Börsengang von DocMorris Angriff der virtuellen Apotheken

Der Konzern will beim Börsengang mehr als 200 Millionen Euro erzielen.
Frankfurt Walter Oberhänsli wählt seine Worte zwar mit Bedacht. Wenn der CEO der Zur-Rose-Gruppe von seinen Expansionsplänen im europäischen und insbesondere dem deutschen Apothekenmarkt spricht, klingt das nicht nach purer Angriffslust. An seiner Beharrlichkeit lässt Oberhänsli aber auch keinen Zweifel aufkommen: Zur Rose will die führende Position, die das Unternehmen in Deutschland mit seiner Marke Doc Morris inne hat, weiter ausbauen. Das stellte er im Interview mit dem Handelsblatt unmissverständlich klar.
Das nötige Kapital dazu will sich der 58-jährige Rechtsanwalt, der die Versandapotheke 1993 mit 21 Ärzten gründete, an der Börse besorgen. Wie das gehen kann, hat die Shop Apotheke Europe im Oktober an der Börse in Frankfurt vorgemacht. Netto 95 Millionen Euro konnte die Versandapotheke mit Sitz im niederländischen Venlo einsammeln. Zur Rose will sogar bis zu 230 Millionen Franken (212 Millionen Euro) erlösen.
Für den Apothekenmarkt in Deutschland und Europa werde der zweite Börsengang einer Versandapotheke Folgen haben, erwartet Tobias Brodtkorb, Managing Partner bei den Beratern von Sempora Consulting: „Der Onlinehandel mit Medikamenten in Europa wird einen Schub bekommen.“ Denn mit dem Kapital, das Zur Rose und auch die Shop Apotheke in die Bearbeitung der Märkte, in Werbung und die Gewinnung neuer Kunden stecken können, werden beide Anbieter ihre Marktpositionen deutlich ausbauen. Das geht zulasten anderer Medikamentenversender, die nicht so kapitalkräftig sind, und stationärer Apotheken. „Aber da der Apothekenmarkt insgesamt wächst, heißt das nicht unbedingt, dass die anderen Anbieter vom Markt gedrängt werden“, erklärt Brodtkorb.
Wie dynamisch das Geschäft wachsen kann, zeigt Shop Apotheke Europe: Das Unternehmen wuchs im ersten Quartal um 56 Prozent auf 63,8 Millionen Euro. Der operative Verlust (Ebitda) weitete sich dabei allerdings von 2,3 auf 3,6 Millionen Euro aus, unter anderem wegen gestiegener Kosten für TV-Werbung. Die Shop Apotheke hat den Fokus auf freiverkäufliche Arzneimittel, Kosmetik und Schönheitsprodukte gelegt. Verschreibungspflichtige Arzneimittel, im Fachjargon Rx-Produkte genannt, machen zwei Prozent des Umsatzes.
Das ist bei Zur Rose anders. Denn die Tochter Doc Morris, die vor 17 Jahren aus dem niederländischen Heerlen gestartet ist, wurde mit verschreibungspflichtigen Medikamenten groß. Wegen des ausländischen Firmensitzes konnte Doc Morris Rabatte gewähren. Mit rund 300 Millionen Euro Umsatz steuert sie zum Geschäft von Zur Rose bei, rund 70 Prozent stammen von rezeptpflichtigen Medikamenten.
Der Markt wächst
Weil die Schweizer jetzt aber verstärkt das Geschäft mit rezeptfreien Produkten ausbauen wollen, haben sie ebenfalls kräftig in die Werbung für Doc Morris investiert. Auch deswegen fuhr Zur Rose im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von knapp 880 Millionen Schweizer Franken einen Verlust von 12,8 Millionen Franken ein. Aber Wachstum gehe derzeit vor Gewinn, sagt CEO Oberhänsli und verweist auf die guten Wachstumsraten von Doc Morris im ersten Quartal: plus 17 Prozent. Dabei legten freiverkäufliche Medikamente (OTC) um 45 Prozent zu und rezeptpflichtige um sechs Prozent.
Der Markt für freiverkäufliche Medikamente und andere Apothekenprodukte wie Kosmetik und Nahrungsergänzungsmittel bietet auf jeden Fall noch viel Potenzial. Nach Schätzungen der Unternehmensberatung Sempora summierte sich das Marktvolumen allein in den vier größten Märkten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien auf knapp 22 Milliarden Euro. Von einem zweistelligen Onlineanteil wie in Deutschland (13,5 Prozent) sind die übrigen Märkte noch weit entfernt – in den meisten Ländern liegt die Quote unter zwei Prozent.
Am 6. Juli werden die Aktien von Zur Rose voraussichtlich erstmals an der Börse in Zürich gehandelt. Bis dahin sollen insgesamt 1,9 Millionen neue Titel für 120 bis 140 Franken je Stück ausgegeben werden. Damit wird Zur Rose mit bis zu 870 Millionen Franken bewertet.
Allerdings dürfte das dann auch erst einmal der letzte Börsengang eines Apothekenkonzerns in Europa sein, erwartet Sempora-Manager Brodtkorb: „Die nächstgrößeren Versandapotheken sind Anbieter aus Deutschland, aber das sind allesamt von Apothekern geführte Unternehmen und keine Kapitalgesellschaften.“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.