Chemiekonzern Kunststoffhersteller Covestro plant kräftigen Stellenabbau – vor allem in Deutschland

Der Kunststoffhersteller steht vor einem massiven Umbau.
Düsseldorf Der Kunststoffhersteller Covestro plant einen weiteren Stellenabbau in den kommenden zwei Jahren. Dabei könnten weltweit bis zu 1700 Arbeitsplätze wegfallen, was rund zehn Prozent der gesamten Belegschaft entsprechen würde. Eine Sprecherin bestätigte am Donnerstagabend das Vorhaben grundsätzlich. Zuerst hatte die „Rheinische Post“ darüber berichtet.
Bei der Zahl von 1700 Stellen handele es sich aber nur um eine erste interne Schätzung und nicht um einen konkreten Plan, unterstrich der Konzern. Die Zahl werde in den kommenden Monaten noch variieren. Doch könnten allein 950 Jobs an den vier deutschen Standorten Leverkusen, Dormagen, Krefeld und Brunsbüttel entfallen. Der Abbau soll Ende 2023 abgeschlossen sein.
Betriebsbedingte Kündigungen wird es bei Covestro keine geben, denn die sind vertraglich bis zum Jahr 2025 ausgeschlossen. Es werde nach sozialverträglichen Lösungen gesucht, hieß es beim Dax-Konzern. In der Praxis bedeutet dies zumeist Abfindungsprogramme, Angebote für einen vorgezogenen Vorruhestand sowie die Nichtbesetzung freigewordener Stellen.
Der Stellenabbau folge keinem konkreten Sparziel oder einem Sparprogramm, hieß es bei Covestro weiter. Er sei Folge der strategischen Ausrichtung auf die Kreislaufwirtschaft sowie der neuen Konzernstruktur. Covestro überprüft derzeit, welche Geschäfte und Strukturen nicht mehr dazu passen.
Sonderkonjunktur treibt Covestro
Innerhalb der Belegschaft und bei den Arbeitnehmervertretern sorgten die Ankündigungen für Überraschung und Unbehagen. Denn sie kommen mitten in einer Phase, in der das Unternehmen sehr gut verdient. Für 2021 rechnet Covestro mit einem bereinigten Gewinn von bis zu 3,1 Milliarden Euro – doppelt so viel wie 2020 und nahe am Rekordwert von 2017.
Allerdings ist dem Management klar, dass dies einer vorübergehenden Sonderkonjunktur geschuldet ist. Covestro profitiert aktuell extrem davon, dass das Kunststoffgeschäft weltweit boomt und die Lage bei vielen konkurrierenden Produzenten angespannt ist. Das eingeschränkte Angebot hat die Preise für Polyurethane und Polycarbonat – den beiden Hauptprodukten von Covestro – in die Höhe schießen lassen. Dies dürfte sich spätestens 2022 wieder entspannen.
Hinter dem Stellenabbau steckt aber vor allem, dass sich Covestro Luft für den Wandel zum chemischen Kreislaufunternehmen verschaffen will. Die Idee dahinter ist, dass Rohstoffe aus erneuerbaren Quellen kommen und Werkstoffe wiederverwendbar werden.
Der Leverkusener Konzern will sich dafür mittel- bis langfristig komplett vom Einsatz fossiler Rohstoffe wie Öl und Gas trennen und auf grüne Energieträger umstellen. Dazu kommen ambitionierte Recycling-Programme. Das Programm ist herausfordernd: Aktuell basieren über 90 Prozent der Produktion auf Ölderivaten.
Der Wandel ist auf Jahrzehnte angelegt, doch müssen die ersten, grundlegenden Investitionen dafür in den nächsten Jahren geschaffen werden. Covestro hat bisher mehrere Technologien für erneuerbare Rohstoffe entwickelt, etwa die Nutzung von CO2 anstelle von Rohöl bei der Produktion von Kunststoffen für Matratzen und Sportböden.
Diese Anwendungen will der Konzern in den nächsten Jahren nach und nach in größere kommerzielle Anlagen übertragen. Fürs bestehende Geschäft heißt das: „Bestehende energie- und ressourcenintensive Fertigungsanlagen müssen stetig optimiert werden“, wie Covestro es selbst beschreibt. Konkret: Die Kosten müssen runter.
Digitalisierung erfasst die Chemie
Die Leverkusener überprüfen ihre internen Prozesse aber auch mit Blick auf die neue Konzernstruktur und auf die Digitalisierung, die nun auch in der Chemie verstärkt die alte Arbeitsweise auf den Kopf stellt – etwa im Vertrieb der Produkte über E-Commerce-Plattformen.
Zum 1. Juli hat Covestro die bisherigen drei, nach Produktarten sortierten Sparten aufgelöst und in zwei neue Einheiten überführt. Seither unterscheidet der Konzern nach innovativen Geschäften mit enger Kundenbindung, die in der Sparte „Solutions and Specialities“ gebündelt sind, sowie dem Massengeschäft in der Sparte „Performance Materials“. Dort geht es eher um Kosten und möglichst effizientem Anlagenmanagement.
Der Covestro-Vorstand um CEO Markus Steilemann bleibt mit dem aktuell gefassten Vorhaben zum Stellenabbau seiner Linie treu, unabhängig vom operativen Erfolg die Kosten senken zu wollen. Schon 2018 hatte der Konzern trotz ordentlicher Ergebnisse ein Sparprogramm angekündigt, das den Abbau von 900 Stellen in der Verwaltung bis 2021 vorsah und Einsparungen von 350 Millionen Euro bringen sollte.
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