Corona: China macht der Weltwirtschaft neue Hoffnung
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CoronakriseChina macht der Weltwirtschaft neue Hoffnung
In China laufen Fabriken wieder an, die Büros öffnen. Die Situation bleibt aber fragil – auch, weil das Coronavirus nun die westliche Welt lähmt.
Der Chemieriese hofft im chinesischen Markt wieder auf Stabilität.
(Foto: obs)
Düsseldorf, Peking Masken und Mundschutz, Virustest und Beatmungsgeräte: China liefert große Mengen Ausrüstung für den Kampf gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 in alle Welt. Zudem sind chinesische Ärzteteams auf dem Weg, um Ländern von Italien bis Irak bei der Bekämpfung der Epidemie zu helfen. Während die USA mit der Krise selbst beschäftigt sind, präsentiert sich der Erzrivale als der verlässliche Lieferant in der Not.
Die großzügigen Hilfsleistungen sind auch ein Signal an den Rest der Welt: China ist wieder auf dem Weg in die Normalität. Die Epidemie scheint weitgehend unter Kontrolle zu sein, die Regierung vermeldet nur noch wenige neue Infektionen. Parallel erwacht die Wirtschaft aus der Starre: Die Politik lockert die Beschränkungen, viele Unternehmen nehmen die Arbeit auf, China produziert wieder Autos, Smartphones oder eben Atemschutzmasken. Auch die Geschäfte füllen sich langsam, und Peking meldet wieder Verkehrsstaus.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) erkennt – trotz weiter bestehender Risiken – Anzeichen für eine Normalisierung. Große Unternehmen hätten überwiegend ihre Fertigung wieder aufgenommen. Die Maschinenbauer verzeichnen eine steigende Nachfrage, Volkswagen hofft sogar, im Sommer wieder normale Geschäfte zu machen. Für die Weltwirtschaft, die sich in den vergangenen Jahrzehnten von China abhängig gemacht hat, ist das ein vorsichtiges Hoffnungszeichen.
Doch die Situation bleibt fragil: Nach wie vor gelten Beschränkungen, die den Unternehmen die Arbeit erschweren. Im Westen, wo das öffentliche Leben stillsteht, bricht die Nachfrage ein. Zudem könnten mit dem Reiseverkehr die Infektionen wieder zunehmen, wie der IWF warnt.
„Die chinesische Regierung versucht zu kommunizieren, dass alles wieder normal ist, steht aber noch vor einigen Herausforderungen“, warnt Max Zenglein vom Mercator-Institut for China Studies (Merics) in Berlin. Eine deutliche Verbesserung der Situation hänge davon ab, „dass es zu einer globalen wirtschaftlichen Erholung kommt“. Die ist ungewiss.
Für das Hoffen und Bangen steht kaum ein anderer Konzern so sehr wie Volkswagen. Die Corona-Epidemie stelle den Autohersteller vor „ungekannte operative und finanzielle Herausforderungen“, sagte Vorstandschef Herbert Diess kürzlich. Die Produktion in fast 100 Werken steht still. Allerdings gibt es eine Region, in der der Betrieb wieder läuft: In China haben 31 von 33 Fabriken die Arbeit aufgenommen. Der Autohersteller ist zwar noch weit vom üblichen Rundumbetrieb mit drei Schichten entfernt. Doch mit dem Ende der Zwangspause scheint das Schlimmste überstanden.
Der Konzern setzt nun darauf, dass sich auch der Rest der Welt bald von der Epidemie erholen könnte. „Wir wollen dieses Jahr nicht völlig abschreiben“, sagte Finanzvorstand Frank Witter in der vergangenen Woche auf der Bilanzpressekonferenz des Wolfsburger Autoherstellers. In diesem Szenario dauert die Coronakrise nur ein paar Monate, nicht länger.
Das sind die Lichtblicke in China
Ein Großteil aller IT- und Unterhaltungselektronikprodukte wird in China gefertigt, auch die meisten Zulieferer sind dort ansässig. Nach den strengen Restriktionen der Regierung ist die Produktion mittlerweile wieder angelaufen. China liefert wieder Smartphones in alle Welt.
Der deutsche Maschinenbau – unter anderem Trumpf – darf auf eine Erholung der Lage in China hoffen: Vor allem in Branchen, die der Staat als strategisch wichtig ansieht und entsprechend fördert, steigt die Nachfrage wieder. Das gilt beispielsweise für den Ausbau der Seidenstraße. Das Reich der Mitte ist der zweitwichtigste Auslandsmarkt nach den USA.
China liefert große Mengen an Ausrüstung für die Bekämpfung der Coronakrise an andere Länder – zum Beispiel Atemmasken und Virustests. Damit demonstriert das Regime, dass es die Krise weitgehend bewältigt hat. China ist zudem einer der wichtigsten Produzenten von Wirkstoffen für die Pharmaindustrie.
