China Automesse in Schanghai: Wie die Hersteller um Alleinstellungsmerkmale kämpfen

Auch BMW baut sein Angebot in China aus.
Shanghai Während fast im ganzen Rest der Welt das Leben weiterhin durch die Corona-Pandemie eingeschränkt ist, startete in China zum zweiten Mal innerhalb von acht Monaten eine große Automesse. Zehntausende Besucher kamen am Montag zum Auftakt der „Auto Shanghai“ in die ostchinesische Stadt.
China hatte zuvor mit drakonischen Maßnahmen die Ausbreitung des Virus in den Griff bekommen, sodass in dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land seit Monaten nur noch vereinzelt Infektionen auftreten. Zwar galten bei der Messe in Schanghai wie schon bei der in Peking im September spezielle Sicherheitsvorkehrungen, aber die hielten sich verhältnismäßig in Grenzen.
So musste jeder Besucher einen negativen Corona-Test vorweisen. Sicherheitsleute erinnerten die Messeteilnehmer mit Schildern daran, dass sie einen Mund-Nasen-Schutz tragen und eine „sichere Social Distance“ wahren sollten. In der Praxis wurde zumindest der Abstand nicht mehr eingehalten, als die Autohersteller um die Aufmerksamkeit der Medienvertreter und Influencer kämpften.
In den vergangenen Monaten haben zahlreiche etablierte Autohersteller wie BMW, VW oder Daimler ihre Elektroautooffensive in China hochgefahren. Aber auch immer mehr neue Anbieter drängen auf den Markt, etwa Aiways, Xiaopeng oder der Geely-Ableger Zeekr.
Am dichtesten gedrängt standen die Besucher am Montag jedoch bei Chinas größtem Immobilienentwickler Evergrande. Der hochverschuldete Konzern hatte vor Kurzem einen Autoableger gegründet: Evergrande Auto.
Xiaopeng will Autos als Schlafplatz etablieren
Unter dem Namen Hongche, was übersetzt etwa „immer schnell rennend“ heißt, präsentierten Unternehmenschef Liu Yongzhuo und Vizepräsident Daniel Kirchert insgesamt neun Modelle. Kirchert ist in der Branche kein Unbekannter: Er hatte das ins Straucheln geratene Auto-Start-up Byton gegründet.
An Selbstbewusstsein fehlt es Evergrande Auto nicht – dabei hat das mit 87 Milliarden Dollar bewertete Unternehmen noch kein einziges Fahrzeug verkauft. „Ich glaube, Hongche ist ein echter Trendsetter“, sagte Kirchert auf der Bühne.
Dutzende Kameras der Influencer und Medienvertreter nahmen alles auf, was er sagte, und verteilen es nun millionenfach im Internet. Hinter ihm standen die neun Automodelle, auf einem riesigen Display wurden die Details zu den Fahrzeugen angezeigt. Im nächsten Jahr will Evergrande Auto die Massenproduktion starten. Bis 2025 möchte das Unternehmen mehr als eine Million Autos verkaufen.
Schwierig wird es für Evergrande, sich von den anderen Anbietern zu unterscheiden. Auch die deutschen Anbieter werben mit Modelloffensiven in China. Die Elektro-EQ-Serie werde „dramatisch“ gesteigert, ließ Daimler-Chef Ola Källenius per Video auf einem mehrere Meter hohen und breiten Display ausrichten. Keiner der Vorstandsvorsitzenden der ausländischen Autokonzerne war zu der großen Automesse nach China gereist. Vor der Coronakrise gehörte das zum üblichen Programm. Doch die chinesische Regierung hat strenge Einreiseregeln erlassen.

Auf dem Dach eines Tesla kam es bei der Automesse zu einem Eklat.
Auch BMW-Chef Oliver Zipse verkündete seine Botschaft nur digital. Bis 2030, sagte der Manager, sollen 50 Prozent der BMW-Flotte elektrisch sein. Das chinesisch-deutsche Joint Venture von BMW und Brilliance spiele dabei eine „Schlüsselrolle“. Der japanische Hersteller Toyota wählte Schanghai sogar zur Bühne, um neben einem elektrischen SUV-Konzept auch gleich seine neue Marke „bZ“ für batterieelektrische Autos vorzustellen: Das Kürzel steht für „beyond Zero“.
Insbesondere kleinere Newcomer wie das südchinesische Unternehmen Xiaopeng müssen ihre Nische auf dem umkämpften Markt finden. Während bei den Präsentationen von Evergrande und den deutschen Konkurrenten Daimler und BMW die Bässe wummerten, setzte das Unternehmen auf leise Lounge-Klänge bei der Vorstellung seines Modells P5.
Unternehmensgründer He Xiaopeng will sein Auto über die Funktion als bloßes Transportmittel hinaus etablieren. „In Zukunft werden Autos zu einem dritten Raum neben dem Büro und dem Zuhause“, sagte er. In einem Video zeigte das Unternehmen einen jungen Mann, der die Sitze seines P5 komplett umklappt und in seinem Auto schläft.
Frau klettert auf Tesla-Wagen: „Die Bremsen funktionieren nicht!“
Nicht jeder Autohersteller dürfte über die Aufmerksamkeit bei der Automesse glücklich gewesen sein: Gegen Mittag kletterte eine Frau auf ein am Tesla-Stand ausgestelltes Fahrzeug. Videos des Vorfalls machten schnell in den chinesischen sozialen Netzwerken die Runde. „Die Bremsen funktionieren nicht!“, rief die Frau vom Autodach herunter in die filmende Menge. Bilder zeigen, wie das Sicherheitspersonal die junge Frau zunächst mit Regenschirmen abzuschirmen versucht, sie dann aber schließlich mit Gewalt zu Boden zwingt.
Tesla macht inzwischen einen großen Teil seines Umsatzes in China und gehört zu den beliebtesten Elektroautoherstellern in der Volksrepublik – Vorfälle dieser Art könnten zum größeren Problem werden. Denn tatsächlich gab es in den vergangenen Monaten zahlreiche Berichte über nicht funktionierende Bremsen bei den Autos des US-Herstellers.
In einem Statement gegenüber dem Handelsblatt erklärte das Unternehmen, man stehe seit rund zwei Monaten in Verhandlungen mit der Frau, weil diese ihr Auto reklamieren wolle. Sie habe jedoch alle Lösungsvorschläge abgelehnt. Bezüglich der Vorwürfe, dass die Batterien bei den Tesla-Autos nicht funktionierten, äußerte sich das Unternehmen nicht.
Mehr: Nio, Aiways, Xiaopeng – Wie Chinas Elektroauto-Hersteller derzeit Europa erobern
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