Corona-Vakzine Für die Nachzügler im Covid-Impfstoff-Rennen wird es eng

Zehn Corona-Impfstoffe sind mittlerweile weltweit zugelassen.
Frankfurt Covid-Vakzine sind heiß begehrt. Doch während die Politik noch immer heftig um den knappen Impfstoff rangelt, zeichnet sich am Horizont bereits eine Überfluss-Situation ab – und damit über kurz oder lang auch eine schmerzhafte Auslese unter den zahlreichen Entwicklern von Covid-Impfstoffen.
Denn zumindest in groben Zügen erscheint das Rennen um den Markt für Corona-Vakzine inzwischen gelaufen. Für Nachzügler wird es damit zusehends schwieriger. Die große Mehrzahl der noch laufenden Forschungs- und Entwicklungsprojekte dürfte kaum eine Chance haben, im Kampf gegen Covid-19 noch eine größere Rolle zu spielen.
Darauf jedenfalls deutet die Kombination aus der wachsenden Zahl an erfolgreichen Produktzulassungen und der gleichzeitig noch immer steigenden Zahl an Forschungsprojekten hin. Gut ein Jahr nach Beginn der Pandemie sind weltweit inzwischen zehn Covid-Impfstoffe in einem oder mehreren Ländern zugelassen. Dabei handelt es sich neben den Vakzinen der westlichen Hersteller Biontech/Pfizer, Moderna, Astra-Zeneca und Johnson & Johnson um vier Produkte chinesischer Firmen sowie jeweils ein Vakzin aus Russland und Indien.
Gleichzeitig befinden sich nach der jüngsten Übersicht der WHO weitere 71 Produkte in klinischer Entwicklung und mehr als 180 Projekte im präklinischen Stadium. Der Verband der forschenden Pharmahersteller VfA zählt aktuell sogar mindestens 272 Covid-Impfstoff-Projekte.
Neben den zugelassenen Impfstoffen durchlaufen aktuell mindestens zehn weitere Produkte sogenannte Phase-3-Studien. Dazu gehören etwa die Impfstoffkandidaten der Tübinger Curevac und der amerikanischen Biotechfirma Novavax, die von der Ema bereits im Rahmen eines rollierenden Zulassungsverfahrens geprüft werden. Auch diese Produkte dürften noch gute Chancen haben, einen Platz im Markt zu finden. Weitaus schwieriger dürfte es indes für die zahlreichen Projekte werden, die noch weiter zurückliegen.
Etablierte Hersteller verpassen den Covid-Boom
Klare Verlierer im Kampf gegen Covid-19 sind schon jetzt die meisten der etablierten Impfstoffhersteller. Von den bekannten Produzenten spielt bisher nur der US-Konzern Pfizer als Partner der Mainzer Firma Biontech eine gewichtige Rolle im Kampf gegen Covid-19.
Alle anderen klassischen Impfstoffhersteller sind außen vor und müssen bisher den Newcomern das Feld überlassen. Biotechfirmen wie Biontech, Moderna oder Novavax oder Pharmafirmen wie Johnson & Johnson und Astra-Zeneca haben bisher im Impfstoffbereich nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt.
Inzwischen haben die ersten Firmen und akademischen Forschungsgruppen ihren Rückzug angekündigt. Bereits im Dezember stoppte die australische CSL ein Impfstoffprojekt, das man zusammen mit der University of Queensland verfolgte. Ende Januar verabschiedete sich der US-Konzern Merck & Co. aus der Covid-Impfstoff-Entwicklung. Seine beiden Impfstoffkandidaten erzeugten zu schwache Immunreaktionen. In den kommenden Monaten dürfte es zahlreiche weitere solcher Beispiele geben.
Sanofi und die britische Glaxo-Smithkline (GSK) arbeiten indes weiter an einem proteinbasierten Impfstoff gegen Covid. Sie liegen gegenüber den führenden Entwicklern inzwischen aber rund ein Jahr zurück, nachdem ihr erster Produktkandidat in einer Phase-2-Studie enttäuschte. Sie wollen nun mit einem modifizierten Impfstoff im zweiten Quartal eine große Studie starten und streben an, im vierten Quartal in die Zulassungsverfahren zu gehen. Doch bis dahin wird sich die Marktversorgung voraussichtlich dramatisch verbessert haben. Selbst im Erfolgsfall dürfte es für das Duo schwierig werden, im Markt noch größer Fuß zu fassen.
Denn die Nachzügler stehen gleich vor mehreren Herausforderungen. Zum einen liegt der Maßstab für die Wirksamkeit inzwischen hoch. Die mRNA-basierten Vakzine von Biontech und Moderna etwa senken das Infektionsrisiko um rund 95 Prozent. Ähnlich effektiv sind offenbar die Impfstoffe von Novavax und des russischen Gamaleya-Instituts. Praktisch alle zugelassenen Produkte der westlichen Entwickler bieten offenbar sehr guten Schutz vor schweren Erkrankungen.
Zudem werden die guten klinischen Resultate inzwischen durch umfangreiche Daten aus der Praxis bestätigt. Beobachtungsstudien in Israel und Schottland etwa bescheinigten sowohl dem Impfstoff von Biontech als auch dem Astra-Zeneca-Vakzin eine hohe Effektivität in der Reduktion von schweren Covid-Erkrankungen und Infektionen.
Verfügbarkeit von Impfstoffen dürfte sich deutlich verbessern
Die zweite Herausforderung ergibt sich aus dem ambitionierten Kapazitätsausbau der führenden Akteure: Für die bisher zugelassenen Produkte haben die Hersteller Produktionsmengen von weltweit mehr als elf Milliarden Dosen angekündigt. Zählt man die Vakzine von Novavax und Curevac hinzu, errechnet sich ein geplantes Produktionsvolumen von mehr als 13 Milliarden Dosen für 2021.
Zwar kämpfen etliche Hersteller aktuell noch mit Problemen beim Hochfahren und Ausbau der Kapazitäten. Dennoch zeichnet sich ab, dass sich die Verfügbarkeit von Impfstoffen und damit auch die Impfquoten spätestens im zweiten Halbjahr erheblich verbessern werden. Damit wiederum dürfte es für nachfolgende Impfstoff-Entwickler zusehends schwieriger werden, noch Probanden für klinische Studien zu gewinnen.
Zudem wird angesichts einer verbesserten Versorgung über kurz oder lang auch die Möglichkeit entfallen, neue Covid-Vakzine per Notfall- oder bedingter Zulassung auf den Markt zu bringen. Denn solche beschleunigten Verfahren sind kaum noch zu rechtfertigen, wenn ein halbes Dutzend hochwirksamer Impfstoffe in hohen Mengen zur Verfügung steht.
Ein gewisses Potenzial könnte sich für die Nachzügler theoretisch zwar aus dem Vormarsch neuer Virusmutationen und dem Bedarf für modifizierte Vakzine und zusätzliche Impfungen ergeben. Wie groß der Bedarf tatsächlich sein wird, ist aber schwer abzuschätzen. Bisherige Labortests bescheinigen zum Beispiel dem Impfstoff von Biontech eine relativ hohe Wirkung auch gegen die brasilianische und die südafrikanische Sars-CoV-2-Version. Zudem sind die führenden Entwickler bereits stark aktiv in der Entwicklung von Impfstoff-Varianten. Auch in dieser Hinsicht dürften Nachzügler daher einen schweren Stand haben.
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