Branchenstudie So muss die Chemiebranche auf schrumpfendes Wachstum reagieren

Eine Langfrist-Analyse des Verbands der Chemischen Industrie zeigt: Neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen könnten das schrumpfende Wachstum kompensieren.
Frankfurt Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland muss sich auf mäßige Wachstumsraten und einen weitreichenden Strukturwandel einstellen. Sie kann jedoch ein schrumpfendes Wachstumspotenzial im klassischen Chemiebereich mit neuen Geschäftsmodellen und Dienstleistungen zumindest teilweise kompensieren.
Gelingt es der Branche, die zusätzlichen Geschäftspotenziale zu heben, könnte sie zusätzliches Wachstum von etwa 0,5 Prozent pro Jahr generieren und damit ihren Umsatz bis 2050 um durchschnittlich 1,6 Prozent pro Jahr steigern.
Das ist das Fazit einer neuen Langfrist-Analyse, die der Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Kooperation mit dem Schweizer Forschungsinstitut Prognos erstellt hat. Die Studie hat sich das ambitionierte Ziel vorgenommen, die Perspektiven von Deutschlands viertgrößtem Industriezweig über die nächsten drei Jahrzehnte hinweg aufzuzeigen, und hat dazu insbesondere auch jüngere Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft mit einbezogen.
Dazu gehören etwa die steigenden Anforderungen im Klimaschutz, Effekte der Digitalisierung sowie die wachsenden Unsicherheiten in Politik und globalen Handelsbeziehungen.
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Ausgangspunkt der Analyse: Es wird erwartet, dass die Weltwirtschaft zwar weiter solide wächst. Dabei dürften sich die Wachstumsraten jedoch im Laufe der Zeit von derzeit noch etwa 2,6 Prozent auf rund zwei Prozent ab 2040 abschwächen und die Dynamik zusehends in Richtung Dienstleistungen verlagern.
Für Deutschland unterstellen die Experten von VCI und Prognos nur noch ein Wachstum des verarbeitenden Gewerbes von durchschnittlich 1,3 Prozent in den nächsten drei Jahrzehnten.
In diesem Umfeld muss sich die deutsche Chemiebranche insgesamt (inklusive Pharma) mit dem angestammten Geschäftsmodell auf ein moderates Wachstum von durchschnittlich nur 1,1 Prozent einstellen – was in etwa dem Trend der zurückliegenden zehn Jahre entspricht.
Noch schwächer dürfte die Entwicklung ausfallen, wenn man die mit einbezogene Pharmabranche einmal außen vorlässt. Denn während sich die Pharmaproduktion nach Schätzung des VCI bis 2050 im Vergleich zu 2017 auf fast 96 Milliarden Euro verdoppeln dürfte, wird der Produktionswert der Chemie im engeren Sinne danach nur um knapp ein Viertel auf 169 Milliarden Euro zulegen.
Das entspricht einem durchschnittlichen Wachstum von gerade mal 0,6 Prozent pro Jahr.
Chemieexport dürfte zunehmen
Mehrere Faktoren stehen hinter dieser Entwicklung. Zum einen dürfte der Chemieexport aus Deutschland nach Schätzung des VCI zwar weiter zunehmen. Tendenziell dürften die deutschen Chemiehersteller indessen Marktanteile auf den Auslandsmärkten verlieren. „Der Innovationsvorsprung deutscher Chemieunternehmen schmilzt, da die Schwellenländer technologisch rasch aufholen“, heißt es in der Studie.
Nachteilig haben sich ferner die im Vergleich hohen Rohstoff- und Energiekosten in Deutschland ausgewirkt. Das trifft vor allem die Basischemie-Produktion, die nach Schätzung des VCI in Deutschland bis 2050 von derzeit 52 auf etwa 44 Milliarden Euro schrumpfen dürfte.
Hinzu kommt der Effekt, dass unter anderem auch im Zuge protektionistischer Entwicklungen in vielen Schwellenländern die lokalen Produktionskapazitäten überproportional ausgeweitet werden.
Im Inland, wo derzeit etwa die Hälfte der deutschen Chemieproduktion verarbeitet wird, wird die Branche unterdessen voraussichtlich durch den Strukturwandel in den wichtigen Abnehmerindustrien gebremst.
Die Digitalisierung und der Trend zu einem nachhaltigeren Konsum werden hier nach Analyse von VCI und Prognos dazu führen, dass die weniger chemie-intensiven Branchen wie Maschinenbau und Elektroindustrie künftig stärker wachsen als Sektoren mit hohem Chemieverbrauch wie Kunststoffverarbeiter, Bau- und Metallindustrie.
Insgesamt werde daher die Produktion für industrielle Kunden langfristig stärker wachsen als die Nachfrage nach Materialien aus der Chemie. Dieser Effekt könne immerhin aber teilweise durch eine höhere Wertigkeit der Chemieprodukte kompensiert werden.
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