Bilfinger-Chef im Interview Tom Blades: „Ich habe bereits einen deutschen Pass beantragt“

„Wir haben unsere Strategie bewusst organisch geplant.“
Düsseldorf Für Bilfinger-Chef Tom Blades ist mit der Präsentation der Jahreszahlen für 2019 ein wichtiger Meilenstein erreicht. Vor knapp vier Jahren war der britische Manager angetreten, den früheren Baukonzern zu sanieren. Heute ist Bilfinger ein Industriedienstleister – und hat sich in Bezug auf Mitarbeiter, Umsatz und Gewinn in den vergangenen Jahren massiv verkleinert.
Doch nach Jahren des Schrumpfens peilt Blades nun wieder einen Wachstumskurs an und denkt sogar über Zukäufe nach. „Ich weiß, wie ein Übernahmeziel aussehen muss, damit wir es machen“, sagte der Vorstandschef im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Erstens muss das Unternehmen eine Ertragsmarge weit über zwölf Prozent erzielen.“
Idealerweise sei es zudem eine Firma, wo die Vertriebs- und Verwaltungskosten über acht oder neun Prozent liegen, um schnelle Erfolge zu erreichen. Bis 2024, so kündigte Bilfinger nun an, soll der Umsatz von zuletzt 4,2 Milliarden Euro auf über fünf Milliarden steigen.
Die Bruttomarge, derzeit bei 9,4 Prozent, soll auf über 12 Prozent steigen. Dabei würden auch immer wieder weitere Verkäufe diskutiert, wie etwa im Fall der Technologie-Sparte, in der Bilfinger den Anlagenbau bündelt.
„Die Frage ist aber: Wann veräußert man eine nicht ganz so kleine Firma?“, so Blades. Bei defizitären Unternehmen könne ein Verkauf auch Verluste bedeuten. „Das haben wir alles sehr sorgfältig und genau abgewogen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir den Turnaround selbst schaffen wollen.“ Sei die Sparte profitabel, könne man über einen Verkauf nachdenken. „Darüber sprechen wir im Vorstand und Aufsichtsrat oft.“
Im Juni 2021 läuft Blades Vertrag aus. Doch auch danach will er für die Weiterentwicklung des Unternehmens zur Verfügung stehen. „Ich bin 2016 angetreten, um die Firma ans Ziel zu bringen.“ Dort sei Bilfinger aber noch nicht angekommen. „Das Unternehmen vorher zu verlassen, wäre schade.“
Damit der Plan nicht am Aufenthaltsstatus scheitert, hat sich der Brite angesichts des EU-Austritts Großbritanniens bereits einen deutschen Pass besorgt. „Das hat für mich jetzt schon Vorteile. Ich kann zum Beispiel viel schneller und unkomplizierter nach Russland einreisen als mit meinem britischen Pass.“
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Blades, Sie haben die Compliance-Probleme des Konzerns gelöst, im Konzern den Turnaround geschafft und peilen langsam wieder Zukäufe an. Ist die Sanierung von Bilfinger abgeschlossen?
Nein. Wenn man sich unsere beiden Sparten anschaut, dann sieht man, dass sich nur eine davon in der Zielmarge befindet. Das ist unser Service-Geschäft. Hier gibt es immer noch Raum für kontinuierliche Verbesserungen, aber das ist Bestandteil des Tagesgeschäfts. Im Technologiebereich sieht es etwas anders aus. Hier sind wir mit dreien unserer fünf Tochterunternehmen zufrieden. Mit zweien sind wir noch hochgradig unzufrieden.
Was ist Ihr Plan?
Eines dieser Unternehmen ist ein schwerer Restrukturierungsfall, das andere hat wegen unserer Strategie, auf Neuprojekte mit Kohlekraftwerken zu verzichten, einen schweren Umsatzrückgang zu verkraften. Wir glauben aber, dass wir hier dank der Aufträge, die wir in den nächsten Monaten unterzeichnen werden, den Turnaround hinbekommen. Über die gesamte Sparte hinweg haben wir im vergangenen Quartal aber den Break-Even erreicht.
„Es sollte eine Firma sein, die bereits Gewinn erwirtschaftet“
Durch den bevorstehenden Verkauf von Apleona ist Ihre Kasse bald prall gefüllt. Welche Unternehmen kommen aus Ihrer Sicht für eine Übernahme in Frage?
