Autozulieferer „Neuer globaler Champion“ – Faurecia und Hella wollen es mit Bosch und Conti aufnehmen

Der Autozulieferer gehört in Zukunft dem französischen Konkurrenten Faurecia
Düsseldorf Blickt man zurück in die Wirtschaftsgeschichte, gilt der Zusammenschluss von deutschen und französischen Unternehmen nicht gerade als Erfolgsmodell. Die Liste gescheiterter und wenig erfolgreicher Fusionen ist lang. Und dennoch wagen mit Hella und Faurecia wieder ein deutsches und ein französisches Unternehmen eine Fusion.
„Mit dieser Transaktion entsteht ein neuer globaler Champion im Autozulieferersektor“, sagte Hella-Chef Rolf Breidenbach in einer Investorenkonferenz am Montag. Beide Unternehmen zusammen bringen einen Umsatz von 23 Milliarden Euro auf die Waage. Insgesamt 150.000 Mitarbeiter an 375 Standorten wird Faurecia nach dem Zusammenschluss beschäftigen.
Faurecia-Chef Patrick Koller spricht von einer einzigartigen Kombination. „Zusammen mit Hella wollen wir in den Bereichen Elektronik und Software, den Megatrends der Autoindustrie, wachsen“, sagte er auf der Investorenkonferenz von Faurecia. Der französische Zulieferer hofft mit der Hella-Übernahme zudem, die Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor gemessen am Umsatz bis 2025 auf unter zehn Prozent senken zu können. Derzeit sind es noch 25 Prozent.
Die Wachstumsziele sind ambitioniert und eine Kampfansage an die drei größten Autozulieferer in Europa, Bosch, Continental und ZF. Bereits 2025 rechnet Faurecia mit einem Umsatz von über 33 Milliarden Euro und einer Gewinnmarge jenseits der Acht-Prozent-Marke. In der Präsentation der Investorenkonferenz geht Faurecia davon aus, bereits im kommenden Jahr über ein größeres Geschäft zu verfügen als Continental mit seiner Autosparte.
Breidenbach ist optimistisch, diese Ziele zu erreichen. „Aus Produktsicht profitieren wir mit der Kombination Hella und Faurecia noch stärker als bisher von den Markttrends“, sagte der 58-Jährige auf der Investorenkonferenz. „Hella ist in den Bereichen Elektrifizierung, Fahrerassistenzsysteme und der Konnektivität stark vertreten. Faurecia wiederum bei Wasserstoffantrieben und dem Cockpit der Zukunft.“
Faurecia ist auf das stramme Gewinnziel angewiesen. Denn die Übernahme von Hella ist teuer. Rund 6,8 Milliarden Euro zahlen die Franzosen für den MDax-Konzern. Die Hälfte davon überweist Faurecia an die Eigentümerfamilie Hueck. Das Management um Faurecia-Chef Patrick Koller rechnet allerdings nur mit einer kurzfristigen Erhöhung der Schuldenquote. Im Verhältnis zum Gewinn solle die Verschuldung bereits in zwei Jahren wieder auf das Vor-Übernahme-Niveau sinken.
Der Verkauf von Geschäftsteilen solle dabei helfen. Dabei gehe es um Geschäftsteile mit einem Volumen von 500 Millionen Euro, sagte Faurecia-Chef Patrick Koller am Montag. Details nannte er nicht. Das Geschäft mit sauberer Mobilität stehe allerdings nicht zum Verkauf. Gesenkt werden soll die Verschuldung zudem mithilfe von Kostensynergien, die Faurecia bis 2025 auf bis zu 200 Millionen Euro schätzt.
Koller war in den 90er-Jahren Hella-Mitarbeiter
Wo genau diese Kostensynergien gehoben werden, lässt Breidenbach offen. Nur so viel: Im Einkauf gäbe es Möglichkeiten. Über dieses Thema werde im Integrationskomitee von Hella und Faurecia zu gegebener Zeit verhandelt. Ein in der Branche gut vernetzter Berater sieht die Möglichkeiten, Kosten zu sparen, skeptischer. „Versteckte Perlen oder hohe Kostensenkungspotenziale werden für die Franzosen bei Hella nicht zu finden sein. Das Unternehmen ist maximal für den Börsenwert ausgereizt“, gibt er zu bedenken.
Laut Koller werde vor allem die starke Cashflow-Entwicklung dazu beitragen, die Verschuldung senken zu können. „Beim Cashflow sehen wir im zusammengeschlossenen Unternehmen Optimierungspotenzial bei den Investitionen und beim Working Capital“, sagt der Faurecia-Chef. Ein Stellenabbau sei dafür nicht geplant. „Es gibt eine Menge von Optimierungsmöglichkeiten, ohne Stellen abbauen zu müssen“, sagt Koller. Im Gegenteil denke man darüber nach, mehr neue Mitarbeiter einzustellen. Faurecia beschäftigt in Deutschland aktuell 5500 Mitarbeiter. Gemeinsam mit Hella kommt das Unternehmen auf über 13.000 Angestellte.
Koller ist für Hella kein Unbekannter. Von 1991 bis 1994 war der Faurecia-CEO beim Lippstädter Zulieferer angestellt, als Jürgen Behrend, der Sprecher der Gesellschafterfamilie Hueck, dort Vorstandsvorsitzender war. Koller spricht daher von einer gemeinsamen strategischen Vision und einer ähnlichen Unternehmenskultur, die die Integration vereinfachen würde.
