Babor-Managerin Isabel Bonacker Die Verjüngungsexpertin

Isabel Bonacker arbeitet im Spannungsfeld zwischen Tradition, Technik und Investment.
Aachen Marken bekommen im Gegensatz zu Haut weder Falten noch Altersflecken. Aber auch sie können ohne Pflege schnell alt aussehen. Isabel Bonacker gefällt der Vergleich. Die 49-Jährige ist ja qua Amt Expertin für Anti-Aging. Seit drei Jahren vertritt sie im Verwaltungsrat des Aachener Kosmetikherstellers Babor mit ihrem Cousin Martin Grablowitz die Interessen der Unternehmerfamilie. Und Bonacker gibt zu: „Unser Image war etwas eingestaubt, obwohl unsere Produkte immer hochinnovativ geblieben sind.“
Nun fanden die Tiegel und Tuben der Dr. Babor GmbH & Co. KG, die ihre Produkte vor allem über Kosmetikerinnen vertreibt, immer Abnehmerinnen. Der Chemiker Michael Babor hatte 1956 das Hautreinigungsmittel „HY-Öl“ entwickelt, bis heute ein Verkaufshit. 1962 kaufte dann Isabel Bonackers Großvater Leo Vossen die Firma, verlegte sie nach Aachen und expandierte. Heute ist Babor in mehr als 70 Ländern vertreten, verkauft jedes Jahr allein 50.000 Liter des HY-Öls und vertreibt von der Gesichtscreme bis zum Make-up mehr als 100 verschiedene Produkte, die auch mal mehrere Hundert Euro kosten.
Trotzdem wusste Bonacker, die mit dem in Finanzkreisen bekannten Banker Michael Bonacker verheiratet ist und mit der Familie im Taunus lebt: Ebenso, wie ihr die Kosmetikerin keinen Familienbonus oder bevorzugt Termine einräumt, würde auch der Eintritt ins Familienunternehmen kein Selbstläufer.
Vor allem der digitale Wandel forderte Babor mit seiner Kundschaft vom Akne-geplagten Teenager über Prominente wie Cameron Diaz und Bastian Schweinsteiger bis hin zur 103-Jährigen. Wie könnte man zum Beispiel Kundinnen über Social Media oder den Onlineshop binden, ohne die Hauptklientel, die Kosmetikerinnen, zu verärgern?
Das Spannungsfeld zwischen Tradition und Technik, Commitment und Investment hat Bonacker bei Babor stets vor Augen. Oft ist sie bei Kunden oder auf Messen unterwegs, etwa alle acht Wochen steigt sie um 6.43 Uhr in den Zug Richtung Aachen. Dort erhebt sich heute die moderne Glasfassade der Firmenzentrale, die beständig erweitert wurde und die Arbeitsplatz ist für mehr als 400 der weltweit 500 Beschäftigten.
„Ich bin ein Ampullen-Junkie!“
In Vitrinen auf den Fluren zelebriert Babor die Kassenschlager vergangener Jahrzehnte: schwarze Packungen, protziges Design. Und im Schulungsraum für die Kosmetikerinnen, wo Behandlungsliegen im Halbkreis stehen, zieren den Boden seit Jahrzehnten Fliesen mit Abbildern von Arnika und Kamille, die in Babor-Produkten wirken. Die Heilpflanzen muten wie Relikte vergangener Epochen an – direkt neben dem stylishen Cafébar-Bereich, wo Besucher auch mal eine Landeschefin oder einen Manager treffen, die sich einer Gesichtsbehandlung unterziehen.
Auch Bonacker nutzt Babor-Produkte. „Ich bin ein Ampullen-Junkie!“, ruft sie und hält eine der zierlichen Glasflaschen mit Konzentrat für Gesichts- und Dekolleté-Pflege hoch – auch ein Kassenschlager. „Ich werde nächstes Jahr 50, und ich bekomme eben meine Falten“, meint die Mutter von drei Kindern. „Das hier sind kleine Schönmacher. Einfach aufbrechen, auf der Haut verteilen“, nun fährt sie sich zur Illustration mit den Händen über Gesicht, Hals und Nacken. „Dann noch Zähne putzen, fertig. Das ist grandios, gerade für viel beschäftigte Frauen.“
Die Juristin gab für die Familie einst ihre Beraterkarriere bei McKinsey auf, „weil das nicht zusammenpasst“. Sie ist keine Frau, die sagt, dass sich Kinder und Karriere gleichzeitig managen lassen, sondern: „Man sollte die Chance haben, sich Zeit für die Familie zu nehmen und später wieder Vollgas zu geben.“ Bonacker hat in ihrer Familienpause unter anderem eine Montessori-Schule mit aufgebaut. Als die Kinder dann größer waren, wollte sie wieder „professionell etwas gestalten“. Über die Sozialunternehmerorganisation Ashoka stieg sie von neuem ins Berufsleben ein, um dann mit ihrem Cousin die Elterngeneration bei Babor abzulösen.
