Chemieindustrie China und USA als Treiber: Covestro-Chef erwartet starkes Jahr für die Weltwirtschaft

„Erst im zweiten Halbjahr rechnen wir mit einer Normalisierung.“
Frankfurt Der Kunststoffhersteller Covestro präsentiert sich derzeit schon wieder in stärkerer Verfassung als vor der Coronakrise. Das Ergebnis des ersten Quartals liegt nicht nur deutlich über dem Vorjahreszeitraum, in dem bereits in China der harte Lockdown die Wirtschaft bremste. Auch im Vergleich zum Jahresbeginn 2019 hat der Dax-Konzern zugelegt.
„Wir sehen sehr gutes Wachstum in Asien und speziell in China, aber auch die USA werden zu einem immer stärkeren Motor“, sagte Vorstandschef Markus Steilemann am Mittwoch im Gespräch mit dem Handelsblatt. Europa komme erst langsam in Fahrt, hier sei Deutschland der klare Treiber. Doch der CEO rechnet für 2021 mit einem starken Jahr in allen Weltregionen und Kundenindustrien.
Die Lage von Covestro ist ein guter Indikator für die Weltwirtschaftskonjunktur, denn der Kunststoffhersteller beliefert viele verschiedene Branchen in aller Welt. Die Leverkusener profitieren aktuell vor allem vom Boom in der Automobilwirtschaft und der Elektronikindustrie sowie bei Konsumgütern wie Möbeln. Insgesamt ist die deutsche Chemieindustrie sehr stark ins neue Jahr gestartet.
Die hohe Nachfrage war aber nur ein Grund, warum Covestro im ersten Quartal 2021 den operativen Gewinn auf 743 Millionen Euro nahezu verdreifachte und der Umsatz um 19 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro stieg. Stärksten Einfluss hatten massive höhere Preise, weil sich am Markt zugleich ein Engpass im Angebot aller großen Kunststoffhersteller zeigte.
Die Produktionsprobleme sind noch immer eine Folge der starken in Winterstürme in Texas. Dort werden in großen Anlagen am Golf von Mexiko viele Vorprodukte für die Chemie hergestellt. Covestro betraf dies weniger stark, weil die Leverkusener viele der benötigten Rohstoffe selbst herstellen.
Außergewöhnlich hohe Gewinnspanne
Dennoch hätte der Konzern ohne diesen Einfluss noch viel größere Mengen verkaufen können. Klar ist: Im Laufe des Jahres wird sich diese Bremse im Angebot wohl wieder lösen, die Preise wieder auf ein übliches Niveau sinken und sich damit auch die Margen von Covestro normalisieren. Eine Gewinnspanne wie derzeit 22,5 Prozent ist für den Konzern außergewöhnlich.
Schnell wird aber sich besondere Situation am Markt nicht ändern. Steilemann geht davon aus, dass das zweite Quartal für den Konzern noch besser laufen wird. „Erst im zweiten Halbjahr rechnen wir mit einer Normalisierung. Es ist aber nicht gar abzusehen, wann genau dies eintreten wird“, erläutert er.
Jeder Monat mehr mit dieser so genannten „Fly-up“-Marge werde Covestro näher ans obere Ende der bisherigen Prognose für 2021 bringen, sagte Steilemann. Der Konzern erwartet beim Betriebsgewinn eine Spanne zwischen 2,2 Milliarden und 2,7 Milliarden Euro. Bestenfalls wäre das eine Steigerung gegenüber 2019 und 2020 von 75 bis 80 Prozent.

Nach dem Corona-Einbruch im vergangenen Jahr profitiert Covestro jetzt von der Nachfrageerholung in Asien.
Covestro bringt das eine starke finanzielle Basis für die nötigen Investitionen. Grundsätzlich will der Konzern weg von zyklischen Produkten, bei denen Nachfrage und Preise stark variieren. Das Massengeschäft wird ab Sommer in eine eigene Einheit überführt. Die konjunkturrobusteren Spezialprodukte kommen in die zweite neue Sparte Solutions & Specialities.
Aktienkurs bereits auf hohem Niveau
Letztere hat Covestro mit dem Kauf des Beschichtungsgeschäfts von der niederländischen DSM im Volumen von 1,6 Milliarden Euro verstärkt. Der Schwerpunkt des Ausbaus liegt auf nachhaltigen Anwendungen. Rasant wächst laut Steilemann das Geschäft mit Leichtbau-Kunststoffen für Elektroautos. Covestro stellt unter anderem Gehäuse für Batterien aus dem transparenten Kunststoff Polycarbonat her.
An der Börse wurde der gute Jahresstart von Covestro am Mittwoch nicht weiter honoriert, der Aktienkurs stagnierte bei 55 Euro. Zum einen hatte der Konzern schon vor ein paar Wochen seine Prognose erhöht, zum anderen hat die Aktie schon eine relativ hohe Bewertung erreicht. Der Kurs ist auf Zwölfmonats-Sicht um 80 Prozent gestiegen.
Mit einem Zuwachs von 74 Prozent seit August 2020 hat sich die Covestro-Aktie innerhalb der börsennotierten europäischen Chemieindustrie am besten entwickelt. Die Analysten von Goldman Sachs sehen aber angesichts der weiter anhaltenden, besonderen Marktlage bei den Covestro-Geschäften noch weiteres Aufwärtspotenzial bis zu einem Kursziel von 75 Euro.
Die Baader Bank hat aus dem gleichen Grund das Kursziel für die Aktie auf 72 Euro hochgestuft. Sie erwartet, dass der Konzern am besten mit dem anhaltenden Engpass bei Rohstoffen zurechtkommen wird und im Vergleich zu den Konkurrenten aus Asien den Kunden eine höhere Versorgungssicherheit bietet.
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