Wie bei Hella ist auch beim französischen Unternehmen mit den Peugeots eine Familie beteiligt. Im Vorfeld des Deals habe sich Familiensprecher Behrend mit Robert Peugeot getroffen, der die Familie im Aufsichtsrat vertritt. In gemeinsamen Gesprächen mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Michel De Rosen, und mit Koller habe man schnell gemerkt, dass man auf einer Wellenlänge sei.
Als Wachstumsbereiche hat Faurecia vier Bereiche ausgemacht: die Elektromobilität, Fahrerassistenzsysteme, das Innenraumgeschäft und das Lifecycle Value Management. Dieser Geschäftsbereich sieht vor, die Möglichkeit, Fahrzeuge zu reparieren, zu verbessern und so deren Lebensdauer zu erhöhen.
Allerdings wird Faurecia sich dafür an die hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung von Hella gewöhnen müssen. Der deutsche Zulieferer hat in den vergangenen Jahren regelmäßig neun bis zehn Prozent seines Umsatzes in seine Forschungsabteilungen investiert – ein Spitzenwert für die Branche. Faurecia hingegen ist hier etwas knauseriger. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres lag die F+E-Quote bei etwa sieben Prozent.
„Die hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind der Schlüssel für Hellas Erfolg in den vergangenen Jahren“, sagt Breidenbach. „Wir planen weiterhin mit hohen Ausgaben. Aber wir werden hier die Gespräche mit Faurecia zu diesem Thema abwarten müssen.“
„Faurecia hat Zukunftsgeschäft verschlafen“
Faurecia setzt große Stücke auf den Fahrerassistenzbereich von Hella. Diesen würden Faurecias Aktivitäten in diesem Bereich ergänzen. Das Problem: Genau hier sind die Franzosen bislang kein nennenswerter Player. Die entsprechende Sparte hat im abgelaufenen Halbjahr gerade einmal einen Umsatz von 400 Millionen Euro erzielt und ist die kleinste im Faurecia-Konzern. Im Wachstumsgeschäft mit Fahrerassistenzsystemen wird daher Hella im fusionierten Unternehmen weiterhin den Ton angeben. Die entsprechende Zentrale der Sparte wird in Lippstadt verbleiben.
„Faurecia hat einige Zukunftsgeschäfte der Autoindustrie verschlafen. Sie sind daher stärker auf Hella angewiesen als andersherum“, sagte ein Manager eines französischen Faurecia-Konkurrenten dem Handelsblatt. Koller macht daraus kein Geheimnis. „Wir werden jetzt ohne Arroganz zusammenarbeiten. Denn wir brauchen Hella, und wir glauben, dass Hella auch uns braucht“, sagte er in einer Journalistenkonferenz am Montag.
Auch deswegen ist Faurecia bereit, den hohen Preis für Hella zu bezahlen. Laut einem Branchenkenner seien Unternehmen mit Zukunftstechnologien wie bei Hella derzeit selten auf dem Markt. „Entsprechend hoch sind die Preise“, sagt er. „Ob sich die damit verbundenen hohen Erwartungen der Käufer erfüllen lassen, dahinter stehen zumindest Fragezeichen.“ Denn jetzt werde es sehr teuer, die Technologielücke zu schließen. Und für nicht zum Zuge gekommene Unternehmen wie Mahle oder Knorr-Bremse wird es immer schwieriger, ihre Lücken zu schließen.
Die großen deutschen Zulieferer Bosch, Continental und ZF hingegen könnten laut Experten die Übernahme von Hella durch Faurecia gelassen sehen. „Für sie wäre es viel bedrohlicher gewesen, wenn Magna die Anteile von Hella übernommen hätte“, sagte ein Automanager.
Fraglich ist, wie künftig die Rolle von Hella-Chef Breidenbach aussehen wird. Dieser betonte in der Journalistenkonferenz zwar, dass er sich jetzt auf die Integration beider Unternehmen konzentrieren werde. Koller wiederum sagte, dass Breidenbach Faurecia verstärken werde. Allerdings haben sich Doppelspitzen in der Unternehmenswelt selten bewährt, wie das Beispiel SAP zuletzt zeigte. „Der Abstimmungsbedarf ist zu groß, meist setzt sich einer nach einer kürzeren Übergangsphase durch“, sagt NordLB-Analyst Frank Schwope. „In der Regel ist das nicht der Chef des übernommenen Unternehmens.“
Für Erstaunen sorgte auf der Investorenkonferenz Kollers Einschätzung, dass Faurecia für die Gewinnabführung und für die geplanten Synergien keinen Beherrschungsvertrag über Hella benötige. Eine Entscheidung, ob ein solcher Vertrag geplant ist, sei noch nicht gefallen, sagte Hella-Finanzchef Bernard Schäferbarthold. Die Beratungen über eine optimale Finanzierungsstruktur für Hella liefen noch.
Für einen Beherrschungsvertrag mit Hella bräuchte Faurecia eine Mehrheit von 75 Prozent auf einer Hauptversammlung. Bisher haben die Franzosen aber nur die 60 Prozent der Familienaktionäre sicher.
„Wenn wir über 95 Prozent der Aktien kaufen könnten, dann würden wir Hella effektiv von der Börse nehmen“, sagte Koller. Auch was den Markennamen betrifft, ist die weitere Vorgehensweise noch unklar. „Der Name Hella hat einen hohen Wert. Wir müssen uns überlegen, ob ein neuer Name für die gesamte Gruppe zusätzlichen Wert bringen würde“, kündigte Koller an.
Mehr: Familiensprecher Jürgen Behrend: „Hella und Faurecia passen hervorragend zusammen.“
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