In Aachen ist die Gesellschafterin, der Geschäftsführer Michael Schummert attestiert, „nicht ins operative Geschäft hineinzufunken“, offenbar das herzliche Verbindungsglied zwischen Unternehmerfamilie, Manager und Belegschaft. Sie selbst sagt: „Ich sehe mich bei aller Ernsthaftigkeit auch zuständig fürs Entertainment.“ Erst im Mai bei der Feier zum 60-jährigen Bestehen trat sie auf die Bühne und sang auf die Melodie von „Que Sera, Sera“ ein eigens gedichtetes Loblied auf die Firma und ihre Mitarbeiter.
Wenn sie im Haus ist, stülpt sie auch Einmalkittel und weiße Stoffschluppen über, um eine Runde durch die Produktionshalle zu drehen. „Diese Nähe, das Interesse – das habe ich so nirgendwo anders erlebt“, meint der Betriebsleiter, der jetzt neben meterhohen Stahlbehältern steht, in denen gigantische Mixer rotieren. Die modernen Anlagen sind „state of the art“, man arbeite auf Pharmastandard – gern wirbt Babor mit dem Zusatz „Präzision made in Germany“.
„Facelift“ in allen Bereichen
Die Erneuerung machte vor anderen Bereichen nicht halt. Marketing und Verpackungen erhielten einen „Facelift“, 2014 und 2015 eröffneten Flagship-Stores in Hamburg und Berlin, im Hochregallager tragen die Mitarbeiter jetzt Datenbrillen. Auch die Schulungen für Kosmetikerinnen gehen über das Branchenübliche – die Anwendung der Produkte – hinaus. Babor fördert zum Beispiel den Umbau der Studios im einheitlich strahlenden Design, was sich für die Betreiber lohnt: Danach steigt der Umsatz dort im Schnitt um 20 Prozent. Und im Onlineshop können Käufer ihre Kosmetikerin benennen, sie wird dann am Umsatz beteiligt.
Der Bundesberufsverband der Fachkosmetikerinnen lobt dieses Miteinander. „Die neue Führung ist sehr zielgerichtet, und sie nimmt die Kosmetikerinnen mit auf diesem Weg“, sagt Geschäftsführer Bernard Sterz. Man müsse nur mal auf einer Fachmesse den Babor-Stand besuchen. „Dort liegt die Decke auf dem Behandlungstisch wie mit dem Lineal abgemessen. Alles ist bis ins Detail durchdacht und wird auch vorgelebt.“
Es ist eine tiefwirkende Verjüngungskur, die Bonacker und ihr Cousin Babor verordnet haben. Zwar redet die Vorgängergeneration ihnen nicht rein. Aber gerade im Onlinebereich tut sich viel, was über den reinen Verkauf hinausgeht und Bonackers Vater auch mal fragen lässt: „Dafür braucht ihr jetzt fünf Leute?“ Da ging es um Experten etwa für Onlinemarketing und Suchmaschinenoptimierung – Aktivitäten, die zu den Zeiten des Vaters noch keine Rolle spielten. Die Zahlen jedenfalls sprechen für sich: 2015 steigerte Babor den Umsatz um zehn Prozent auf 107 Millionen Euro, für 2016 erwartet man eine ähnlich dynamische Steigerung.
In den sozialen Medien sind manche Babor-Produkte regelrechte Klick-Hits, vor allem die Instagram-Beiträge einiger Models und Bloggerinnen, die Lotion und Lippenstifte testen und mehr als 100.000 Anhänger erreichen. Die Frauen erhalten einige Testprodukte kostenlos, sind aber völlig unabhängig. Diese Selfie-gesteuerte Wahrnehmung ist nicht Bonackers Welt, aber sie weiß um den Wert dieser Aktivität: „So etwas können Sie sich nicht einkaufen. Das funktioniert nur, wenn Sie etwas Gutes zu bieten haben.“
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