Ob in Deutschland, den USA oder Mexiko, ein Großteil der Werke von Volkswagen steht derzeit still. Anders in China: Nach dem Ende der Zwangspause ist die Fertigung an 31 von 33 Standorten wieder angelaufen, unter anderem bei Audi in Changchun. Auch andere Autohersteller produzieren wieder, die meisten Autohändler sind wieder geöffnet.
Die westlichen Chemiekonzerne haben in China riesige Produktionskomplexe errichtet – wie eine Fabrik von BASF in Nanjing. Beim Marktführer sind die meisten Mitarbeiter an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, die Fertigung in der Region läuft wieder stabil. Auch, weil die lokalen Kunden wieder bestellen.
Softwarehersteller wie SAP sind von den Einschränkungen weniger betroffen als Industriebetriebe: Mobiles Arbeiten ist in der Branche Standard. Der Dax-Konzern öffnet seine Büros in China langsam wieder. Die Mitarbeiter müssen allerdings scharfe Hygienevorschriften einhalten.
In China werde die Produktion vieler Automobilkonzerne „sukzessive wieder hochgefahren“, bestätigt Frank Schwope, Automobilanalyst bei der NordLB in Hannover. Die Erfahrungen aus der Volksrepublik ließen sich auf Europa und Nordamerika übertragen, glaubt Chris McNally, Analyst beim Investmenthaus Evercore ISI. „China wird zur Blaupause“, sagt er. Nach dem tiefen Absturz über zwei Monate hinweg, so die Hoffnung, dürfte es danach wieder langsam aufwärtsgehen.
In anderen Branchen läuft es ähnlich. So produzieren die meisten Chemiekonzerne, die in China riesige Industriekomplexe betreiben, nach dem Stillstand wieder, überwiegend mit guter Auslastung. Bei Marktführer BASF etwa sind die meisten Mitarbeiter an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, die Fertigung in der Region „Greater China“ läuft stabil. Mehrere Standorte haben sogar wieder den Normalzustand erreicht – die verbesserte Situation der inländischen Lieferketten und die Wiederaufnahme der Arbeit einiger lokaler Kunden machen es möglich. Führende amerikanische Chemiekonzerne wie Dupont haben ihre Produktion sogar fast vollständig hochgefahren.
Auch der Maschinenbau berichtet von deutlichen Verbesserungen. Beim Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf beispielsweise ist die Produktion in China nach den Fabrikschließungen über die Neujahrsferien wieder angelaufen. Bereits Mitte Februar hatte das Familienunternehmen den Betrieb wieder aufgenommen, mittlerweile sind mehr als 90 Prozent der üblichen Kapazität erreicht.
Offizielle Einschätzungen bestätigen diesen Eindruck. Nachdem im Januar und Februar die industrielle Produktion um 13,5 Prozent eingebrochen ist und der Einzelhandelsumsatz um 20,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, scheint es wieder aufwärtszugehen. Im zweiten Quartal, so zeigte sich der Vizechef der chinesischen Zentralbank, Chen Yulu, am Sonntag auf einer Pressekonferenz überzeugt, werde sich Chinas Wirtschaft erholen.
Das ist der Corona-Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft
Ein genauer Blick zeigt indes, dass China noch weit von der Normalität entfernt ist. „Man kann ein Land nicht einfach schließen und dann wieder aufmachen“, sagt Merics-Forscher Zenglein. Es gebe nach wie vor große Sorge, dass es zu weiteren Ausbrüchen komme – nicht umsonst sind die Schulen noch geschlossen.
Die Mitarbeiter der Unternehmen müssen daher beispielsweise Temperaturkontrollen über sich ergehen lassen, Masken tragen und – sofern möglich – Abstand zueinander halten. Zudem müssen sich in den meisten chinesischen Städten Eingereiste zwei Wochen lang isolieren, egal, ob sie aus dem In- oder Ausland kommen. Geschäftsreisen sind damit de facto unmöglich. Zudem durchbrechen die Grenzschließungen und Reisebeschränkungen die Lieferketten. China will deswegen die internationale Frachtflugkapazität erhöhen: Die Regierung lockert zeitliche Beschränkungen für Frachtflüge an bestimmten Flughäfen.
China ist indes nicht nur eine wichtige Produktionsstätte, sondern auch ein wichtiger Absatzmarkt. Für die Unternehmen ist daher essenziell, dass die Konsumenten wieder Geld ausgeben. Erste positive Signale vernimmt man bei Volkswagen: Das Unternehmen kalkuliert nach den Worten von Finanzvorstand Witter damit, dass in diesem Monat in China wieder eine Million Pkws auf dem gesamten Automarkt verkauft werden könnten. Üblich wäre in China etwa das Doppelte – in Europa passiere derzeit allerdings gar nichts, so ein Konzerninsider.
