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Corona-Impfstoff Nach Stopp in den USA: Johnson & Johnson verzögert Impfstoff-Auslieferungen in Europa

Die US-Behörden empfehlen eine Aussetzung der Impfungen mit J&J. Um seltene Thrombosefälle abzuklären, verschiebt das Unternehmen auch den EU-Start.
13.04.2021 Update: 13.04.2021 - 17:11 Uhr Kommentieren
Der Impfstoff sei in den USA bislang mehr als 6,8 Millionen Mal verabreicht worden. Quelle: AFP
Johnson & Johnson

Der Impfstoff sei in den USA bislang mehr als 6,8 Millionen Mal verabreicht worden.

(Foto: AFP)

New York, Frankfurt, Brüssel, Berlin Der US-Konzern Johnson & Johnson (J&J) zieht nach Thrombosefällen Konsequenzen. J&J habe sich entschieden, die Auslieferungen des Impfstoffs in Europa „proaktiv“ zu verzögern, teilte der Konzern am Dienstag mit. Die US-Gesundheitsbehörden hatten zuvor zu einer sofortigen Aussetzung von Corona-Impfungen mit dem Mittel geraten.

Die Arzneimittelbehörde FDA und das Seuchenzentrum CDC verwiesen in einer gemeinsamen Erklärung auf das Auftreten seltener Sinusvenenthrombosen in sechs Fällen. Es handelte sich dabei um Frauen zwischen 18 und 48 Jahren. Die Symptome kamen zwischen sechs und 13 Tagen nach der Impfung. Nach Angaben der FDA ist eine Frau gestorben, eine weitere befinde sich im Krankenhaus in einem kritischen Zustand.

„Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen diese Nebenwirkungen extrem selten“, sagte die FDA in einer gemeinsamen Mitteilung mit dem CDC. „Die Sicherheit der Covid-19-Vakzine ist eine Top-Priorität für die Regierung, und wir nehmen alle Berichte über Gesundheitsprobleme nach Covid-19-Impfungen ernst“, heißt es weiter.

Das Unternehmen erklärte in einer ersten Stellungnahme, die Fälle seien bekannt. Ein klarer kausaler Zusammenhang sei bislang nicht nachgewiesen worden. Die Aktie des US-Pharmaunternehmens gab am Dienstag zum Handelsstart mehr als zwei Prozent nach.

Die Probleme ähneln denen des US-Herstellers Astra-Zeneca, dessen Covid-19-Impfstoff in vielen Ländern nur eingeschränkt eingesetzt wird. In Deutschland darf das Mittel, ebenfalls nach Fällen seltener Hirnvenenthrombosen nach der Impfung, nur noch bei Menschen ab 60 Jahren uneingeschränkt verabreicht werden.

In einer Pressekonferenz erklärte die FDA, dass es sich bei dem empfohlenen Stopp um eine Pause handelt, die nicht verbindlich vorgeschrieben ist. In einzelnen Fällen können Ärzte ihre Patienten weiterimpfen. Ob in den USA bestimmte Gruppen von der Impfung mit dem Johnson-&-Johnson-Vakzin ausgeschlossen werden sollen, steht noch nicht fest. 

„Wir wollen die Mitarbeiter des Gesundheitssystems in die Lage versetzen, dass sie mögliche Nebenwirkungen erkennen und richtig behandeln können“, sagte die FDA-Direktorin Janet Woodcock. Anders als sonst bei Hirnvenenthrombosen sollten die Patienten nicht das Blutverdünnungsmittel Heparin bekommen. Die Pause werde voraussichtlich mehrere Tage dauern. 

FDA: Die Nebenwirkungen sind selten, aber kein Zufall

Patienten, die bereits mit dem Johnson-&-Johnson-Vakzin geimpft worden sind, sollten auf mögliche Anzeichen wie Kopf-, Bauch- und Beinschmerzen achten. Bei Menschen, die bereits vor einem Monat oder früher geimpft worden sind, sei das Risiko „sehr niedrig“. 

Die FDA geht bei den sechs Fällen nicht von einem Zufall aus, weil die Nebenwirkungen innerhalb einer Woche nach der Impfung aufgetreten sind. Zudem sei die Kombination aus der spezifischen Hirnvenenthrombose und der geringen Zahl von Blutplättchen in der Bevölkerung sonst sehr selten. Es sei davon auszugehen, dass es sich um eine Immunreaktion des Körpers auf das Vakzin handele. Damit sind die Nebenwirkungen denen in Europa bei Astra-Zeneca-Patienten sehr ähnlich. 

Die Frage, ob es bei den sechs Frauen einen Zusammenhang zwischen Verhütungspille und Nebenwirkungen des Vakzins gibt, wollten die FDA-Vertreter nicht beantworten. Es gebe dazu noch keine ausreichenden Erkenntnisse.  

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Für die amerikanische Impfstoffstrategie würde mit einem Stopp des J&J-Vakzins ein wichtiger Bestandteil wegfallen. Die USA waren in den vergangenen drei Monaten zwar extrem effizient und haben bereits mehr als ein Drittel der Bevölkerung geimpft.

Doch zuletzt sind die Corona-Fallzahlen wieder gestiegen. Der J&J-Impfstoff, der in den USA bereits Ende Februar zugelassen wurde und keine zweite Spritze braucht, sollte helfen, die Verbreitung auszubremsen. Bisher wurde er laut FDA mehr als 6,8 Millionen Mal verimpft.  

