkurrenten Knorr-Bremse

Der Volkswagen-Vorstand für das Ressort Komponenten und Beschaffung und ehemaliger ZF-Chef zieht in den Aufsichtsrat von Knorr-Bremse.
Stuttgart Stefan Sommer, ehemaliger Chef von ZF Friedrichshafen, besetzt den frei gewordenen Platz des im Februar verstorbenen Firmenpatriarchen Heinz Hermann Thiele im Aufsichtsrat von Knorr-Bremse. Dessen Position als stellvertretender Aufsichtsratschef soll allerdings Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer bekleiden, der bereits Mitglied des Kontrollgremiums ist.
Aufsichtsratschef Klaus Mangold ist mit Sommer eine weitere hochkarätige Neuverpflichtung für den Bremsenhersteller gelungen. „Herr Sommer ist eine große Bereicherung. Für uns ist er mit seiner Expertise vor allem für unser zweites Standbein, die Nutzfahrzeug-Division, sehr wichtig“, sagte Mangold dem Handelsblatt.
Er kenne sowohl die Zulieferer-Seite wie auch die Kundenperspektive durch seine Tätigkeit als Einkaufschef von Volkswagen. Der Aufsichtsrat ist zudem mit Ex-Airbus-Chef Tom Enders, dessen Mandat verlängert werden soll, industriell und strategisch stark besetzt.
Brisant ist die Personalie Sommer dennoch: Bis vor dreieinhalb Jahren führte der 58-Jährige den weit größeren ZF-Konzern. Kern seiner Strategie war es damals, das Geschäft mit Lkw-Bremsen zu erschließen und einen Frontalangriff auf ein Kerngeschäft von Knorr-Bremse zu starten.
Erst lieferte sich Sommer 2016 mit dem Münchener Zulieferer eine erbitterte Übernahmeschlacht um den schwedischen Bremsenhersteller Haldex. Knorr überbot ZF schließlich, später scheiterte die Übernahme an Kartellauflagen.
Sommer ließ nicht locker und versuchte durch die Übernahme des zweitgrößten Bremsenspezialisten Wabco, mit noch größerer Wucht zum Ziel zu kommen. Der damalige ZF-Chef wollte den Acht-Milliarden-Euro-Deal unbedingt. Aber den Stiftungseigentümern im ZF-Aufsichtsrat war die Attacke zu teuer – und zu riskant. Sommer musste Ende 2017 gehen.
Schleudersitz auf dem Vorstandsposten
Sein Nachfolger Wolf-Henning Scheider durfte den Plan zwei Jahre später umsetzen und Wabco übernehmen. Sommer selbst wurde 2019 Einkaufsvorstand bei Volkswagen. Und nun sitzt der Architekt der Strategie des größten Konkurrenten von Knorr-Bremse in dessen Aufsichtsgremium. Und damit der Mann, der dem Unternehmen und seinem Mehrheitseigentümer Thiele zuletzt das meiste Kopfzerbrechen bereitet hatte.
Mangold soll mit seinen 77 Jahren noch für eine Übergangsphase von bis zu zwei Jahren weitermachen. Die geplante Wahl von BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter als Chefkontrolleur ist erst einmal auf Eis gelegt. „Die endgültige Ausgestaltung der Familienstiftung wird noch bis mindestens Ende des Jahres dauern“, begründete Mangold sein Bleiben.
Es gebe einen engen Austausch mit allen Beteiligten: dem Testamentsvollstrecker Robin Brühmüller, Heinz Hermann Thieles zweiter Frau Nadia und seiner Tochter Julia Thiele-Schürhoff, die über die zu gründende Stiftung 59 Prozent an Knorr-Bremse halten.
Seit Jahresanfang führt Ex-Siemens-Manager Jan Mrosik das operative Geschäft. Auch mit der Schaffung des neuen Ressorts Integrität und Recht und der Verpflichtung von Claudia Mayfeld von Innogy habe das Unternehmen eine starke Persönlichkeit gewinnen können. Der Aufsichtsratschef sieht das Unternehmen auf gutem Wege, an das Wachstum vor der Corona-Pandemie wieder anzuknüpfen.
An die Adresse von ZF sagte Mangold: „Wabco war auch schon vorher ein starker Wettbewerber und wird mit ZF sicher nicht schwächer.“ Aber Knorr-Bremse sei mit den Übernahmen des Lenkungsherstellers Sheppard in den USA und des Unternehmensbereichs von Hitachi in Japan nicht um eine Antwort verlegen und werde die Weltmarktposition verteidigen und ausbauen.
Mehr: Zeitenwende bei Knorr-Bremse – Jan Mrosik tritt das schwere Erbe des Patriarchen an.
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