Das Auto als Schutz vor Viren
In den Sommermonaten, so die Kalkulation von Volkswagen, könnte zudem wieder das Normalniveau von etwa zwei Millionen monatlich verkauften Autos erreicht sein. Zu dem steigenden Interesse, so hoffen die Hersteller, trägt ausgerechnet das Coronavirus bei: In öffentlichen Verkehrsmitteln sei die Gefahr, sich zu infizieren, größer als im eigenen Pkw. Dass der VW-Konzern stark in China engagiert ist und dort 40 Prozent seiner Autos verkauft, könnte sich in den kommenden Wochen also als Vorteil erweisen.
Auch im deutschen Maschinenbau gilt China als die letzte Hoffnung. Nahezu alle anderen wichtigen Exportmärkte stecken derzeit tief in der Coronakrise – darunter die USA, Frankreich und Italien, die zusammen für mehr als ein Viertel des deutschen Maschinenaußenhandels stehen. China ist mit zehn Prozent der zweitwichtigste Auslandsmarkt.
Fertigung von Trumpf
Auch der deutsche Mittelstand macht in China gute Geschäfte.
Und tatsächlich scheint sich das Geschäft in China wieder stärker zu entwickeln. Der Einbruch wegen des Corona-Ausbruchs sei überstanden, berichtet zum Beispiel Robert Schullan, Vorstandschef des bayerischen Maschinenbau-Zulieferers Hawe Hydraulik. „Ganz im Gegenteil fahren unsere Kunden aus der Baumaschinen- oder Windbranche gerade ein massives Programm zur Aufholung der Ausfälle aus dem Februar“, so der Manager.
Eine Erholung gebe es demnach vor allem in Branchen, die vom chinesischen Staat als strategisch wichtig eingeordnet und entsprechend gefördert werden – etwa im Zusammenhang mit der Belt-and-Road-Initiative, also der Neuen Seidenstraße. Meist handelt es sich dabei um Hersteller, die ihre Produkte vor allem lokal absetzen, also nicht so stark von der globalen Konjunkturentwicklung abhängig sind.
Unklar ist jedoch, ob die deutschen Unternehmen in der Lage sind, diese Nachfrage kurzfristig zu bedienen. So haben mittlerweile mehrere Unternehmen aus der Branche, wie der Bielefelder Werkzeugmaschinenproduzent DMG Mori oder der Automatisierungshersteller Manz aus Reutlingen, ihre Produktion in Deutschland vorerst geschlossen, um die eigenen Mitarbeiter vor einer Corona-Infektion zu schützen.
Auch der Leverkusener Kunststoffhersteller Covestro profitiert von den staatlichen Stützungsmaßnahmen. Der Dax-Konzern betreibt in Schanghai einen riesigen Komplex mit mehr als 2.000 Mitarbeitern. Dort werden Weichschäume für Autositze und Polstermöbel, Hartschäume für die Fassadendämmung sowie der transparente Kunststoff Polycarbonat hergestellt, der in der Elektronik- und Automobilindustrie verwendet wird.
Covestro spürt eine – wenn auch langsame – Besserung in China. „Die chinesische Regierung hat eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft ergriffen. Wir sehen, dass sich in China die Produktion in unseren Kundenindustrien weiter erholt“, sagt Holly Lei, Präsidentin von Covestro China. Doch auch Covestros Chinachefin warnt: „Die Unternehmen sind aufgrund der nachlassenden Nachfrage aus Übersee weiterhin vorsichtig. Die globale Lage erhöht die Unsicherheit in Bezug auf die gesamte wirtschaftliche Situation in China.“
Für IT-Unternehmen wie SAP war die Ausgangssperre nicht so gravierend wie für die Industrie: Mobiles Arbeiten ist in der Branche Standard. Daher sei keine lange Vorbereitung nötig gewesen, um die Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, berichtet Ruicheng Li, der in China die Entwicklungseinheit SAP Labs leitet. „Die globale Aufstellung von SAP hilft – die Kollegen in aller Welt arbeiten täglich virtuell zusammen, auch in normalen Zeiten.“ Die Produktivität sei daher nicht gesunken.
Daher kann sich SAP Zeit lassen, die Standorte wieder zu eröffnen. In den nächsten Wochen sollen immer mehr Mitarbeiter in die Büros zurückkehren. Allerdings gelten verschärfte Bedingungen: So bekommen die SAPler am Eingang die Temperatur gemessen, zudem müssen sie mit einer Smartphone-Anwendung des Staates dokumentieren, dass sie nicht zu einer Risikogruppe zählen. Masken sind eine Standardausstattung. Und in der Kantine ist ein Sicherheitsabstand von zwei Metern einzuhalten.
Li zieht nach den letzten Wochen ein positives Fazit: Die 6.000 Mitarbeiter in China sind gesund geblieben, und die Arbeit ist weitergelaufen. Trotzdem ist er froh, dass diese Phase so langsam endet. „Die Kollegen wollen zurückkommen ins Büro, sie vermissen es, zusammen zu sein. Das ist ein menschliches Bedürfnis.“
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