Biotechnologie Neues Blutkrebs-Medikament zugelassen – Durchbruch für Biotechfirma Morphosys

Das Unternehmen will Substanzen stärker in eigener Verantwortung entwickeln und auf diese Weise ein eigenes Pharmageschäft aufbauen.
Frankfurt Einen Monat früher als erwartet hat die Münchener Biotechfirma Morphosys in den USA die Zulassung für ihren Krebswirkstoff Tafasitamab erhalten. Er soll künftig unter dem Namen Monjuvi vertrieben werden.
Das Medikament wurde von der Arzneimittelbehörde FDA zuvor als Therapiedurchbruch eingestuft. Konkret zugelassen hat die FDA den Wirkstoff nun für die Zweitlinienbehandlung des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL), also für Patienten, bei denen die Standardtherapie versagt hat und die nicht für eine Stammzell-Transplantation infrage kommen. B-Zell-Lymphome sind eine relativ häufige Art von Blutkrebs, bei der sich B-Zellen des Immunsystems unkontrolliert vermehren. In Europa läuft das Zulassungsverfahren noch.
Analysten schätzen das Umsatzpotenzial des Wirkstoffs bisher auf 0,5 bis eine Milliarde Dollar. Sollte es für weitere Einsatzbereiche (Indikationen) zugelassen werden, könnte es nach Einschätzung von Experten aber auch noch deutlich höhere Erlöse erzielten. Morphosys testet das Mittel auch noch gegen andere Blutkrebsarten, etwa auch bestimmte Leukämien.
Auf jeden Fall ist die Genehmigung für das Unternehmen ein enorm wichtiger Erfolg. Es ist das erste Medikament, das die Münchener voll in eigener Regie entwickelt und durch das Zulassungsverfahren gebracht haben. „Diese Zulassung ist ein wichtiger Schritt in unserer Transformation zu einem voll integrierten biopharmazeutischen Unternehmen“, erklärte Morphosys-Vorstandsvorsitzender Jean-Paul Kress.
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Die 1992 gegründete Morphosys ist zunächst vor allem als Spezialist für sogenannte Antikörper, eine spezielle Art von Proteinen, groß geworden. Mehrere Dutzend solcher Antikörper aus der Morphosys-Forschung werden inzwischen von verschiedenen Pharmapartnern in Lizenz als Medikament entwickelt.
Umsatz mit Lizenzgeschäften
Mit dem Schuppenflechtemedikament Tremfya, das ebenfalls auf der Morphosys-Technologie basiert, erzielt der US-Konzern Johnson & Johnson inzwischen mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz. Allerdings erhält Morphosys dafür nur Lizenzerträge in Höhe von einstelligen Prozentanteilen am Umsatz.
Deshalb strebt das Unternehmen seit Jahren auch danach, Substanzen stärker in eigener Verantwortung zu entwickeln und auf diese Weise ein eigenes Pharmageschäft aufzubauen. Monjuvi könnte dazu nun den Weg ebnen. Es ist zugleich eines der ganz wenigen marktreifen Medikamente, die bisher aus der deutschen Biotechbranche heraus entwickelt wurden.
Der Zulassungserfolg der Münchener unterstreicht insofern den aktuellen Aufwärtstrend des Sektors, der zuletzt vor allem durch die Covid-Impfstoff-Entwickler Biontech und Curevac ins Rampenlicht gerückt war.
Morphosys festigt mit dem Produkterfolg zudem seine Rolle als einer der Top-Player in der deutschen Biotechszene. Gemessen an der Börsenbewertung von 3,5 Milliarden Euro ist es aktuell das drittgrößte deutsche Biotechunternehmen nach Biontech und Qiagen und knapp vor der Hamburger Evotec.
Morphosys will Monjuvi in Nordamerika gemeinsam mit dem Partner Incyte vermarkten, mit dem man Anfang des Jahres eine umfassende Allianz vereinbarte. Die Umsätze werden dabei voll bei Morphosys verbucht, während man sich die Erträge teilt.
Außerhalb der USA hält Incyte die exklusiven Vertriebsrechte und zahlt dafür Lizenzgebühren in Höhe eines mittleren Zehner- bis mittleren Zwanziger-Prozentanteils vom Umsatz. Darüber hinaus hat Morphosys im Rahmen der Allianz Anspruch auf weitere erfolgsabhängige Zahlungen von bis zu 1,1 Milliarden Dollar.
Die FDA-Zulassung basierte auf Daten der von Morphosys gesponserten Phase-2-L-MIND-Studie, bei der Monjuvi in Kombination mit dem etablierten Krebsmittel Lenalidomid von Celgene/BMS zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL eingesetzt wurde. Die Ergebnisse der Studie zeigten laut Morphosys eine relative Gesamtansprechrate (ORR) von 55 Prozent, wobei bei 37 Prozent der Patienten der Krebs vollständig zurückgedrängt werden konnte. Die Wirkdauer betrug im Mittel knapp 22 Monate.
„Die FDA-Zulassung von Monjuvi stellt Patienten mit akutem Bedarf eine neue Therapieoption in den USA zur Verfügung“, sagte Professor Giles Salles, Leiter der Abteilung für klinische Hämatologie an der Universität Lyon, Frankreich, der die Studie als leitender Prüfarzt betreute. „Die heutige FDA-Entscheidung bringt neue Hoffnung für Patienten mit dieser aggressiven Form von DLBCL, deren Erkrankung während oder nach der Erstlinientherapie weiter fortgeschritten ist.“
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