Noch Anfang April hatte der US-Chefimmunologe Anthony Fauci erklärt, die USA bräuchten voraussichtlich den Impfstoff von Astra-Zeneca nicht, weil sie genug andere hätten. Bisher kommen die Mittel von Pfizer/Biontech, Moderna und Johnson & Johnson zum Einsatz. Der Impfstoff von Astra-Zeneca hat noch keine Notfallzulassung erhalten. 

Das Weiße Haus versuchte am Dienstag, die Nerven zu beruhigen, und teilte mit, dass die Ankündigung der Gesundheitsbehörden „keinen bedeutenden Einfluss auf unseren Impfplan haben wird. Johnson-&-Johnson-Vakzine machen bisher weniger als fünf Prozent der gespritzten Impfungen aus“. Die USA hätten genug Dosen von Moderna und Pfizer für 300 Millionen Amerikaner gesichert.

Ärztevertreter gegen Impfstopp

Für Johnson & Johnson ist der Stopp bereits die zweite schlechte Nachricht in den USA. Erst vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass 15 Millionen Dosen unbrauchbar waren, weil Mitarbeiter eines Impfstoffwerks die Inhaltsstoffe von zwei Vakzinen vertauscht hatten. Die bisherigen Lieferungen für die USA waren aus einem Werk in den Niederlanden gekommen, das keine Probleme hatte. Die Auftragsfertigung in den USA hatte dagegen später begonnen und hatte einen holprigen Start. 

Auch in Europa ist das Vakzin von J&J ein wichtiger Baustein in der Impfstrategie. Erst am Montag hatte der Hersteller mit der Lieferung an die EU-Staaten begonnen. Die Europäische Kommission erwartet bis Ende Juni 55 Millionen Dosen des Impfstoffs.

Gut zehn Millionen Dosen sollen nach Deutschland gehen. Das Bundesgesundheitsministerium hat noch nicht entschieden, wie es nach den US-Warnungen vorgehen will, erklärte ein Sprecher am Dienstag. Das Ministerium befürworte ein bundesweites Vorgehen.

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„Wir hoffen, dass es nicht zu einem Impfstopp kommt“, sagte Dominik von Stillfried, Chef des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI). Ähnlich wie bei Astra-Zeneca würden die Vorteile der Impfung insbesondere im Aufschwung einer dritten Welle klar überwiegen.

„Daher wäre es sinnvoll, klar über Risiken zu informieren, die Impfung aber weiter anzubieten“, sagte Stillfried dem Handelsblatt. „Nach bisherigen Informationen dürfte das Risiko für Männer zu vernachlässigen sein“, erklärte er. Kurzfristig könne ein verzögerter Impfstart mit J&J durch andere Impfstoffe kompensiert werden. Als Beschleunigungsfaktor für die Impfkampagne bleibe das Vakzin wichtig.

Die EU-Arzneimittelbehörde Ema prüft den Impfstoff bereits seit vergangener Woche, nachdem erste seltene Thrombosefälle bekannt geworden sind. Es sei noch nicht klar, ob diese in Zusammenhang mit den Impfungen stünden, erklärte die Behörde am Dienstag.

Im Falle Astra-Zenecas hatte die Ema zwar einen Zusammenhang gesehen, die Aussetzung der Impfungen aber nicht empfohlen: Die Fälle sind sehr selten und können gut behandelt werden. Stattdessen hatte die Ema empfohlen, die Produktinformationen durch Warnhinweise zu ergänzen.

J&J verschiebt Auslieferung von Impfstoff in Europa

Dies könnte auch im Falle von Johnson & Johnson so kommen. Sollten Maßnahmen notwendig sein, „bestehen diese normalerweise darin, die Produktinformationen zu aktualisieren“, heißt es in der Ema-Mitteilung von Freitag.

Viele Fragen sind nun zu klären. Der Impfstoff von Johnson & Johnson ist wie der von Astra-Zeneca ein Vektorimpfstoff. Bei diesem wird ein sogenanntes Adenovirus, ein Erkältungsvirus, als Transportvehikel eingesetzt, um die genetische Information des sogenannten Spikeproteins in den menschlichen Körper zu transportieren, damit der eine Immunreaktion entwickelt.

Noch ist nicht klar, welche Mechanismen im Körper zu den seltenen Blutgerinnseln führen und ob und inwieweit die Impfstoffe jeweils daran beteiligt sind. Laut Wissenschaftlern könnte auch der Vektor selbst oder das Spikeprotein als Auslöser der Nebenwirkungen infrage kommen.

Wäre das der Fall, müsste auch der russische Impfstoff Sputnik V – ebenfalls ein Vektorvirus-Impfstoff, für den die Zulassung in Europa angestrebt wird – noch genauer bezüglich seiner Nebenwirkungen untersucht werden. Die Vakzine von Biontech und Moderna basieren auf der neuartigen mRNA-Technologie. Eine Häufung von seltenen Blutgerinnseln wurde bei diesen Mitteln bislang nicht beobachtet.

Mehr: Acht Gründe, warum Biontech, Pfizer und Moderna das Geschäft mit Covid-Impfstoffen dominieren werden

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