Mir wird diese Frage oft gestellt. Ich weiß, wie ein Übernahmeziel aussehen muss, damit wir es machen. Erstens muss das Unternehmen eine Ertragsmarge weit über zwölf Prozent erzielen. Idealerweise ist es eine Firma, wo die Vertriebs- und Verwaltungskosten über acht oder neun Prozent liegen. Denn unsere liegen unterhalb von sieben, so kann man sehr schnell Erfolge erreichen. Es sollte eine Firma sein, die bereits Gewinn erwirtschaftet. Wir können Restrukturierung, das hat man jetzt gesehen. Wir wollen es aber nicht, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.
Welche Branchen sind für Sie interessant?
Es wäre gut, wenn wir mit dem möglichen Zukauf unsere Produktpalette erweitern können. Das wäre zum Beispiel der Fall bei Anlagen mit sogenanntem Rotating Equipment, also rotatorisch angetriebenen technischen Anlagen. Wir verleasen zwar heute schon etwa Pumpen und Motoren, die großen Turbinen und Verdichter sind aber eine Größenordnung über unserer Kompetenzklasse. Nicht nur das Zahlenwerk muss stimmen, das Unternehmen muss auch in die Strategie passen. Zudem muss das Geschäft global funktionieren: Wir wollen die zugekauften Kompetenzen auf der ganzen Welt einsetzen können.
Ihr Großaktionär ENA hat bereits gefordert, einen Teil der erwarteten Erlöse an die Aktionäre auszuschütten. Ist das eine Option?
Wenn es soweit ist – und ich rechne damit eher später als früher – dann müssen wir sehen, ob es Objekte gibt, die den eben geschilderten Kriterien genügen. Gibt es die nicht, ist auch eine Schuldensenkung oder eine Sonderdividende möglich. Alle Optionen sind noch offen.
Ist es möglich, dass Sie in neue Märkte expandieren? Ihre nun vorgelegte Strategie konzentriert sich stark auf Regionen, in denen Bilfinger bereits vertreten ist, also Europa, Nordamerika und der Mittlere Osten.
Wir haben unsere Strategie bewusst organisch geplant. Eine Expansion beispielsweise nach Asien wäre eher ein Fall für einen Zukauf. Das ist grundsätzlich denkbar, darauf haben wir aber nicht unseren Fokus gelegt. Sollten wir in neuen Regionen zukaufen, muss es ein absolut sauberes Geschäft sein. Wichtig ist, wir kennen die relevanten globalen Trends. Unsere Strategie und unsere Imperative basieren darauf und wir besitzen die notwendigen Fähigkeiten, diese umzusetzen.
„Wir sind noch nicht am Ziel“
Der Londoner Investmentfonds ENA fordert, das Unternehmen weiter zu verkleinern und auch über eine Abgabe der Technologie-Sparte nachzudenken. Ist das ein gangbarer Weg?
Ja, das ist ein gangbarer Weg. Die Frage ist aber: Wann veräußert man eine nicht ganz so kleine Firma? Wenn sie zudem Verluste bringt, muss man Geld mitgeben und einen Weg aus den Verträgen herausfinden. Das haben wir alles sehr sorgfältig und genau abgewogen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir den Turnaround selbst schaffen wollen. Wenn die Firma durch die schwarze Null geht, kann man über einen Verkauf nachdenken – wenn wir den richtigen Käufer finden. Darüber sprechen wir im Vorstand und Aufsichtsrat oft.
Im kommenden Jahr läuft Ihr Vertrag nach fünf Jahren aus, einen Großteil der Aufräumarbeit haben Sie bereits hinter sich gebracht. Stehen Sie danach weiter zur Verfügung?
Ich bin 2016 angetreten, um die Firma ans Ziel zu bringen. Wir sind noch nicht dort. Und das Unternehmen vorher zu verlassen, wäre schade. Wir haben sehr hart für die Stabilisierungsphase und den Aufbau gearbeitet. Wir sind wieder profitabel. Ich wäre gerne dabei, wenn wir Bilfinger wieder ganz dorthin bringen, wo die Firma hingehört.
Als Brite sind Sie vom bevorstehenden EU-Austritt Großbritanniens betroffen. Haben Sie persönlich Vorkehrungen getroffen?
Ich habe mittlerweile auf Drängen meiner Frau einen deutschen Pass beantragt. Das hat für mich jetzt schon Vorteile. Ich kann zum Beispiel viel schneller und unkomplizierter nach Russland einreisen als mit meinem britischen Pass.
Herr Blades, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
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