Chemiebranche Chancen auf Börsengang von Bayer-Konkurrent Syngenta bis Jahresende steigen

Der chinesische Staatskonzern Chemchina hat den Baseler Saatgut- und Pflanzenschutzproduzenten 2017 gekauft und von der Börse genommen.
Zürich, Frankfurt Die Aussichten auf einen Börsengang des Saatgut- und Pflanzenschutzriesen Syngenta Ende des Jahres in Schanghai steigen. Die Technologiebörse Star hat den formalen Prozess für die Erstnotiz des Bayer-Konkurrenten wieder aufgenommen, wie der Webseite des Börsenbetreibers zu entnehmen ist. Anfang vergangener Woche war bekannt geworden, dass der Börsenplatz den Prozess für die Erstnotiz von Syngenta kurzzeitig ausgesetzt hatte. Grund dafür waren offenbar Verzögerungen bei der Abarbeitung von kurzfristig eingereichten Dokumenten.
Damit ist die Gefahr vorerst gebannt, dass eine Formalie den Zeitplan des Multimilliarden-Börsengangs durcheinanderwirbelt. Derzeit hält der chinesische Staatskonzern ChemChina 100 Prozent der Anteile an dem Baseler Konzern. Einen Teil der Anteile will ChemChina jedoch abgeben, unter anderem, um frisches Geld für die Expansion von Syngenta in China einzusammeln.
Offiziell hat Syngenta als Ziel einen Börsengang bis Mitte 2022 ausgelobt. Doch intern treibt CEO Erik Fyrwald nach Handelsblatt-Informationen die Erstnotiz bis Jahresende voran. Bis Mitte Dezember muss der Sprung auf das Parkett gelingen, sonst bleibt dem Unternehmen nichts anderes übrig, als den Börsengang ins nächste Jahr zu verschieben. Dann müsste Syngenta jedoch frische Finanzkennzahlen für das Gesamtjahr 2021 einreichen, was den gesamten IPO-Prozess weiter verzögern würde.
Mancher Investmentbanker äußert Zweifel, dass der Börsengang bis Jahresende gelingt, vor allem wegen der Verunsicherung rund um die Krise beim chinesischen Immobilienkonzern Evergrande. Die drohende Pleite des größten chinesischen Immobilienentwicklers schürt Sorgen vor einer Finanzkrise im Reich der Mitte. Besonders ausländische Investoren reagieren wegen der schwer berechenbaren Interventionen der chinesischen Regierung zunehmend vorsichtig. Zudem haben ausbleibende Zinszahlungen von Evergrande auf von ausländischen Investoren gehaltene Anleihen das Vertrauen der Anleger erschüttert.
In Konzernkreisen zeigt man sich jedoch zuversichtlich, dass die Evergrande-Krise den Börsengang des Unternehmens nicht gefährdet. Der Börsengang zielt vor allem auf chinesische Investoren, daher betreuen auch ausschließlich chinesische Banken den IPO-Prozess. Nur eine kleine Tranche könnte bei institutionellen Investoren aus dem Ausland platziert werden, zum Beispiel bei Staatsfonds. Eine Zweitnotiz etwa an der Börse in Zürich oder London gilt als wahrscheinlich, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt.
Strategische Bedeutung für China
Zudem richten sich die jüngsten Interventionen der chinesischen Regierung bislang gegen Exzesse auf dem Immobilienmarkt sowie gegen übermächtige Digitalkonzerne, etwa Alibaba. Syngenta ist dagegen für die chinesische Regierung von strategischer Bedeutung. Für die Kommunistische Partei hat die Sicherung der Nahrungsmittelproduktion sowie die Versorgung der chinesischen Fleischindustrie mit Futtermitteln wie Soja hohe Priorität. Daher hat der Staatskonzern ChemChina den Baseler Saatgut- und Pflanzenschutzproduzenten 2017 gekauft und von der Börse genommen.
Im Zuge der Neuordnung der staatlich dominierten chinesischen Chemiebranche hat ChemChina sein eigenes Pflanzenschutz- und Saatgutgeschäft abgespalten und bei Syngenta integriert. Mit dem Börsengang in Schanghai will Syngenta 65 Milliarden Renminbi einsammeln, umgerechnet rund zehn Milliarden Dollar.
Dabei peilt Syngenta Finanzkreisen zufolge eine Bewertung von 50 bis 60 Milliarden Dollar an. Syngenta könnte damit an den Börsenwert von Bayer herankommen, das noch immer mit der Integration des US-Saatgutriesen Monsanto kämpft.
ChemChina ist jedoch seinerseits auf eine hohe Bewertung von Syngenta angewiesen. Der Staatskonzern hatte 43 Milliarden Dollar für das Baseler Unternehmen gezahlt und zudem eigenes Geschäft eingebracht. An Börsenplätzen wie Zürich oder London hätte Syngenta jedoch große Probleme gehabt, eine Bewertung oberhalb des Kaufpreises von 2016 zu erreichen, sagt ein Investmentbanker. Mit der Erstnotiz an der Schanghaier Technologiebörse verfolge Syngenta auch das Ziel, eher wie ein Tech-Unternehmen bewertet zu werden.
Im ersten Halbjahr 2021 hat Syngenta ein Ergebnis vor Steuern (Ebitda) von 2,7 Milliarden Dollar erwirtschaftet, 22 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Selbst wenn Syngenta das Wachstum im zweiten Jahr halten kann, ist eine im Branchenvergleich überdurchschnittliche Bewertung mit dem Elf- bis Zwölffachen des Ebitda nötig, um die 60-Milliarden-Marke zu erreichen.
Zum Vergleich: Bayer wird nach der Monsanto-Übernahme mit dem sieben- bis achtfachen Ebitda bewertet, US-Konkurrent Corteva mit dem zwölffachen Ebitda. In Unternehmenskreisen verweist man jedoch auf die Wachstumschancen in China, die eine höhere Bewertung rechtfertigten. Doch ein durch Evergrande ausgelöstes Börsenbeben könnte die Pläne noch zunichtemachen.
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